EU erwägt neue Sanktionen gegen Moskau
Sollte Europa im Fall des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny den Druck auf Russland erhöhen? Eine Option ist die Anwendung eines neuen Sanktionsinstruments. Auch Kremlchef Putin äußert sich einmal mehr zu seinem Gegner.
(dpa) Russland drohen wegen des Vorgehens gegen den Kremlkritiker Alexej Nawalny und dessen Anhänger neue Strafmaßnahmen der EU. Bei einem Außenministertreffen in Brüssel zeigten sich am Montag zahlreiche Teilnehmer schockiert über die Inhaftierung Nawalnys und die Tausenden Festnahmen bei den auch gegen Kremlchef Wladimir Putin gerichteten Demonstrationen in Russland am Wochenende. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte nach dem Treffen, der Rat der Außenminister verurteile die Polizeigewalt als „vollkommen inakzeptabel“.
Für eine schnelle und deutliche Reaktion gegen Russland werben vor allem östliche Mitgliedstaaten wie Polen und die baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland. Eine Entscheidung über neue Sanktionen wird aber frühestens im nächsten Monat erwartet. Das neue Sanktionsinstrument der EU ermöglicht es, Vermögenswerte von Akteuren einzufrieren, die schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen oder davon profitieren. Zudem können Einreiseverbote verhängt werden. Das Instrument könnte gegen vermögende Unterstützer Putins wirksam werden. Diese haben vielfach Luxusanwesen und wichtige Geschäftskontakte in der EU. Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich abwartend zu Sanktionsforderungen – vor dem Hintergrund, dass ein russisches Gericht noch entscheiden muss, ob eine Bewährungsstrafe Nawalnys in einem früheren Verfahren in echte Haft umgewandelt wird.
Der Prozess ist für den 2. Februar angesetzt. „Es wird sehr viel davon abhängen, wie dieses Gerichtsurteil ausfällt – ob Alexej Nawalny nach 30 Tagen wieder freikommt oder eben nicht“, sagte Maas in Brüssel. Maas forderte mit deutlichen Worten die Freilassung Nawalnys und der festgenommenen Demonstranten. „Auch nach der russischen Verfassung hat in Russland jeder das Recht, seine Meinung zu äußern und zu demonstrieren“, sagte der
SPD-Politiker. Das Land habe sich zur Einhaltung von rechtsstaatlichen Prinzipien verpflichtet. Deshalb erwarte man, dass diejenigen, die friedlich protestiert hätten, unverzüglich wieder freigelassen würden.
Dagegen verglich der russische Präsident die Organisatoren der Proteste mit „Terroristen“. Mit Blick auf die vielen Verletzten bei den Demonstrationen und mehr als 3700 Festnahmen meinte Putin, dass sich Bürger und Polizei an die Gesetze halten müssten. Ein Auslöser der Proteste in Russland war auch ein neues Video, in dem Nawalny Putin einen milliardenteuren Palast am Schwarzen Meer zuschreibt. Der Kremlchef reagierte bei einem Online-Gespräch mit Studenten erstmals selbst auf die Vorwürfe. „Nichts von dem, was dort als mein Eigentum gezeigt wird, gehört mir oder meinen engsten Verwandten
– und gehörte auch nie. Niemals“, sagte Putin.
Nawalnys Team rief prompt für den 31. Januar zu neuen landesweiten Protesten auf – für die Freilassung des Kremlgegners und gegen Putin. Schon seit Monaten werden in Russland wegen der Corona-Pandemie aber keine Demonstrationen mehr erlaubt – Menschenrechtler beklagen deshalb einen Missbrauch der Situation um das Coronavirus, um den Protest zu unterdrücken.
Forderungen gibt es auch immer wieder nach einem Stopp des umstrittenen und besonders von den USA mit Sanktionen bekämpften Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2, um die Energiegroßmacht Russland zu treffen. Die Bundesregierung hält aber trotz der Inhaftierung Nawalnys an der Leitung zwischen Russland und Deutschland fest.