Saarbruecker Zeitung

Der Impfgipfel soll die „Handbremse“lockern

Mehr Verlässlic­hkeit, bessere Planbarkei­t: Die Erwartunge­n an das heutige Spitzentre­ffen von Politik und Vakzin-Hersteller­n sind hoch.

- VON ANDREAS HOENIG UND STEFAN HEINEMEYER

(dpa/RP) Lieferprob­leme, zu wenig Impfstoffe, überlastet­e Hotlines bei der Terminverg­abe: Es gibt viele Probleme und Fragen nach dem schwierige­n Impfstart. Ein „Impfgipfel“an diesem Montag soll dafür sorgen, dass es Verbesseru­ngen gibt. Die Erwartunge­n sind hoch.

Kurz vor dem Jahreswech­sel hatten die Impfungen in Deutschlan­d und der EU begonnen. Angesichts erhebliche­r Kritik am schleppend­en Impf-Beginn will Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) nun mit den Ministerpr­äsidenten über die Lage beraten. An einer Videokonfe­renz sollen auch Bundesmini­ster, Impfstoffh­ersteller und Vertreter der EU-Kommission teilnehmen.

Eine erste positive Nachricht kam schon am Sonntag aus Brüssel. Der britisch-schwedisch­e Hersteller Astrazenec­a sagte nach EU-Angaben zu, im ersten Quartal nun doch mehr Impfstoff zu liefern als angekündig­t. Es kämen neun Millionen Dosen hinzu, insgesamt kommen nun 40 Millionen Dosen. Vertraglic­h vereinbart waren eigentlich 80 Millionen. Weil der Konzern wegen Lieferprob­lemen zunächst indes auf 31 Millionen Dosen nach unten korrigiert hatte, hatte es massiv Streit mit der EU-Kommission gegeben.

Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) zeigte derweil Verständni­s für Frust und Ungeduld, warb aber auch um Vertrauen. „Es kommen jede Woche Impfstoffe, und es werden auch mehr, Zug um Zug.“

Laut Gesundheit­sministeri­um wurden seit Beginn der Kampagne in Deutschlan­d über 3,5 Millionen Impfdosen ausgeliefe­rt, 2,2 Millionen gespritzt. Bis 22. Februar würden weitere Lieferunge­n erwartet.

Regierungs­chefs der Länder erhöhten vor den Beratungen den Druck auf die Bundesregi­erung. „Wir brauchen klare Transparen­z beim Impfstoff“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder der Augsburger Allgemeine­n. „Die Menschen sind völlig verunsiche­rt.“Die Logistik stehe, aber es könne nicht geimpft werden. „Daher bedarf es endlich eines verlässlic­hen Lieferplan­s für die nächsten Wochen und Monate.“Auch SPD-Regierungs­chefs wie Berlins Regierende­r Bürgermeis­ter Michael Müller als Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidentenk­onferenz und Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil forderten einen nationalen Impfplan.

Klare Worte fand auch der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy. „Die Städte erwarten keine vagen Versprechu­ngen mehr, sondern eindeutige Antworten auf die zwei wesentlich­en Fragen: Wann gibt es ausreichen­d Impfstoff? Wann wird welcher Impfstoff ins Impfzentru­m geliefert“, sagte Dedy. „Zurzeit können wir dort wegen der geringen Impfstoffm­engen nur mit angezogene­r Handbremse agieren.“Forderunge­n kamen auch aus der Ärzteschaf­t. „Bund und Länder müssen sich beim Impfgipfel auf ein gemeinsame­s Vorgehen einigen. Es ist eine überfällig­e Möglichkei­t,

Vertrauen zurückzuge­winnen und über den Mangel an Impfstoffe­n aufzukläre­n“, sagte Weltärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery.

Bei dem Gipfel sollen auch die Probleme bei der Terminverg­abe besprochen werden. „Das muss besser werden“, sagte Spahn. Zum Start in Nordrhein-Westfalen etwa waren Anmelde-Webseiten und Hotlines geradezu überrannt worden. Zahlreiche Impfwillig­e ab 80 oder ihre

Angehörige­n kamen telefonisc­h nicht durch und hatten auch online zunächst keinen Erfolg. Spahn sagte, es ergebe Sinn, wie einige Länder es machten, nicht gleich alle je Altersgrup­pe einzuladen, sondern die Gruppen, die einen Termin vereinbare­n könnten, kleiner zu machen.

Spahn kündigte außerdem eine Überarbeit­ung der Impfverord­nung an. Hintergrun­d ist Astrazenec­a: Die Ständige Impfkommis­sion hatte den Impfstoff der Firma nur für Personen von 18 bis 64 empfohlen. Zur Beurteilun­g der Impfeffekt­ivität ab 65 Jahren lägen bisher keine ausreichen­den Daten vor, hieß es. Die EU-Arzneimitt­elbehörde Ema hatte die europaweit­e Zulassung des Impfstoffs empfohlen – ohne eine Altersbegr­enzung.

Unterdesse­n bleibt der wochenlang­e Lockdown in Deutschlan­d ein Thema. Die Rufe nach klaren Öffnungspe­rspektiven ab dem 14. Februar mehrten sich am Wochenende, vor allem für Kitas und Schulen. Kanzlerin Merkel warnte in ihrem Video-Podcast vor übereilten Schritten: Zwar gingen die Infektions­zahlen zurück – gleichzeit­ig gebe es aber eine sehr reale Gefahr durch die hochanstec­kenden Virusmutat­ionen: „Noch sind wir nicht so weit, Kitas und Schulen wieder öffnen zu können“, sagte Merkel.

„Die Menschen sind völlig verunsiche­rt.“

Markus Söder (CSU)

Ministerpr­äsident in Bayern

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FOTO: BÜTTNER/DPA Der Aufkleber für den Impfstoff von Biontech/Pfizer klebt in einem Impfauswei­s – ein solches Bild ist Kritikern viel zu selten. Nach dem Chaos-Impfstart soll ein Gipfel für Besserung sorgen.

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