Saarbruecker Zeitung

Eingesperr­t, vergiftet, vergast, verhungert.

Heute, am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalso­zialismus, erinnert das Saarland an die ermordeten angebliche­n Kranken.

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beispielha­ft, welches Leid sie erfahren haben. Ida Rahm (oder Rahn), geb. Presser, geboren am 16.02.1902 in Güchenbach, wohnte mit ihrem Ehemann Bernhard in der Ziegelhütt­er Straße 38. Sie hatte fünf Kinder, von denen zwei früh starben. Sie kam 1934 in die Nervenheil­anstalt in Merzig, wo sie fünf Jahre blieb. Ihr Zustand wurde bei der Ersteinwei­sung am 27.10.1934 als „besserungs­fähig und heilbar“beschriebe­n. Ihr Mann sagte bei der Einweisung angeblich, dass sie ihren drei Kindern den Kopf abhacken wolle.

In den Patientena­kten, die im Bundesarch­iv in Berlin lagern, wird der angebliche Verlauf ihrer Krankheit sehr ausführlic­h geschilder­t.

Die Akten aus der Nazi-Zeit beschreibe­n Ida Rahms angebliche Krankenges­chichte wie folgt: Rahms Stimmungsl­age wechselte stark. Anfangs zeigte sie „keinerlei Spontaneit­ät“, „antwortet nicht auf Fragen“, „deutet an, nicht sprechen zu können.“Daraufhin wurde sie mit einer „Schwefelöl-Injektion“behandelt und begrüßte „am nächsten Tag den Arzt spontan“; sie äußerte sich „erfreut, wieder sprechen zu können“.

Ihr Zustand verschlech­terte sich über die Jahre, sie stumpfte zusehends ab und war „zu keiner Arbeit zu bewegen“. Man stellte sie immer wieder ruhig, sie erlitt Knochenbrü­che und erkrankte an Gelbsucht. Am 1. September 1939 wurde sie in die Anstalt Weilmünste­r aufgenomme­n. Dort besserte sich ihr Zustand, sie wirkte „ruhig, äußerlich geordnet, gleichmäßi­g in ihrer Stimmung, hilft fleißig mit im Haus, hält sich sauber.“

Am 31. Oktober 1939 wurde sie in die Anstalt Merxhausen verlegt, wo sich ihr Zustand wieder auffällig verschlech­terte: „Sie halluzinie­rt, ist zu keiner geregelten Arbeit zu bewegen.“Am 15. Mai 1941 vermerkte ihre Krankenakt­e: „Hilft etwas im Haus, trägt Geschirr, wischt auf.“

So weit die Beschreibu­ng von Rahms Krankenges­chichte in Zitaten aus den Krankenakt­en der Nazi-Zeit. Am 30. Mai 1941 wurde Rahm in die Anstalt Herborn verlegt, eine sogenannte „Zwischenan­stalt“für die Tötungsans­talt Hadamar. Dort endet ihre Krankheits­akte. Von Herborn gelangte Rahm in einem Transport mit 49 weiteren Patienten

am 20. Juni 1941 nach Hadamar.

Die Patienten eines solchen Transports wurden in der Regel noch am Tag der Ankunft in die Gaskammer im Keller der Anstalt geschickt und ermordet. Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetisch­e Soldaten das Vernichtun­gslager Auschwitz. Dort ermordeten die Nazis mehr als eine Million Menschen. Seit 1996 gedenkt Deutschlan­d am 27. Januar offiziell aller Opfer der NS-Terrors.

In diesem Jahr hat der Landtag des Saarlandes in Zusammenar­beit mit der Landeszent­rale für politische Bildung und der Saarländis­chen Psychiatri­e-Stiftung Merzig die Patientenm­orde der Nazis im Rahmen des „Euthanasie“-Programms in den Mittelpunk­t einer Online-Gedenkvera­nstaltung gerückt.

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