Die Niederlande versinken in Gewalt
Geplünderte Läden, ausgebrannte Autos: Städte sehen aus wie Kriegsgebiete. Rechte Politiker schüren wegen der Corona-Ausgangssperre die Wut im Volk.
einen Bürgerkrieg“, befürchtete der Bürgermeister von Eindhoven, John Jorritsma, am Montag.
Woher die gewalttätigen Demonstranten kommen, lässt sich nach Aussagen der Polizeibehörden nur schwer sagen. Von Corona-Leugnern, marodierenden Fußball-Hooligans, aber auch Neonazis ist die Rede. In den sozialen Netzwerken wurde schon seit Wochen zu Gewalt aufgerufen und der Hass gegen die Politik sowie „Mainstream-Medien“geschürt. Doch zur ganzen Wahrheit gehört wohl auch, dass die Radikalisierung von rechten Politikern befeuert wurde. Die Gewaltexzesse begannen am Samstagabend in einem kleinen Fischerdörfchen namens Urk, nordöstlich von Amsterdam, wo sogar ein Testzentrum niedergebrannt wurde. Aber es gab eine Vorstufe, die in den Niederlanden wie eine Kopie des Sturms auf das Kapitol in Washington gedeutet wird. In der Woche davor und im Angesicht der neuen Corona-Maßnahmen
hatte der Rechtspopulist Geert Wilders im Parlament polemisch zugespitzt: „Wir werden gefangen genommen. Leute werden im eigenen Haus eingeschlossen. Wir verlieren unsere Freiheit.“Gemeinsam mit dem rechten „Forum für Demokratie“rief er zum Widerstand
gegen die Ausgangssperre auf. Eine wichtige Rolle spielt aber auch der prominente Event-Unternehmer Michel Reijinga, der die ersten Demonstrationen angemeldet und nach deren Verbot die Kundgebungen in ein „gemeinsames Kaffeetrinken“umbenannt hatte. Das wirkte:
Unternehmer und Gastronomen, die gegen Lockdown-Maßnahmen protestierten, dazu Rechte, Ultras aus den Stadien sowie Verschwörungstheoretiker der QAnon-Bewegung bildeten eine radikale und explosive Mischung.
Dass solche Botschaften wie von Wilders und Reijinga auf fruchtbaren Boden fielen, hat wohl auch mit der Parlamentswahl im März zu tun – und mit Fehlern, die das Kabinett Rutte beim Kampf gegen die Pandemie machte. Man setzte zunächst auf den falschen Impfstoff und war dann für das Biontech-Vakzin mit seinen komplizierten Kühlanforderungen nicht vorbereitet. In den Niederlanden begannen die Impfungen daher mit fast zweiwöchiger Verspätung gegenüber den meisten Ländern der EU. Inzwischen grassiert die Angst vor einem Flächenbrand der Gewaltexzesse. Auch die deutsche Bundespolizei prüft Hinweise, denen zufolge Radikale eine Ausweitung nach Deutschland vorbereiten.