Die Politik muss die Spielregeln vorgeben
Der Klimawandel ist derzeit ein Thema, das viel diskutiert wird. Was aber sind natürliche Gründe für Klimaveränderungen, und welche sind von Menschen gemacht? Und gibt es wechselseitige Auswirkungen von Corona-Pandemie und Klimawandel? Ein Blick in die Ge
Statt allzu sehr auf das Individuum oder die Wirtschaft zu hoffen, richten wir lieber den Blick auf den Staat. Ideen, das Paris-Abkommen umzusetzen, stehen viele im Raum. Dazu zählen oft gehörte, wie die schrittweise Einstellung der Verbrennung fossiler Energieträger, oder auch einschneidendere, wie eine Flugmeilenbegrenzung oder die Einschränkung der internationalen Schifffahrt mit ihrem immensen Verbrauch an Schweröl. Ist wirklich das in Paris beschlossene Ziel, die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu beschränken, ernst gemeint, muss über solche Vorschläge und wie sie praktikabel umzusetzen sind, nachgedacht werden.
Es gibt Versuche, in Studien zu zeigen, dass Bevölkerung und Innovationskraft immer in einem ähnlichen Ausmaß wachsen. Der Ansatz lautet: Je mehr wir werden, desto bessere Technik erfinden wir. Für Ernährungsthemen scheint das zu gelten, für Klimathemen allerdings nicht. Das Beispiel Automobilindustrie zeigt, wie zwar immer effizientere Motoren entwickelt werden, zugleich aber die Emissionen konstant bleiben, da die Autos leistungsstärker und schwerer werden.
Die Politik muss Industrie und Verbrauchern die Spielregeln beim Klimaschutz vorschreiben, denn der Mensch ist nicht zum Klimaschützer geboren.
Es ist zwar richtig, dass insbesondere für die Bewohner reicher Länder die Reduzierung der immensen Pro-Kopf-Emissionen im Fokus stehen muss. Deutschland gehört mit zwölf Tonnen Klimagasen pro Kopf und Jahr zu den größten Umweltsündern der Welt. Allerdings muss dabei auch bedacht werden, dass der deutsche Anteil lediglich zwei Prozent des weltweiten Ausstoßes ausmacht. Die meistdiskutierten Gegenmaßnahmen sind die Steigerung von Effizienz durch technische Innovation und die Ablösung fossiler Energieträger durch regenerative Energien. Doch der Glaube an den Erfolg des technischen Fortschritts als Lösung für globale Herausforderungen wie die Klimaproblematiken ist bisher zunächst jedoch nicht mehr als eben ein Glauben. Trotz vieler innovativer Lösungen in den vergangenen Jahrzehnten beobachten wir nämlich noch immer eine negative Entwicklung fast aller Indikatoren für menschengemachten Klimawandel.
So soll vor allem der Fleischkonsum mit all seinen ressourcenverbrauchenden Begleiterscheinungen aufgrund von Studien rund 51 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ausmachen. Deshalb sind Apelle wie: „Esst höchstens sporadisch Fleisch, fliegt so selten wie möglich, konsumiert wenig, lokal und nachhaltig!“sicherlich wichtige und richtige Appelle. Doch betrachtet man den bisherigen Erfolg dieser Aufrufe, beschleicht einen das Gefühl, der Mensch habe Mühe, die komplexe Bedrohung durch den Klimawandel mit der eigenen Lebensrealität zu verknüpfen und sein Verhalten dementsprechend danach auszurichten.
Viel einfacher ist es dagegen, sein durch das eigene Verhalten hervorgerufenes schlechtes Gewissen durch Ersatzhandlungen zu beruhigen. Dies kann beispielsweise dadurch erfolgen, dass man nach dem Buchen einer Flugreise Kompensationsagenturen beziehungsweise NGOs, wie Atmosfair oder Myclimate, auf ihrer Homepage besucht und Geld an diese überweist. Diese unterstützen dafür im Gegenzug Klimaschutzprojekte. Gleichzeitig ist man dafür seine schlechten Gefühle los. In gewisser Weise erinnert dies dann doch wiederum an den mittelalterlichen Ablasshandel, denn damals konnte man zur Tilgung seiner Sünden Ablassbriefe erwerben und damit Strafen im Fegefeuer entgehen.
