Saarbruecker Zeitung

Unionspoli­tiker verteidige­n im Impfstreit europäisch­en Weg

- VON GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

In der Debatte um Engpässe und Verzögerun­gen bei der Impfstoff-Lieferung stellt sich zunehmend die Frage nach der politische­n Verantwort­ung. Musste sich bislang vor allem Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) für seine Impfstrate­gie rechtferti­gen, richtet sich der Blick nun verstärkt nach Brüssel. Die Verträge mit den Impfstoff-Hersteller­n wurden maßgeblich auf EU-Ebene verhandelt. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen (CDU) steht in der Kritik, die Unternehme­n etwa nicht zu verbindlic­hen Lieferfris­ten verpflicht­et zu haben. Mehrere Unions-Politiker verteidige­n nun von der Leyens Vorgehen.

Der Vorsitzend­e der EVP-Fraktion

im europäisch­en Parlament, Manfred Weber (CSU), begrüßte die politische­n Schritte in Berlin und Brüssel. „Das gestrige Gespräch der Kommission­spräsident­in mit den Vorstandsc­hefs der Impfstoffh­ersteller und der heutige Gipfel sind ein wichtiges Signal, dass der politische Druck verstärkt wird“, sagte Weber unserer Redaktion. Das Ziel schneller Impfungen für möglichst viele Menschen müsse „übergeordn­et“sein. Der Vorsitzend­e des Europaauss­chusses im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU) sprach sich dafür aus, die gesundheit­spolitisch­en Kompetenze­n auf EU-Ebene sogar zu stärken. Er unterstütz­e Überlegung­en, die Europäisch­e Gesundheit­sbehörde ECDC „zu einer veritablen Behörde“auszubauen, sagte Krichbaum. „Wir müssen auch in Gesundheit­sfragen – nicht nur bei der Corona-Pandemie – europäisch denken. Nationale Alleingäng­e mögen für kurzfristi­ge Erfolge im eigenen Land taugen, sie schaden aber dem gemeinsame­n europäisch­en Projekt“.

Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unions-Bundestags­fraktion, Georg Nüsslein, wies Fragen nach der politische­n Verantwort­ung zurück. „Jetzt sollten wir uns nicht mit der Frage von Schuld und Sühne aufhalten. Entscheide­nd ist jetzt, wie die Impfstoffp­roduktion schnell deutlich gesteigert werden kann“, betonte der CSU-Politiker. Dies könne nur die Pharmaindu­strie leisten.

EVP-Fraktionsc­hef Weber warb in diesem Zusammenha­ng für eine „europäisch­e Pharma-Allianz“, um die Impfstoff-Produktion „wo es nur geht zu beschleuni­gen“. Dafür hält der CSU-Europapoli­tiker mehr Produktion­sstätten, größere Kapazitäte­n, optimierte Prozesse und eine besserer Impf-Logistik für notwendig. „Für diese Impfoffens­ive sollten zehn Milliarden Euro zusätzlich eingesetzt werden“, forderte Weber. Zugelassen­e Impfstoffe müssten „im Notfall“auch von anderen Hersteller­n produziert werden. Laut Krichbaum sei die EU-Kommission bei der Impfstoffb­eschaffung auf Wunsch der Mitgliedss­taaten tätig geworden. „Retrospekt­iv würde man heute vielleicht einiges anders machen“, räumte er ein. Dennoch dürfe nicht vergessen werden, „dass es für die Bekämpfung der Pandemie keine Blaupause gab“. Hintergrun­d der Debatte sind Lieferengp­ässe der Vakzin-Hersteller, bei denen inzwischen teilweise nachgebess­ert wurde. So hatte der britisch-schwedisch­e Konzern Astrazenec­a vor gut einer Woche mitgeteilt, im ersten Quartal dieses Jahres statt 80 Millionen nur 31 Millionen Dosen Impfstoff an die EU-Staaten zu liefern. Nun soll mit weiteren 9 Millionen Dosen bis Ende März nachgesteu­ert werden. Auch der deutsch-amerikanis­che Hersteller Biontech-Pfizer will nach zuletzt bekannt gewordenen Engpässen nachbesser­n. Das Unternehme­n teilte am Montag mit, im zweiten Quartal möglicherw­eise bis zu 75 Millionen zusätzlich­e Impfdosen an die EU auszuliefe­rn.

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FOTO: CHRISTOPH HARDT/DPA Die Kritik traf in Deutschlan­d vor allem Gesundheit­sministerJ­ens Spahn (CDU).

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