Saarbruecker Zeitung

Im Blindflug durch die Corona-Krise

Die europäisch­en Fluggesell­schaften leiden weiter unter den Reisebesch­ränkungen. Die ersten sind schon vom Himmel verschwund­en.

- VON CHRISTIAN EBNER

(dpa) Schnelle Lösungen für den Luftverkeh­r gibt es nicht in der Corona-Krise. „Der Weg zur Normalität im Flugbetrie­b ist sehr viel weiter, als wir alle gewünscht und gehofft haben“, sagt der Berliner Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup. Insbesonde­re in Europa mit seinen kleinen Binnenmärk­ten und den vielen grenzübers­chreitende­n Flügen sind die Auswirkung­en der Pandemie auf die einst wachstumsv­erwöhnte Luftverkeh­rsindustri­e verheerend. Gerade noch 36 Prozent der Vorjahresf­lüge sind in den ersten Januar-Wochen am Himmel, berichtet Eurocontro­l und erwartet weitere Rückgänge im Februar.

Am Mittwoch vergangene­r Woche registrier­ten die Lotsen in Europa gerade noch 204 Flüge der Lufthansa-Kernmarke, satte 86 Prozent weniger als am vergleichb­aren Tag im Vorjahr. Konzernche­f Carsten Spohr mag sich kaum noch festlegen bei seinen zeitlichen Prognosen: „Irgendwann im Sommer“werde es scharf aufwärts gehen. Bis zu einer Rückkehr zu alten Umsatzreko­rden werden wohl „noch viele Jahre“vergehen.

Der Lufthansa-Konzern, so viel verspricht Spohr, werde schlanker und wesentlich effektiver zurückkehr­en. Mehr Touristenf­lüge und der Wegfall zahlreiche­r Direktverb­indungen der Konkurrenz sollten zunächst dem Kranich-Konzern mit seinen Drehkreuze­n helfen. 29 000

Beschäftig­te mussten weltweit bereits das Unternehme­n verlassen, die übrigen 106 000 warten meist in Kurzarbeit auf den Wendepunkt. Immerhin hat es der vom Staat gerettete M-Dax-Konzern geschafft, den Abfluss von Barmitteln zu halbieren: Lufthansa verliert in der Stunde nur noch ein halbe statt einer ganzen Million Euro. Die Staatshilf­e von neun Milliarden Euro müsse man voraussich­tlich gar nicht voll ausschöpfe­n, verspricht Spohr.

Neue Mutationen des Corona-Virus sowie teils widersprüc­hliche Abwehrmaßn­ahmen der Nationalst­aaten hemmen aber derzeit nahezu jede positive Entwicklun­g des Luftverkeh­rs, klagt unter anderen Eurocontro­l-Chef Eamonn Brennan. Im Blindflug durch die Corona-Krise wollen die Airlines seit Monaten umfassende Schnelltes­ts und digitale Gesundheit­spässe für ihre Passagiere durchsetze­n, doch die nationalen Regierunge­n spielen nicht schnell genug mit.

Der Welt-Airlinever­band IATA entwickelt zwar wie auch die Organisati­on CommonPass eine Mobilfunk-App, auf der sämtliche Impf- und Testnachwe­ise gesammelt werden könnten. Doch einstweile­n gilt in Deutschlan­d der alte gelbe Impfpass auf Papier, während sich die EU über einen einheitlic­hen Nachweis streitet. Getestet werden die Apps nun am arabischen Golf.

Nur wenn die Corona-Impfstoffe schnell verteilt werden und zudem deutlich mehr Passagiere mithilfe von negativen Schnelltes­ts reisen dürfen, erwartet die IATA zur Jahresmitt­e eine Erholung der Ticketnach­frage. Die globalen Umsätze der Industrie sollen der Schätzung nach 459 Milliarden Dollar erreichen nach 328 Milliarden Dollar im Jahr 2020.

Die Krise hat in Europa bereits die ersten Opfer unter den Airlines gefordert. In Deutschlan­d hat Lufthansa die Beteiligun­gen Germanwing­s und SunExpress Deutschlan­d geschlosse­n und auch der Eurowings-Dienstleis­ter LG Walter ist vom Himmel verschwund­en. In Spanien schluckt die Iberia-Mutter IAG die Air Europa zum halben Preis und das Lowcost-Konzept der schnell gewachsene­n Norwegian auf der Langstreck­e hat sich ebenfalls nicht als pandemiefe­st erwiesen. Das Unternehme­n setzt nun auf Hilfe des norwegisch­en Staats.

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FOTO: MICHAEL PROBST/AP Viele Flieger bleiben nach wie vor am Boden. Am Mittwoch zählte die Lufthansa 86 Prozent weniger Flüge als am gleichen Tag vor einem Jahr.

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