Allerdings hat man dadurch an der durch den Klimawandel hervorgerufenen Bedrohung selbst nicht viel geändert. Dies wird durch eine Meldung der Internationalen Energieagentur (IEA) von Ende März 2019, wonach ein ungebremst steigender Energieverbrauch den globalen Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid auf ein neues Rekordniveau getrieben habe, unterstrichen. So wird in dieser Meldung unter anderem ausgeführt, im Jahr 2018 sei der Energieverbrauch der Welt so stark gewachsen wie seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Der globale
Bedarf stieg nach Berechnungen der IEA um 2,3 Prozent. Der Anstieg sei damit fast doppelt so stark wie im Durchschnitt des vergangenen Jahrzehnts. Der wachsende Energiehunger habe die vom Energiesektor verursachten CO2-Emissionen 2018 um 1,7 Prozent auf 33,1 Milliarden Tonnen steigen lassen, was einen neuen Negativrekord darstelle. CO2 stelle dabei den wichtigsten Treiber für den vom Menschen verursachten Klimawandel dar.
Die wachsenden CO2-Emissionen seien deshalb „beunruhigend“, warnte der Chef der IEA, die der wichtigste Lieferant von Daten zum globalen Energiesektor ist, und spricht von einer „zunehmenden Entkoppelung“von ambitionierten Klimaschutzzielen und der tatsächlichen Entwicklung an den Energiemärkten. 2018 sei der globale CO2-Ausstoß nun schon das zweite Jahr in Folge gewachsen, nachdem die Emissionen in den Jahren davor leicht gesunken waren. Als Grund dafür wurde die robuste Entwicklung der Weltwirtschaft und ein wetterbedingt größerer Heizungs- aber vor allem auch Kühlungsbedarf in einigen Weltregionen angeführt.
Wie widersprüchlich sich allerdings Angaben zum Energieverbrauch darstellen, zeigt eine Meldung des europäischen Statistikbüros Eurostat, die schon 2019 dagegen für die EU-Staaten sinkende Emissionswerte vermeldete und dabei erklärte, das CO2-Ziel für 2020 sei schon erreicht. Hinter der gemeldeten Gesamtminderung verbargen sich jedoch auch, was man bedenken muss, große länderspezifische Unterschiede. Zudem galten bei dieser Erhebung nur nationale CO2-Zielwerte, denn die Ausgangslage in den Mitgliedstaaten der EU ist doch sehr verschieden. Im Gegensatz zu schwächeren sind weiter entwickelte Länder wie Deutschland und Frankreich in der Pflicht, den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 spürbar einzudämmen.
Dies scheint mittlerweile gelungen, denn obwohl auf europäischer Ebene nur zu einer Reduktion um ein Fünftel verpflichtet, hat Deutschland im Vergleich zum Jahr der Wiedervereinigung schon mehr als 30 Prozent geschafft; der hiesige Streit um den Klimaschutz hingegen speist sich aus dem nun kaum mehr zu erreichenden, selbst gesetzten Sonderziel der Bundesregierung von 40 Prozent. Auch EU-weit wurde das CO2-Ziel erreicht. Schon für das Jahr 2017 meldete die Kommission, dass die Emissionen 22 Prozent unterhalb des Wertes des Jahres 1990 lägen – nicht zuletzt dank der Pflicht für Energiewirtschaft und Industrie zur Teilnahme am Emissionshandel. Dabei war die Gesamtminderung um 20 Prozent erst für 2020 anvisiert. Durch die Corona-Pandemie und den damit verbundenen LockDown dürften sogar noch weitere Minderungen für 2020 zu erwarten sein.
Was die Produktion regenerativer Energien angeht, so laufen die Windräder in Deutschland zwar auf Hochtouren, doch der Ausbau der Windenergie an Land stockt: Der Neubau ging sogar um 90 Prozent zurück, was auch mit vielen Klagen und großem Widerstand der Bevölkerung zu tun hat. Gerade in den letzten Jahren ist dies auch in unserer Region wieder in Mettlach-Weiten und am Litermont bei Düppenweiler und Nalbach sowie an einigen weiteren Orten deutlich geworden, wo sich großer Widerstand von Bürgerinitiativen gegen den geplanten Bau von neuen Windkraftanlagen geregt hatte.
2019 wurden nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) annähernd die Hälfte des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Quellen hergestellt, genau 42 Prozent. Aber Energie steckt nicht allein im Strom, sondern auch im Wärmemarkt und in Kraftstoffen. Und so stammen fast 58 Prozent der Gesamtenergie noch immer aus Erdöl und Erdgas, 21 Prozent aus der Stein- und Braunkohle. Doch Deutschland will bis spätestens 2038 aus der Kohlenutzung aussteigen. Dafür müssen allerdings weitere erneuerbare Quellen erschlossen werden.
