Das Handwerk verschwindet, die Kunst bleibt
Walter Schwingel aus Sulzbach liebt die Arbeit mit Holz. Dabei ist der Hobby-Drechsler erst spät zum Kunsthandwerk gekommen.
„Die kommen dann zu mir an den Stand, Mama oder Papa an der Hand, und freuen sich, dass sie mal einem Handwerker zugucken können, wie er ein kantiges Stück Holz in relativ kurzer Zeit eine schöne, ansprechende Form schneidet. Die leuchtenden Kinderaugen zu sehen, macht mir riesigen Spaß.“
An seinem Marktstand gibt es immer wieder schöne Begegnungen. Da war beispielsweise eine ältere Dame, die ihm das Material ihres seit 30 Jahren verstorbenen Vaters vermacht hat. „Richtig edle Tropenhölzer, die ich mir so nie gekauft hätte“, freut sich der Künstler. Oder ein neunjähriger Junge, dem Schwingel einen neuen Trommelstock herstellte und der nun, einige Jahre älter, selbst das Drechseln lernt. Kurse in dem Sinne gibt Schwingel zwar nicht, aber in diesem Fall zeigte er dem Nachwuchs in der Werkstube gern die Grundlagen.
Zwar können Märkte aktuell nicht stattfinden, und auch die Ausstellungen der Künstlerinteressengemeinschaft Sulzbach, bei der er seit zwei Jahren Mitglied ist, mussten abgesagt werden. „Aber wir Kunsthandwerker mit eigener Werkstatt sind in der Corona-Krise ja fein raus.“
Auch wenn der Lehrberuf des Drechslers fast verschwunden ist – die Kunst werde nicht aussterben, sagt Schwingel überzeugt. Wenn er von seinem Hobby spricht, gerät er regelrecht ins Schwärmen. Das fängt schon beim Material an. Tanne und Fichte gefallen ihm zwar nicht so gut, aber „jedes Holz hat Eigenschaften, die es wert machen, sich damit zu befassen.“Er versucht, hauptsächlich heimische Hölzer zu verwenden, dazu bekomme er viele Stücke geschenkt oder direkt vom Förster, wenn er Feuerholz für den Kamin einkauft. „Da gibt es so manches Stück, das mich anspricht. Da sage ich mir dann: Das kommt nicht in den Ofen, sondern auf die Drechselbank.“
Bei seinen Präsentationen drechselt er vor allem kleinere Objekte wie Kreisel oder Eierbecher, die schnell fertig sind und die Kinder dann mitnehmen können. Am liebsten stellt er aber Schüsseln her, daneben Pfeffermühlen,
Flaschenverschlüsse, Kerzenund Teelichthalter und Deko-Artikel wie Kugeln. Der Verkauf seiner Stücke sei allerdings nur ein „Kostendeckungsbeitrag“– reich möchte er damit nicht werden. „Drechseln ist ein völlig privates, teures Hobby“, bekennt er, das sollte Interessierten bewusst sein. Günstige Drechselbänke sind im Baumarkt zwar bereits für 400 Euro zu bekommen. „Aber die Mängel eines so einfachen Geräts zeigen sich schnell“, so Schwingel. Er rät, lieber erst einen Kurs zu machen und die Maschinen dort unter Anleitung auszuprobieren, bevor man sich eine teure Drechselbank zulegt, die dann gut und gerne 2000 bis 3000 Euro kosten kann.
Für Schwingel hat sich die Investition gelohnt, auch weil es ihm seither gesundheitlich viel besser geht. „Wenn ich in der Drechselstube sitze, frei von allen unnötigen Einflüssen,
denen man sich so täglich aussetzt – das macht was mit einem.“Am schönsten sei es, am Ende etwas selbst Erschaffenes in den Händen halten zu können. „Wenn man so ein fertiges Schälchen in die Hand nimmt – ich sage immer: Es lächelt einen an.“