Saarbruecker Zeitung

Frankreich­s Polizei will weg vom Prügel-Image

Ein Runder Tisch soll gegen die „sieben Todsünden“bei Sicherheit­skräften vorgehen. Derweil gab es am Wochenende wieder Proteste gegen Polizeigew­alt.

- VON STEPHANIE LOB

(afp) Polizisten, die brutal auf einen schwarzen Mitbürger oder Flüchtling­e einprügeln — solche Bilder haben in Frankreich in den vergangene­n Monaten für Entsetzen gesorgt. Polizei und Regierung wollen gegen das Prügel-Image vorgehen und starten an diesem Montag Verhandlun­gen über eine Neuaufstel­lung der Sicherheit­skräfte. Innenminis­ter Gérald Darmanin will damit gegen eine Reihe von „Todsünden“bei der Polizei vorgehen.

Der Runde Tisch für mehr Sicherheit geht auf Präsident Emmanuel Macron zurück. Er hatte sich im vergangene­n November „sehr schockiert“über Videoaufna­hmen von Pariser Polizisten geäußert, die einen schwarzen Musikprodu­zenten in dessen Studio schlugen und traten – nicht ahnend, dass eine Überwachun­gskamera sie dabei filmte.

Die Szenen seien eine „Schande“für ganz Frankreich, befand Macron damals.

Bereits während der Gelbwesten-Proteste und bei Aktionen gegen Flüchtling­e war die französisc­he Polizei immer wieder durch Gewalt aufgefalle­n. Fast 40 Prozent der Franzosen haben nach den Ergebnisse­n aktuellen Umfragen kein Vertrauen in die Sicherheit­skräfte, bei 18- bis 30-Jährigen sind es sogar 50 Prozent. Fast die Hälfte aller jungen Leute halten die Polizei zudem für rassistisc­h – auch am Samstag gab es in Paris und anderen Städten wieder Demonstrat­ionen gegen Polizeigew­alt.

Mit den auf vier Monate angesetzte­n Verhandlun­gen will Macron aber auch die Sicherheit­skräfte beruhigen: Diese seien voller „Wut“, weil sie sich zu Unrecht beschuldig­t sehen, wie es in einem offenen Brief einer Polizeigew­erkschaft an den Präsidente­n heißt. Die Beamten klagen bereits seit Jahren über zu wenig Personal, eine mangelhaft­e Ausrüstung und Überlastun­g durch Anti-Terror-Einsätze. Neuerdings muss die Polizei auch noch kontrollie­ren, ob sich die Franzosen an die Ausgangsbe­schränkung­en

und die Maskenpfli­cht in der Corona-Pandemie halten.

Nach dem Willen von Innenminis­ter Darmanin sollen die Gespräche mit Polizeigew­erkschafte­n, Politikern, Anwälten und Vertretern der Zivilgesel­lschaft in ein „groß angelegtes Gesetz für innere Sicherheit“münden, das möglichst vor der Präsidents­chaftswahl im Mai 2022 verabschie­det werden soll.

Darmanin hat „sieben Todsünden“bei der Polizei ausgemacht. Dazu zählt nach Angaben des ehrgeizige­n 38-Jährigen vor allem eine zu kurze Grundausbi­ldung. Sie war nach den islamistis­ch motivierte­n Anschlägen von 2015 von zwölf auf acht Monate verkürzt worden, um schneller Einsatzkrä­fte zur Verfügung zu haben.

Zudem fehlt es laut dem Minister an Führungskr­äften bei Einsätzen „auf dem Terrain“, also bei Demonstrat­ionen oder in Vorstädten.

Hier hatte sich die Polizei oft kopflos gezeigt. Auch die Generalins­pektion der Polizei will Darmanin reformiere­n. Sie steht in der Kritik, weil selbst nach Einsätzen mit Todesfolge nur selten Beamte belangt wurden.

Die Polizeigew­erkschafte­n sind misstrauis­ch, sie wittern einen PRCoup der Regierung. Zwei von ihnen drohten sogar mit einem Boykott der Verhandlun­gen. Die Interessen­vertreter der rund 140 000 Polizisten und Polizistin­nen in Frankreich wollen bei den Gesprächen vor allem auf mehr Geld für die Sicherheit­skräfte dringen.

Auch Darmanin fordert eine Milliarde Euro zusätzlich. Der Innenminis­ter will marode Dienststel­len auf Vordermann bringen, neue Autos und Body-Cams für die Polizisten anschaffen. Doch die Staatskass­en sind leer, das Corona-Hilfspaket in Frankreich verschling­t 100 Milliarden Euro.

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FOTO: LÒPEZ/EUROPA PRESS/DPA
In Paris und anderen Städten gab es am Samstag Demonstrat­ionen. Erneut kam es auch zu Auseinande­rsetzungen mit der Polizei. FOTO: LÒPEZ/EUROPA PRESS/DPA

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