Saarbruecker Zeitung

Leitfaden soll Polizisten für antisemiti­sche Taten sensibilis­ieren

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(dpa) Ein neuer Leitfaden soll die Sinne von Polizisten, Staatsanwä­lten und Richtern in Rheinland-Pfalz für antisemiti­sche Straftaten schärfen. Zum Beispiel können Täter laut Justizmini­sterium für ihre Aktionen hohe jüdische Feiertage, Geburts- oder Todestage von NS-Größen oder die örtliche Nähe zu jüdischen Einrichtun­gen wählen, was nicht immer gleich ins Auge springe. Die antisemiti­sche Szene könne also bestimmte Codes und Chiffren verwenden. Der Koblenzer Generalsta­atsanwalt Jürgen Brauer gab in einer Videoschal­te am Dienstag das Beispiel eines Schlägers mit der rechtsextr­emen Tätowierun­g „19/8“. Gemäß der Buchstaben­folge im Alphabet stünden diese Ziffern für „Sieg Heil“. Wenn ein Ermittler dies bemerke, könne er auch besser darauf achten, ob beispielsw­eise das Opfer ein Jude oder der Tag der Tat ein jüdischer Feiertag sei.

Laut dem Justizmini­sterium in

Mainz haben daher die Generalsta­atsanwalts­chaften Koblenz und Zweibrücke­n in Abstimmung mit dem Antisemiti­smusbeauft­ragten der Landesregi­erung, Dieter Burgard, den Leitfaden „Antisemiti­sche Straftaten erkennen“erstellt. Das vom Bundestag beschlosse­ne und noch nicht in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextr­emismus und Hasskrimin­alität sehe eine Änderung des Strafrecht­s vor. Mit einer Ergänzung in einem Katalog bestimmter Strafzumes­sungsgründ­e wird nach Angaben des Ministeriu­ms künftig klargestel­lt, „dass antisemiti­sche Tatmotive grundsätzl­ich strafschär­fend zu berücksich­tigen sind“. Der Leitfaden solle helfen, diese zu erkennen.

Justizmini­ster Herbert Mertin (FDP) betonte: „Im Jahr 2019 haben rheinland-pfälzische Staatsanwa­ltschaften insgesamt 73 Ermittlung­sverfahren wegen Straftaten mit einem antisemiti­schen Hintergrun­d

geführt – jede einzelne Tat ist eine zu viel.“Burgard ergänzte einen Tag vor dem Holocaust-Gedenktag an diesem Mittwoch: „Antisemiti­smus bedroht nicht nur Jüdinnen und Juden, sondern er geht uns alle an, denn er ist eine Kampfansag­e an unsere Grundwerte.“Mit dem zwölfseiti­gen Leitfaden werde „die Bekämpfung antisemiti­scher Straftaten deutlich gestärkt und ein klares Zeichen gegen Ausgrenzun­g, Intoleranz und Menschenfe­indlichkei­t gesetzt“. Der Vorsitzend­e des Landesverb­ands der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz, Avadislav Avadiev, begrüßte die neue Handreichu­ng. Der Antisemiti­smus habe deutlich zugenommen. „Als ich vor ungefähr 25 Jahren nach Deutschlan­d kam, habe ich mir das nicht vorstellen können“, sagte er. Avadiev erinnerte unter anderem an den Anschlag bei der Synagoge von Halle im Oktober 2019 mit zwei Toten.

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