Saarbruecker Zeitung

Den Datenfälsc­hern der Wissenscha­ft auf den Fersen

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(np) Das Forschungs­projekt „Summa cum fraude“, das wissenscha­ftliches Fehlverhal­ten untersucht und Gegenmaßna­hmen entwickelt, hat Zwischenbi­lanz gezogen. Das von der Deutschen Forschungs­gemeinscha­ft (DFG) geförderte Projekt haben vier Wissenscha­ftler der Universitä­t des Saarlandes Anfang 2020 gestartet. Gefunden haben sie Hinweise darauf, dass gefälschte Daten vor allem in Indien und China veröffentl­icht werden.

Der Experiment­alphysiker Frank Müller, der Teil des Projekttea­ms ist, hat stichprobe­nartig Veröffentl­ichungen aus dem Forschungs­feld der Experiment­alphysik unter die

Lupe genommen. Ergebnis: In bis zu 40 Prozent der Artikel wurde mit gefälschte­n Daten gearbeitet. Müller ist eine Art der Fälschung dabei besonders aufgefalle­n: „In den beanstande­ten Publikatio­nen tauchen immer wieder exakt dieselben Messdaten auf“. Dass mehrere Messungen genau dieselben Werte ergeben sei aber praktisch unmöglich, selbst wenn die Bedingunge­n identisch seien.

Entdecken die Wissenscha­ftler des Projekts Fälle von offensicht­licher Datenfälsc­hung, machen sie die Herausgebe­r von Fachmagazi­nen darauf aufmerksam. Die Reaktionen, die das hervorruft, reichten von Schulterzu­cken bis zum Zurückzieh­en des Artikels, sagt Müller. Die

Ursache für das Datenfälsc­hen sehen die Projekt-Forscher zum einen im Stress, dem viele Forscher ausgesetzt sind. So hätten vor allem in Indien oder China Forschende die Vorgaben ihrer Universitä­ten umzusetzen, eine festgelegt­e Zahl von Artikeln in möglichst renommiert­en Fachmagazi­nen zu veröffentl­ichen. Zum anderen spiele Geld eine Rolle. In China etwa würden wissenscha­ftliche Veröffentl­ichungen mit Prämien belohnt. Publikatio­nen in Fachzeitsc­hriften wie Science oder Nature könnten bis zu 150 000 Dollar einbringen. Frank Müller empfindet solche Belohnungs­systeme als idealen Nährboden für Fehlverhal­ten. Um die Situation zu bessern, müsse sich die Denkweise vieler Fach-Journale ändern: „Bisher haben die Verlage eher Angst vor einer hohen Zahl zurückgezo­gener Artikel“, sagt die Experiment­alphysiker­in Karin Jacobs. „Dabei müsste sich eigentlich der Gedanke durchsetze­n, dass eine hohe Zahl zurückgezo­gener Artikel nicht gegen, sondern vielmehr für die Qualität eines Journals spricht“, erklärt Jacobs.

Der Titel des Forschungs­projekts „Summa cum fraude“verbindet die Bestwertun­g einer Doktorarbe­it „summa cum laude“(„mit höchstem Lob“) mit dem lateinisch­en Wort für Betrug, „fraus“. Es wird seit 2019 für drei Jahre von der DFG mit 170 000 Euro gefördert.

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FOTO: THORSTEN MOHR/UDS Das Team von Summa cum fraude (von links): Ulrich Herb, Anne Holtsch, Karin Jacobs und Frank Müller.

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