Doch es genügt nicht allein, die Energie zu gewinnen. Man muss sie auch für Zeiten mit wenig Wind und Sonne speichern können. Also setzt Deutschland in einer nationalen Strategie verstärkt auf Wasserstoff. Dieser ist keine Energiequelle, aber ein idealer Energieträger, sozusagen chemisch gespeicherter Strom. Forscher arbeiten hier an immer effizienteren Anlagen, sogenannten Elektrolyseuren. Deutschland kann allerdings nur etwa ein Siebtel seines Bedarfs an sogenannten Grünen Wasserstoff selbst gewinnen. Der Rest muss importiert werden – zum Beispiel aus Marokko, wo in riesigen Solaranlagen Strom produziert werden soll, der dann zu Wasserstoff für Deutschland gemacht wird. Umweltschützer fordern, sich nicht von solchen Importen abhängig zu machen, sondern auch weiter Windparks und Photovoltaik in Deutschland auszubauen, wobei dies allerdings, wie schon beschrieben, an den vorgesehenen Standorten auf einen zunehmenden Widerstand in der Bevölkerung führen dürfte.
In diesem Zusammenhang soll Erwähnung finden, dass im August 2020 in Dillingen in den Hochöfen der Rogesa, der gemeinsamen Tochter von Dillinger Hütte und Saarstahl,
erstmals in Deutschland eine Anlage, die Wasserstoff in der Stahlerzeugung nutzt, um den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid zu vermeiden, in Betrieb gegangen ist. Die neue Hochofen-Technik bei der Dillinger Hütte und Saarstahl gilt als Etappe zu „grünem“Stahl, bei dessen Produktion kein CO2 mehr freigesetzt wird. Bei der Inbetriebnahme der Anlage wurde darauf hingewiesen, dass dies in Dillingen im Unterschied zu anderen im produktionstechnischen Regelbetrieb und nicht in einer Versuchsanlage geschieht.
Bei dem neuen Verfahren ersetzt wasserstoffhaltiges Koksgas einen Teil des Kohlenstoffs, der als Koks im Hochofen zusammen mit eisenhaltigen Erzen zu Eisen verschmolzen wird. Dieses Gas, das in der Kokerei freigesetzt wird, besteht zu etwa 55 Prozent aus Wasserstoff. Derzeit werden 1500 Kilogramm Wasserstoff pro Stunde in den Hochofen eingeblasen. Weil dadurch weniger Koks benötigt wird, werden in der saarländischen Eisenerzeugung künftig 120 000 bis 150 000 Tonnen CO2 eingespart. Es könnte noch mehr sein, denn möglich ist in der in Betrieb genommenen Anlage der Einsatz von bis zu 3700 Kilogramm Wasserstoff. Diese zusätzliche Menge würde den CO2-Ausstoß noch weiter reduzieren. Doch stehen der Hütte derzeit diese Wasserstoff-Mengen noch nicht zur Verfügung.
Das neue Verfahren mit Wasserstoff als Ersatz für Kokskohle verteuere dabei die Roheisen-Fertigung nicht, versicherte der Technik-Vorstand Hütte. Vielmehr könnte es billiger werden. Durch das eingesparte CO2 müssten die Stahlkocher nämlich weniger Emissionszertifikate kaufen. Allerdings muss von der Politik auch gewährleistet werden, dass die deutschen Stahlerzeuger auf den Weltmärkten keinen unfairen Handelsspraktiken ausgesetzt sind und keinen Nachteil gegenüber anderen Stählen haben, die auf herkömmliche Art und damit umweltschädlich produziert wurden.
Ungeachtet aller erzielten Fortschritte halten viele Fachleute das 2015 im Pariser Klimaabkommen vorgegebene Ziel, die Aufheizung des Weltklimas im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, für fast unerreichbar. Denn dazu müssten die vom Menschen verursachten Emissionen dazu bis zur Jahrhundertmitte auf Null gesenkt werden.
Ungeachtet aller erzielten Fortschritte halten viele Fachleute das 2015 im Pariser Klimaabkommen vorgegebene Ziel, die Aufheizung des Weltklimas im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, für fast unerreichbar.