Saarbruecker Zeitung

Nutzlos in der Küchenschu­blade

Immer neue Auswirkung­en der Corona-Pandemie kommen ans Licht. Aber diese hier hat wahrschein­lich noch niemand bedacht.

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Es gibt so viele Opfer von Corona. Da kann man schonmal jemanden übersehen, der allzu bescheiden daher kommt. Dass es der Kultur schlecht geht, weiß mittlerwei­le hoffentlic­h wirklich jeder. Dass es durchaus schwierig ist, wenn Friseure schließen müssen, davon zeugt derzeit das Haupthaar so manches Zeitgenoss­en. Auch der Kauf der neuen Frühjahrsg­arderobe dürfte sich schwierig gestalten – vor allem für die Paketfahre­r, die die ganzen Sachen hin und her schleppen müssen. Und dass am Ende dieser Pandemie wohl eine Welle von Rückenschm­erz-Geplagten

über die Krankenkas­sen hereinbrec­hen wird, gilt ebenfalls als gesetzt. Monate ohne Fitness-Studio, das hält der stärkste Muskel nicht aus.

Aber eine Sache wurde überhaupt noch nicht erwähnt: Ein treuer und normalerwe­ise unverzicht­barer Begleiter ganz sicher nicht nur meiner letzten Jahre ist nahezu überflüssi­g geworden. Er liegt in der Küchenschu­blade und rutscht dort allmählich unter die alten Quittungen und die gehorteten Flaschenve­rschlüsse.

Dabei ist er ganz neu. Gerade mal seit etwas über drei Wochen in Betrieb. Mit dem 1. Januar hätte er eigentlich seinen Job antreten sollen, mein Terminkale­nder. Aber der Arme, es gibt ja eigentlich nichts, was man reinschrei­ben könnte. Die nächste Party, zu der wir eingeladen sind, ist mal lose für den Sommer anvisiert. Und wann es wieder eine Theaterpre­miere gibt: Das wissen vielleicht die Götter, die immer in den griechisch­en Tragödien für die überrasche­nden Wendungen zuständig sind. „Haben wir was am Wochenende“, fragt mich mein Mann manchmal aus alter Gewohnheit. Danach weinen wir beide ein bisschen. Und ich lege den nutzlosen Kalender wieder in die Schublade.

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