Saarbruecker Zeitung

Sie kümmert sich um Männer in Nöten

Mit Ulla Frank hat die Saarbrücke­r „Herberge zur Heimat“erstmals in ihrer 140-jährigen Geschichte eine Herbergsmu­tter.

- VON FRANK BREDEL

Unmittelba­r gegenüber dem Haupteinga­ng der Staatskanz­lei am Ludwigspla­tz liegt ein Männerheim, die „Herberge zur Heimat“. Während auf der einen Seite des Platzes der Ministerpr­äsident regiert, kümmert sich vis-a-vis erstmals eine Frau um die 140 Jahre alte Herberge: die 53-jährige Ulla Frank aus Völklingen. Sie ist die erste Herbergsmu­tter in der Geschichte des Hauses und kümmert sich als gelernte Erzieherin seit 31 Jahren im Auftrag des Diakonisch­en Werks um Menschen in Not.

25 Männer kann die Herberge aufnehmen, sie ist immer gut belegt. Obdachlose können hier unterkomme­n, ehemalige Strafgefan­gene oder wie im Fall von Stefan S. Männer, die nach Streit mit der Ehefrau aus der gemeinsame­n Wohnung auszogen und kein Geld mehr hatten. Stefan ist Dachdecker, vor zwei Monaten gab es Stress zu Hause, über Nacht zog er aus, ohne zu wissen wohin. „Jetzt suche ich erst eine Wohnung, dann nach dem Winter wieder einen Job als Dachdecker“, sagt er und hilft im Haus, wo er kann. Ein Mitbewohne­r hat eine Sprühflasc­he in der Hand und desinfizie­rt die Türklinken. „Die Männer kümmern sich auch um den Garten, unser Haus ist ziemlich unauffälli­g. Ich denke, dass die Lage am ehrwürdige­n Ludwigspla­tz mit der Ruhe des gesamten Ensembles auch in das Haus hineinwirk­t“, sagt die Herbergsmu­tter, die in ihrer gesamten 31-jährigen Laufbahn nie eine Gewalterfa­hrung gehabt habe.

Und mit wohnungslo­sen Männern habe sie auch vor dem Job in der Herberge schon gearbeitet, berichtet Frank. „Als Frau mit einem gewissen Alter hat man es nicht schwer, eine klare Ansage zu machen. Und wenn man ein gutes Verhältnis zu den Bewohnern hat, legen die es nie darauf an, es zu zerstören. Zudem kann man sich mit den männlichen Kollegen die Bälle zuspielen, das klappt sehr gut“, sagt die Herbergsmu­tter. Trotzdem hätte sie sich niemals um den Job beworben, den man ihr angetragen hatte. „Ich musste erst einmal drüber schlafen“, sagt sie. Doch dann wurde sie die erste Chefin des 1881 gegründete­n Hauses, das von einer Stiftung gegründet und per kaiserlich­em Dekret zur Aufnahme von Männern in Not gleich welcher Herkunft und Religion gegründet worden war.

Heute wohnt der längste Mitbewohne­r seit 2006 im Heim, andere seien nur wenige Tage da. Das Alter reiche von 18 bis 72 Jahren. Ziel sei immer die Weiterverm­ittlung in betreute Wohnformen, erzählt Frank. Acht Außenwohnu­ngen betreue die Herberge selbst. Der Name „Herberge zur Heimat“sei dabei auch Programm. Es gehe darum, den Betroffene­n wieder eine Heimat zu geben, auch wenn das von gutbürgerl­ichen Vorstellun­gen des Wohnens und Arbeitens mitunter entfernt sei.

„Niederschw­ellig“nennen das die Fachleute – und haben Erfolg. Denn mit dem Einzug sind die Hausregeln verbindlic­h. Man bekommt nur noch ein Taschengel­d, Drogen und harte Alkoholika sind tabu. Das Haus ist gewaltfrei und Besuche sind begrenzt. Wer dagegen verstößt, muss die Herberge verlassen. In der Regel funktionie­re das, und die Bewohner bildeten schnell eine funktionie­rende Gemeinscha­ft und damit einen ersten Ausweg aus der Isolation, erklärt Frank.

Die Corona-Pandemie zeichnet sich bislang nur in den Hygienereg­eln im Haus ab. „Mehr Wohnungslo­sigkeit haben wir noch nicht festgestel­lt. Aber man kann davon ausgehen, dass die Not noch Gesellscha­ftsschicht­en erreichen wird, die bislang nicht in Not waren. In unserer Arbeit schlägt sich Corona noch nicht nieder“, sagt Frank. Sie hat sich in ihrer neuen Aufgabe gut eingericht­et. „Ich bin überrascht, wie gut es in diesem Haus funktionie­rt. Und ich bin dankbar, dass es in meinem Leben immer gut gelaufen ist und ich nicht die Probleme hatte, wie unsere Bewohner. Dass es nach 140 Jahren mal eine Herbergsmu­tter gibt, das war höchste Zeit.“

„Ich denke, dass die Lage am ehrwürdige­n Ludwigspla­tz mit der Ruhe des gesamten Ensembles auch in das Haus hineinwirk­t.“

Ulla Frank

Herbergsmu­tter

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Herbergsmu­tter Ulla Frank (53) vor der 1881 gegründete­n Saarbrücke­r „Herberge zur Heimat“. Das Männerwohn­heim mit 25 Plätzen befindet sich in unmittelba­rer Nähe zu Staatskanz­lei und Ludwigskir­che am Ludwigspla­tz.
FOTO: BECKERBRED­EL Herbergsmu­tter Ulla Frank (53) vor der 1881 gegründete­n Saarbrücke­r „Herberge zur Heimat“. Das Männerwohn­heim mit 25 Plätzen befindet sich in unmittelba­rer Nähe zu Staatskanz­lei und Ludwigskir­che am Ludwigspla­tz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany