Der Impfgipfel soll die „Handbremse“lockern
Mehr Verlässlichkeit, bessere Planbarkeit: Die Erwartungen an das heutige Spitzentreffen von Politik und Vakzin-Herstellern sind hoch.
(dpa/RP) Lieferprobleme, zu wenig Impfstoffe, überlastete Hotlines bei der Terminvergabe: Es gibt viele Probleme und Fragen nach dem schwierigen Impfstart. Ein „Impfgipfel“an diesem Montag soll dafür sorgen, dass es Verbesserungen gibt. Die Erwartungen sind hoch.
Kurz vor dem Jahreswechsel hatten die Impfungen in Deutschland und der EU begonnen. Angesichts erheblicher Kritik am schleppenden Impf-Beginn will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nun mit den Ministerpräsidenten über die Lage beraten. An einer Videokonferenz sollen auch Bundesminister, Impfstoffhersteller und Vertreter der EU-Kommission teilnehmen.
Eine erste positive Nachricht kam schon am Sonntag aus Brüssel. Der britisch-schwedische Hersteller Astrazeneca sagte nach EU-Angaben zu, im ersten Quartal nun doch mehr Impfstoff zu liefern als angekündigt. Es kämen neun Millionen Dosen hinzu, insgesamt kommen nun 40 Millionen Dosen. Vertraglich vereinbart waren eigentlich 80 Millionen. Weil der Konzern wegen Lieferproblemen zunächst indes auf 31 Millionen Dosen nach unten korrigiert hatte, hatte es massiv Streit mit der EU-Kommission gegeben.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte derweil Verständnis für Frust und Ungeduld, warb aber auch um Vertrauen. „Es kommen jede Woche Impfstoffe, und es werden auch mehr, Zug um Zug.“
Laut Gesundheitsministerium wurden seit Beginn der Kampagne in Deutschland über 3,5 Millionen Impfdosen ausgeliefert, 2,2 Millionen gespritzt. Bis 22. Februar würden weitere Lieferungen erwartet.
Regierungschefs der Länder erhöhten vor den Beratungen den Druck auf die Bundesregierung. „Wir brauchen klare Transparenz beim Impfstoff“, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder der Augsburger Allgemeinen. „Die Menschen sind völlig verunsichert.“Die Logistik stehe, aber es könne nicht geimpft werden. „Daher bedarf es endlich eines verlässlichen Lieferplans für die nächsten Wochen und Monate.“Auch SPD-Regierungschefs wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil forderten einen nationalen Impfplan.
Klare Worte fand auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy. „Die Städte erwarten keine vagen Versprechungen mehr, sondern eindeutige Antworten auf die zwei wesentlichen Fragen: Wann gibt es ausreichend Impfstoff? Wann wird welcher Impfstoff ins Impfzentrum geliefert“, sagte Dedy. „Zurzeit können wir dort wegen der geringen Impfstoffmengen nur mit angezogener Handbremse agieren.“Forderungen kamen auch aus der Ärzteschaft. „Bund und Länder müssen sich beim Impfgipfel auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Es ist eine überfällige Möglichkeit,
Vertrauen zurückzugewinnen und über den Mangel an Impfstoffen aufzuklären“, sagte Weltärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery.
Bei dem Gipfel sollen auch die Probleme bei der Terminvergabe besprochen werden. „Das muss besser werden“, sagte Spahn. Zum Start in Nordrhein-Westfalen etwa waren Anmelde-Webseiten und Hotlines geradezu überrannt worden. Zahlreiche Impfwillige ab 80 oder ihre
Angehörigen kamen telefonisch nicht durch und hatten auch online zunächst keinen Erfolg. Spahn sagte, es ergebe Sinn, wie einige Länder es machten, nicht gleich alle je Altersgruppe einzuladen, sondern die Gruppen, die einen Termin vereinbaren könnten, kleiner zu machen.
Spahn kündigte außerdem eine Überarbeitung der Impfverordnung an. Hintergrund ist Astrazeneca: Die Ständige Impfkommission hatte den Impfstoff der Firma nur für Personen von 18 bis 64 empfohlen. Zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren lägen bisher keine ausreichenden Daten vor, hieß es. Die EU-Arzneimittelbehörde Ema hatte die europaweite Zulassung des Impfstoffs empfohlen – ohne eine Altersbegrenzung.
Unterdessen bleibt der wochenlange Lockdown in Deutschland ein Thema. Die Rufe nach klaren Öffnungsperspektiven ab dem 14. Februar mehrten sich am Wochenende, vor allem für Kitas und Schulen. Kanzlerin Merkel warnte in ihrem Video-Podcast vor übereilten Schritten: Zwar gingen die Infektionszahlen zurück – gleichzeitig gebe es aber eine sehr reale Gefahr durch die hochansteckenden Virusmutationen: „Noch sind wir nicht so weit, Kitas und Schulen wieder öffnen zu können“, sagte Merkel.
„Die Menschen sind völlig verunsichert.“
Markus Söder (CSU)
Ministerpräsident in Bayern