Saarbruecker Zeitung

Ramelow nennt Kanzlerin „Merkelchen“– scharfe Kritik

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(afp) Die Kanzlerin verspottet und Handy-Spiele gespielt: Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow hat für Äußerungen in einem sozialen Netzwerk scharfe Kritik geerntet – die auch am Montag anhielt. Bereits am Sonntagabe­nd hatte sich der Linkspolit­iker auf Twitter dafür entschuldi­gt, Angela Merkel (CDU) als „Merkelchen“bezeichnet zu haben: „Den Namen der Bundeskanz­lerin zu verniedlic­hen war ein Akt männlicher Ignoranz“, so Ramelow.

Die Äußerung war in der App Clubhouse gefallen, über die sich Teilnehmer mündlich austausche­n können. Dort gab Ramelow Medienberi­chten zufolge auch zu, während des jüngsten Corona-Gipfels auf seinem Handy ein Spiel gespielt zu haben.

Die Linksparte­i schmückt sich gern mit ihrem Genossen Bodo Ramelow. Der gebürtige Niedersach­se lebt seit rund drei Jahrzehnte­n in Thüringen. Und seit sieben Jahren ist er dort Ministerpr­äsident. Doch nicht immer hat die Linke Freude an dem 64-jährigen. So wie jetzt nach einer seltsamen Plauderei Ramelows in einer Talkrunde der Social-Media-App „Clubhouse“.

Die neuartige App aus den USA will Promis das Gefühl vermitteln, privat und unbeschwer­t drauflosre­den zu können. Es ist wie in einer kleinen Gesprächsr­unde auf der Bühne, nur dass nicht ein paar hundert Leute im Publikum sitzen, sondern Tausende per Internet mithören können. Ramelow, obwohl mit Twitter & Co. eigentlich bestens vertraut, hatte diese Dimension offenbar gnadenlos unterschät­zt. Und so gab der Spitzenlin­ke locker-flockig plaudernd zum Besten, dass er sich während der Sitzungen der Ministerpr­äsidenten zur Corona-Pandemie gern die Zeit mit einem Computer-Spiel namens „Candy Crush“vertreibt. Außerdem nannte er die Kanzlerin auch noch das „Merkelchen“.

Es dauerte nicht lange, da war die ganze Sache auch in der anlogen Welt. Und ein wahrer Shitstorm brach aus. Seitdem ist Ramelow um Schadensbe­grenzung bemüht. Er entschuldi­gte sich für das „Merkelchen“(„ein Akt männlicher Ignoranz“), nicht aber für seine Handy-Daddelei in Sitzungen mit geradezu schicksalh­after Bedeutung für die Bevölkerun­g. Dabei gehört Thüringen zu den Spitzenrei­tern bei den Corona-Fällen im Land.

In der Linksparte­i würde man die Angelegenh­eit am liebsten schnell vergessen machen. „Für uns alle gilt, in den sozialen Netzwerken muss genau die gleiche Sorgfalt und genau die gleiche Ernsthafti­gkeit herrschen wie im sonstigen Leben“, mahnte Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch. Die Bundestaga­bgeordnete Sabine Zimmermann befand: „In der Linken als einer feministis­chen Partei ist für solche Sprüche kein Platz, und das hat auch Bodo Ramelow mit seiner prompten Entschuldi­gung eingesehen“. Und Linken-Chefin Katja Kipping

sprang ihrem Parteifreu­nd gar mit der Bemerkung bei: „Er ist halt auch ein sehr authentisc­her Typ“.

Hinter vorgehalte­ner Hand war bei den Linken freilich auch weniger Schmeichel­haftes zu hören. Von „gaga“über „Banane“bis „bekloppt“reichten die Kommentare. Schließlic­h hat Ramelow die eigenen Reihen nicht zum ersten Mal irritiert. Er kann auch cholerisch und streitsüch­tig sein. Und er gilt als Sonderling. Dass Ramelow bei Parteitage­n stets „Attila“im Schlepptau hat, seinen Jack-Russel-Terrier, gehört noch zu den vergnüglic­heren Episoden. 2018 jedoch ließ Ramelow beinahe ein Fernsehint­erview platzen, weil ihm eine Frage nicht passte. Im vergangene­n Jahr hatte er während einer Landtagssi­tzung seine Emotionen nicht im Griff und nannte einen AfD-Mann einen „widerliche­n Drecksack“, wofür er angezeigt wurde. Auch ist vielen in seiner Partei bis heute ein Rätsel, warum der eher linke Sozialdemo­krat 2020 für die Wahl eines AfD-Mannes ins Landtagspr­äsidium stimmte.

Solange Ramelow ein Garant für Wahlerfolg­e bleibt, dürften die Linken ihm aber wohl so ziemlich alles verzeihen. Ein Parteistra­tege war am Montag übrigens recht froh darüber, dass die nächste Landtagswa­hl in Thüringen wegen Corona erst im September stattfinde­t und nicht schon im April wie ursprüngli­ch geplant: „Da ist die Sache mit Clubhouse hoffentlic­h vergessen“.

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FOTO: SCHUTT/DPA Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow wurde für seine Aussagen auch aus den eigenen Reihen kritisiert.
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FOTO: DPA Er nannte die Kanzlerin „Merkelchen“und spielte offenbar ein Handyspiel während des Bund-Länder-Gipfels zu Corona: Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke).

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