Impft das Saarland Pfleger vor allem mit Astrazeneca?
Ärzte und Politiker erwarten, dass das Vakzin von Astrazeneca nur für unter 65-Jährige zugelassen wird. Damit könnte der Impfplan wackeln.
(ulb) Kurz vor dem erhofften ersten Einsatz des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca im Saarland haben Zweifel an dessen Wirksamkeit bei Älteren für Verunsicherung gesorgt. Allerdings stellte die Landesregierung am Dienstag gegenüber der SZ klar, dass sie die Impfreihenfolge nicht ändern müsste, wenn die Zulassung des Vakzins auf Jüngere beschränkt werde. In der Gruppe mit höchster Impfpriorität befänden sich neben Menschen über 80 genügend jüngere Pfleger und Medizin-Kräfte mit hohem Infektionsrisiko, bei denen dann bevorzugt das Astrazeneca-Mittel eingesetzt werden könnte, so ein Sprecher. Ältere erhielten dann den Impfstoff von Biontech-Pfizer oder Moderna.
Die Zulassung des dritten Vakzins für die EU wird für Freitag erwartet. Berichte über eine geringe Wirksamkeit bei Menschen über 65 dementierte Astrazeneca zwar. Die Zulassung könnte diese Gruppe aber ausschließen, weil Studien zu wenige Daten hierzu lieferten. Streit gibt es auch über Lieferkürzungen.
Seite A 2
VON ANTJE HÖNING, JANA WOLF, BIRGIT MARSCHALL UND
KERSTIN MÜNSTERMANN
BERLIN/DÜSSELDORF Die Corona-Impfungen sollen mehr Fahrt aufnehmen – dazu soll auch der nächste Impfstoff beitragen, der kurz vor der Zulassung in Europa steht. Doch um den britisch-schwedischen Impfstoff Astrazeneca gibt es noch offene Fragen. Die EU-Zulassungsbehörde (Ema) will nun voraussichtlich am Freitag über das Vakzin entscheiden. Es wäre nach Biontech und Moderna der dritte Impfstoff für die EU. Doch möglicherweise wird dieser nur für jüngere Menschen zugelassen, weil der britische Hersteller kaum ältere Menschen in seinen Zulassungsstudien berücksichtigt hat. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte: „Rund acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie waren zwischen 56 und 69 Jahren, nur drei bis vier Prozent über 70 Jahre.“
Zugleich wiesen das Ministerium und das Unternehmen Medienberichte
zurück, wonach der Impfstoff von Astrazeneca bei Älteren nicht wirksam sein soll. Das Ministerium will nach der Ema-Entscheidung prüfen, ob die Impfstrategie geändert werden muss. Bislang ist vorgesehen, dass die Älteren in Deutschland zuerst geimpft werden. „Ob und in welchem Umfang die Impfverordnung
geändert werden muss, kann erst nach der Entscheidung der Ema zur Zulassung und nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission entschieden werden“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Das habe Jens Spahn (CDU) auch mit seinen Länderkollegen erörtert.
Der Chef der Kassenärztlichen
Vereinigung Nordrhein, Frank Bergmann, geht davon aus, dass die Behörde die Zulassung beschränkt: „Er wird wegen der entsprechenden Studien wohl nur für Menschen bis 65 Jahre zugelassen werden“, sagte er. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte: „Der Impfstoff ist in klinischen Studien bei Älteren sehr viel schlechter untersucht als bei Jüngeren. Dazu hat der Hersteller gerade noch mal neue Daten an die Zulassungsbehörde nachgeliefert, die in die Zulassungsentscheidung am Freitag einfließen werden.“
Astrazeneca hatte die EU-Staaten darüber hinaus bereits am vergangenen Freitag mit der Ankündigung verärgert, zunächst weniger Impfstoffe als geplant auszuliefern. In Brüssel ist man empört. In Kommissionskreisen wird kritisiert, dass von Lieferproblemen gegenüber Kunden in Großbritannien oder anderen NichtEU-Ländern nichts bekannt sei und auch Astrazeneca Vorauszahlungen von der EU für die Beschleunigung von Entwicklung und Produktion erhalten habe. Die EU verlangt von Astrazeneca bis spätestens zum 29. Januar Auskunft.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, mahnte: „Die Ursachen der jetzt bekannt gewordenen Lieferschwierigkeiten müssen deshalb umfassend geklärt und so schnell wie möglich behoben werden. Die Bundesregierung und die EU-Kommission sollten darauf drängen, dass die vertraglich zugesicherten Liefermengen und Liefertermine eingehalten werden.“Vor allem die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen und natürlich auch die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeinrichtungen müssten geimpft sein, bevor sich die hochansteckende Virusvariante aus Großbritannien ausbreite. „Da zählt buchstäblich jeder Tag.“Auch die Kanzlerin will den Druck auf die Hersteller erhöhen. Angela Merkel sagte vor der Unions-Fraktion, man müsse die Produktionsstätten in Europa ertüchtigen. Sie sei zuversichtlich, „dass wir am Ende des Sommers jedem ein Impfangebot machen können“.
„Der Impfstoff ist in klinischen Studien bei Älteren sehr viel schlechter untersucht
als bei Jüngeren.“
Karl Lauterbach
SPD-Gesundheitsexperte