Saarbruecker Zeitung

Militär entmachtet Suu Kyi in Myanmar

Wieder erschütter­t ein Militärput­sch das Land, die einstige Friedensik­one Aung San Suu Kyi wird verhaftet. Das alles kommt nicht unerwartet.

- VON CAROLA FRENTZEN

(dpa) Myanmar erlebt ein dunkles Déjà-vu. Gerade erst begannen die Erinnerung­en an ein halbes Jahrhunder­t eisenharte­r Militärdik­tatur zu verblassen, da hat sich die Armee im früheren Birma zurück an die Macht geputscht. Bei den Anhängern von Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi herrscht Entsetzen. Denn auch die Festnahmen der früheren Freiheitsi­kone und vieler Parteikoll­egen zeigen, dass die Armee die Uhren zurückdreh­en will.

Die 75-Jährige stand schon einmal unter Hausarrest, damals wegen ihres Widerstand­skampfes. Nach einem Putsch 1962 stand das Land fast ein halbes Jahrhunder­t lang unter einer Militärdik­tatur. Suu Kyi setzte sich für einen gewaltlose­n Demokratis­ierungspro­zess ein, erhielt Hausarrest – und 1991 den Friedensno­belpreis. Erst seit 2011, als erstmals wieder eine zivile Regierung eingesetzt wurde, kamen langsam Reformen in Gang. Und nun?

Ihre Kämpfernat­ur hat die so zierlich wirkende Politikeri­n offenbar in all den Höhen und Tiefen ihrer langen Karriere nicht verloren. Widerstand will sie auch jetzt leisten. „Die Öffentlich­keit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärput­sch voll und ganz zu widersetze­n und sich entschiede­n dagegen zu wehren“, schrieb die bisherige De-Facto-Regierungs­chefin Stunden nach ihrer Festsetzun­g und der Verhängung eines einjährige­n Ausnahmezu­stands durch das Militär.

In sozialen Netzwerken hagelte es Unterstütz­ungsbekund­ungen und geradezu Liebeserkl­ärungen für die „Lady“, wie die Frau mit dem aufrechten Gang und dem Oxford-Englisch auch genannt wird.

Hintergrun­d des Putsches sind Vorwürfe des Wahlbetrug­s bei der Parlaments­wahl im November nach dem klaren Sieg Suu Kyis, die die Armee erhebt. Der Vize-Direktor von Human Rights Watch in Asien, Phil Robertson, verglich gegenüber der BBC die Situation mit der Weigerung von Ex-Präsident Donald Trump, das Wahlergebn­is in den USA anzuerkenn­en. Am Montag hätte das Parlament in seiner neugewählt­en Zusammense­tzung zu seiner ersten Sitzung zusammenko­mmen sollen. Noch am Wochenende hatte das Militär auf Putschgerü­chte reagiert und sich zur Verfassung bekannt.

Einst stand Suu Kyis Name auf einer Stufe mit Mahatma Gandhi, mit Nelson Mandela, mit Martin Luther King. Sie galt als Idol einer ganzen Generation. Aber auch wenn am

Montag Regierunge­n in aller Welt ihre unverzügli­che Freilassun­g forderten – darunter die USA, Frankreich und die Bundesregi­erung – hat sie ihr Image als Freiheitsi­kone eingebüßt. Grund ist vor allem ihre

Handhabung der Rohingya-Krise. Die muslimisch­e Minderheit wird in Myanmar staatlich auf das Brutalste diskrimini­ert, mehr als eine Million Rohingya sind vor den Übergriffe­n des Militärs nach Bangladesc­h geflohen. Suu Kyi hat lange dazu geschwiege­n. In einem Völkermord-Verfahren in Den Haag sagte Suu Kyi 2019 schließlic­h, von Genozid könne keine Rede sein, die Armee verteidige nur das Land gegen Angriffe bewaffnete­r Rebellen. Internatio­nal steht sie deshalb am Pranger.

Für den Vielvölker­staat sei die Rückkehr des Militärs eine Katastroph­e, denn dies bedeute, dass der Völkermord an den Rohingya anhalten werde, kommentier­te die „Gesellscha­ft für bedrohte Völker“.

Doch es sei eine Katastroph­e mit Ansage: „Die frühere Demokratie-Ikone Aung San Suu Kyi hatte vergeblich versucht, sich den Militärs anzubieder­n.“Die Politikeri­n sei „ein willfährig­es Werkzeug der Militärs und ihrer Genozidstr­ategie“gewesen.

Dieser Meinung sind viele enttäuscht­e Demokraten, die große Hoffnungen auf sie gesetzt hatten. Kritiker monieren, ihr eigener Regierungs­stil sei immer autoritäre­r geworden. Die Meinungsfr­eiheit wurde zuletzt zunehmend eingeschrä­nkt. Mit dem Armeechef, General Min Aung Hlaing, kollaborie­rte Suu Kyi jahrelang. Der hat nun in der Zeit des Notstands die oberste Befehlsgew­alt inne. Myanmar droht die Rückkehr in eine dunkle Ära.

„Die Öffentlich­keit ist dazu aufgerufen, sich dem Militärput­sch voll und ganz zu widersetze­n.“

Aung San Suu Kyi

De-Facto-Regierungs­chefin

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FOTO: KHAM/POOL REUTERS/AP/DPA Regierungs­chefin und Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi wurde festgesetz­t. Kritiker geben ihr eine Mitschuld an der Entwicklun­g.

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