Bundeswehr hilft bei Schnelltests
Weil es an Personal fehlt, werden im Saarland jetzt Bundeswehrsoldaten zum Testen in Pflegeeinrichtungen herangezogen.
(CDU) beim Rachenabstrich. Soldaten unter dem Kommando der Verteidigungsministerin sollen künftig in Senioreneinrichtungen bei Corona-Schnelltests helfen. Daran gibt es allerdings auch Kritik: Professor Dr. Harald Schäfer, Ärztlicher Direktor der SHG-Kliniken Völklingen, findet es „befremdlich“, wenn die Bundeswehr in Altenheime einrücke. Er schlägt vor, Beschäftigte aus dem Bereich körpernaher Dienstleistungen – wie etwa Frisöre – einzusetzen.
Nun soll es also die Bundeswehr richten. Junge Männer und Frauen, an Pistole und Gewehr ausgebildet, warten auf ihren Einsatz in einem für sie unbekannten Krisengebiet. Sie sollen hochbetagten Menschen in Altenheimen Wattestäbchen tief in die Nase schieben. Wann die Soldaten ihren Crash-Kurs durchlaufen und für die Corona-Schnelltests in die Heime im Saarland einrücken können, ist derzeit nicht klar. Zu befürchten ist, dass es schon zu spät sein wird.
Denn seit Monaten sterben betagte Heimbewohner an oder mit dem Coronavirus. Bis Mitte vergangener Woche waren es im Saarland 330 – etwa die Hälfte aller Corona-Toten. Mehr als ein Drittel der akuten Infektionen entfällt auf die Pflegeeinrichtungen, deren Bewohner und Beschäftigte. „Das zeigt, dass wir das Thema Altenheime noch immer nicht im Griff haben“, sagt Magnus Jung (SPD), der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Landtag.
Das Gesundheitsministerium betont immer wieder, alles zu unternehmen, um das Virus aus den Heimen herauszuhalten. Dass dies bei einem weit in der Gesellschaft verbreiteten Erreger nicht komplett gelingen kann, mag so sein. Es stellen sich dennoch Fragen.
An Warnungen und Ratschlägen hat es nicht gemangelt. Der Ärztliche Direktor der SHG-Kliniken Völklingen und Chefarzt des Lungenzentrums Saar, Professor Dr. Harald Schäfer, der selbst zahlreiche Covid-19-Patienten auf der Intensivstation behandelt, sagte im April 2020 in einem SZ-Interview: „Ich halte es für zwingend erforderlich, dass alle Bewohner und Mitarbeiter getestet werden – am besten regelmäßig, auch wenn das eine logistische Herausforderung ist.“Schäfers Krankenhaus ist schon zu diesem Zeitpunkt neben der Uniklinik und dem Winterberg eines von drei Corona-Zentren im Land.
Jetzt, mitten in der zweiten Welle, zieht Schäfer ein ernüchterndes Fazit. Es habe viel zu lange gedauert, bis das regelmäßige Testen angegangen wurde. „Das war eine Situation mit Ansage“, sagt der Lungen-Spezialist. „Dass Personal in den Altenund Pflegeheimen fehlt, ist nichts Neues. Und dass die Welle kommt, war im Sommer klar.“Das SHG-Klinikum habe schon Anfang November damit begonnen, in bestimmten Bereichen regelmäßig Schnelltests bei Mitarbeitern zu machen.
In Heimen dauerte es deutlich länger, auch weil der Bund Ende November/Anfang Dezember erst einmal beschließen musste, dass die Betreiber nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Das Saarland gab am 8. Dezember zunächst vor, dass Mitarbeiter von Pflege-Einrichtungen wöchentlich getestet werden sollen, Bewohner alle ein bis zwei Wochen und Besucher vor dem Betreten von Bewohnerzimmern jedes Mal.
Dass deutlich öfter getestet werden soll, wie es Arbeitskammer und SPD forderten, hielt das Gesundheitsministerium für nicht machbar, weil das Personal dafür fehle. Es werde aber angestrebt, die Intervalle nach und nach zu verkürzen. Modellrechnungen zeigen, dass sich Ausbrüche unterbinden lassen, wenn Schnelltests regelmäßig zum Einsatz kommen. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) warnte aber im Dezember vor zu hohen Erwartungen: Testen sei wichtig, um einen Überblick zu bekommen, schütze aber nicht vor Infektionen, dazu seien strenge Hygienevorschriften nötig, sagte er in einer Regierungserklärung.
Weil die Infektionszahlen immer bedrohlicher wurden, verschärfte das Saarland mit den anderen Bundesländern Mitte Dezember seine
Vorgaben: Von nun an mussten Bewohner und Mitarbeiter zwei Mal pro Woche getestet werden, Besucher jedes Mal, wenn sie eine Einrichtung betreten wollten.
Doch Papier ist geduldig, wenn das Personal für die Tests fehlt. Am 5. Januar beschlossen die Ministerpräsidenten daher eine gemeinsame Initiative, um Freiwillige zu rekrutieren. Doch weil die Kampagne nicht recht in die Gänge kam, diente der Bund den Landkreisen am 15. Januar Soldaten zur Unterstützung bei den Tests an. Die saarländischen Landkreise meldeten ins Kanzleramt einen Bedarf von 182 Soldaten.
„Wenn Sie mich fragen“, sagt Professor Schäfer, „ich finde das befremdlich. Wenn die Bundeswehr in Alten- und Pflegeheimen einrückt, hat das etwas von einem Ausbruch des Katastrophenfalls.“Eine Pandemie müsse Anlass zu kreativen und unkonventionellen Lösungen geben. Man könne doch die Beschäftigten aus körpernahen Dienstleistungen, die jetzt alle Berufserbot haben, unkonventionell einzusetzen, sagt der Chefarzt und Ärztliche Direktor, Frisöre zum Beispiel. „Warum das nicht geschieht, kann ich nicht nachvollziehen.“Stattdessen bat das Gesundheitsministerium vor Weihnachten unter anderem Apotheker um Mithilfe; die hatten aber schon mit der Ausgabe der FFP2-Masken alle Hände voll zu tun.
Über Wochen hinweg fehlte nicht nur Personal, sondern auch ein klares Lagebild – zumindest für die Öffentlichkeit. Als der Gesundheitsausschuss des Landtages im November wissen wollte, wie viele Mitarbeiter und Bewohner der Pflegeheime seit 1. Oktober getestet worden sind, antwortete das Gesundheitsministerium: „Es liegen keine Informationen vor.“
Die Opposition und der SPD-Teil der Koalition sind unzufrieden mit der Datenlage. Oskar Lafontaine sagte, für die politischen Entscheidungen sei es doch wichtig zu wissen, wie viele Menschen aus den Heimen gestorben sind und wie die Lage in den Heimen wirklich ist. Kritik an den verfügbaren Zahlen übte auch der SPD-Politiker Jung, der im Gesundheitsausschuss regelmäßig die Berichte der Landesregierung hört. „Da fehlt es an Transparenz“, sagte er in der vorletzten Woche.
SPD-Fraktionschef Ulrich Commerçon fragte im Dezember ungehalten, wie man den Erfolg der Test-Strategie des Landes bewerten wolle, wenn es immer nur heiße, es lägen keine Informationen vor. „Wir fischen in der Pandemie-Bekämpfung an manchen Stellen im Trüben.“
In einer Pressemitteilung des Gesundheitsministeriums vom 14. Januar erfuhr man, dass in 66 der 149 Heime insgesamt 420 Bewohner und 175 Mitarbeiter positiv getestet wurden und dass es bisher über 300 Todesfälle gab. Die Zahl der betroffenen Einrichtungen ist in etwa gleich geblieben, während die Sterbefälle zunehmen. Auch die Zahl der Tests in den Heimen wurde vor eineinhalb Wochen genannt. In der ersten Januar-Woche waren es 36 572 Schnelltests, 148 waren positiv.
Um der Testpflicht nachzukommen, haben Heime neues Personal eingestellt, ihre Mitarbeiter Überstunden machen lassen, Betriebsärzte oder externe Firmen ins Haus geholt. Trotzdem reicht es nicht. Bei 13 000 Bewohnern hätten allein in dieser Personengruppe in der ersten Januar-Woche 26 000 Tests gemacht werden müssen, tatsächlich waren es 16 756. Das nötige Personal zu finden, gehe nicht von heute auf morgen, heißt es bei den Pflegeheimbetreibern, aber man nähere sich dem Ziel.
Die entscheidende Frage bei alledem ist nach wie vor unbeantwortet: Wer schleppt das Virus in die Heime: Besucher oder Beschäftigte? Das vermögen in der Regel weder Betreiber noch Gesundheitsämter sicher anzugeben. Der Berufsverband der Hygiene-Inspektoren fordert daher, Infektionen in den saarländischen Altenhilfe-Einrichtungen konsequent aufzuarbeiten. Über Befragungen von erkrankten Personen könnten die Betreiber Hinweise auf mögliche Infektionsquellen und Übertragungswege gewinnen – und so Risikofaktoren identifizieren und die Erkenntnisse präventiv nutzen.
Davon sind die Heime sehr weit entfernt. Fürs erste geht es darum, zu testen, bevor es nicht mehr nötig ist. Denn mehr als die Hälfte der 13 000 Pflegeheimbewohner ist bereits geimpft. Bis März oder April werden wohl alle, die das wollen, ihre zweite Spritze erhalten haben. Wenn die Immunisierung dann kurze Zeit darauf wirkt, hat sich das Test-Problem zumindest bei den Heimbewohnern erledigt.
„Wenn die Bundeswehr in Alten- und Pflegeheimen einrückt, hat das etwas von einem
Ausbruch des Katastrophenfalls.“ Prof. Dr. Harald Schäfer Ärztlicher Direktor der SHG-Kliniken Völklingen