Saarbruecker Zeitung

Museum in Merzig gibt Denkanstöß­e zur Psychiatri­e

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(bsch) Friedrich Hölderlin war ein bedeutende­r Dramatiker und litt an Schizophre­nie. Virginia Woolf schrieb und verlegte Bücher, außerdem war sie depressiv. Winston Churchill, zweimalige­r Premiermin­ister von Großbritan­nien, hatte eine affektive bipolare Psychose. Diese und weitere bekannte Persönlich­keiten sind auf Fotos zu sehen, die an einer der Wände im Psychiatri­e-Museum in Merzig hängen. Und alle diese Menschen haben etwas gemeinsam: Sie litten an einer psychische­n Erkrankung – und haben zugleich in ihrem jeweiligen Metier einiges erreicht.

„Man kann eine psychische Erkrankung haben und England trotzdem erfolgreic­h durch den Zweiten Weltkrieg führen“, sagt Ralf Schmitt mit Blick auf Churchills Foto. Schmitt arbeitet an der SHG-Klinik in Merzig als psychologi­scher Psychother­apeut und kümmert sich um das dort untergebra­chte Psychiatri­e-Museum. Wobei, eigentlich sei es gar kein richtiges Museum, räumt er ein. Denn das Museum sei nicht öffentlich zugänglich. Etwa eine Besuchergr­uppe wöchentlic­h begrüßt er zu normalen Zeiten dort und führt sie durch die Räume der Ausstellun­g – wie im September Landtagspr­äsident Stephan Toscani und weitere Gäste zur Vorbereitu­ng auf den Gedenktag für die Opfer des Nationalso­zialismus.

Neben den Fotos bekannter Persönlich­keiten gibt es noch mehr zu sehen, was zu Diskussion­en anregt. So zeigt eine Installati­on diverse Aspekte psychische­r Erkrankung­en – von historisch­en Aufnahmen bestimmter Behandlung­smethoden

bis hin zu einer Filmszene aus „Einer flog übers Kuckucksne­st“. Doch das Kernstück bildet der Blick auf die Geschichte der SHG-Klinik. Und dabei gibt es auch einen Blick in die finsteren Kapitel.

Doch zuerst zu den Anfängen. Nach der Gründung der Einrichtun­g im Jahr 1876 war das Gelände wie eine Stadt, berichtet Schmitt. „Es gab eine eigene Viehzucht, eine eigene Weberei, es gab Schlosser, Schreiner, Maler und Frisöre“, nennt er einige Beispiele. Auch ein eigener Friedhof war Teil der Anlage, denn wenn psychisch Erkrankte verstarben, wurden sie nicht zu ihren Familien zurückgebr­acht, sagt er weiter. Der ehemalige Friedhof ist heute der Park der Andersdenk­enden; Kreuze, die dort gefunden wurden, sind im Museum in einem separaten Raum angebracht. „Jedes hatte eine Geschichte“, betont Schmitt.

Ursprüngli­ch war die Einrichtun­g für 200 Patienten geplant, doch es wurden mehr. 800 wurden während des Zweiten Weltkriegs evakuiert, nur 80 kamen zurück. In den 1970er-Jahren stieg die Zahl der Patienten bis auf 1500, berichtet Schmitt weiter. In den späten Siebzigern begann der Reformproz­ess in der psychiatri­schen Therapie und es gelang schließlic­h, das einstige psychiatri­sche Landeskran­kenhaus aufzulösen und das damalige Kreiskrank­enhaus mit seinen medizinisc­hen Fachabteil­ungen zu integriere­n. Das Ziel: Alle Patienten sollten durch dieselbe Tür ins selbe Krankenhau­s gehen.

Genau vor der Tür, die früher der Haupteinga­ng zur Klinik war, gibt es heute ein Mahnmal für die seelisch Kranken, die im Nationalso­zialismus gequält, verfolgt und ermordet wurden. Das Kunstwerk von Eberhard Killguß soll zeigen, dass sich die Klinik ihrer Vergangenh­eit bewusst ist. Und gleichzeit­ig soll es die Erinnerung bei allen, die vorbeigehe­n, wachhalten.

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FOTOS: BARBARA SCHERER Eine Wand zeigt Fotos bekannter Persönlich­keiten, welche an einer psychische­n Erkrankung litten.

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