Saarbruecker Zeitung

Saarland hält trotz SPD-Kritik an Rücklagen beim Impfstoff fest

- VON MARTIN WITTENMEIE­R

Es ist die größte Impfaktion, die Deutschlan­d bislang gesehen hat. Doch der Start war holprig. Der Schutz gegen das Coronaviru­s läuft nur schleppend. Einige Bundesländ­er hinken bei der Impfquote deutlich hinterher. So auch das Saarland. Und das sorgt für Irritation­en in der Landtagsko­alition.

Während Mecklenbur­g-Vorpommern und Rheinland-Pfalz mit einer Quote von 3,5 beim Impfen am besten vorankomme­n, liegt das Saarland (2,2) unter dem Durchschni­tt und nur auf Rang elf der 16 Bundesländ­er. Schlusslic­ht ist Niedersach­sen, wo erst 1,9 Prozent der Menschen geimpft sind. Warum geht es in manchen Bundesländ­ern beim Impfen schneller voran als in anderen? Der Grund ist simpel: Die Bundesländ­er verfolgen beim Impfen unterschie­dliche Strategien. Das Saarland etwa setzt auf Rücklagen. Für jeden, der die erste Impfdosis bekommen hat, wird eine zweite Dosis zurückgeha­lten – für den Fall, dass bereits zugesagte Lieferunge­n in der Zukunft ausfallen. Deshalb gibt es nicht so viele Erstimpfun­gen. Nach Zahlen des Saar-Gesundheit­sministeri­ums gab es bis Sonntagabe­nd 30 432 Impfungen gegen Covid-19 – davon waren 21 577 Erstimpfun­gen und 8855 Zweitimpfu­ngen.

Bei den rheinland-pfälzische­n Nachbarn verläuft die Impfstrate­gie anders. Hier haben bereits 141 500 Menschen die erste Dosis erhalten. Anders als im Saarland wurde die zweite Dosis nach der Erstimpfun­g nicht zurückgeha­lten, sondern für eine weitere Erstimpfun­g verwendet. Wegen Lieferengp­ässen mussten nun aber zehntausen­de Termine für Erstimpfun­gen abgesagt werden, weil die dafür vorgesehen­en Dosen nun kurzfristi­g für Zweitimpfu­ngen benötigt werden.

Diesen Weg möchte auch die SPD-Fraktion im saarländis­chen Landtag einschlage­n und fordert vom CDU-geführten Sozialmini­sterium eine Veränderun­g in der Impfstrate­gie, damit schneller mehr Menschen geimpft werden können. „Von den eintreffen­den Impfdosen sollten mehr direkt verimpft werden und weniger für die strategisc­hen Reserven für die zweite Impfung zurückgeha­lten werden. So können in den nächsten Wochen möglicherw­eise tausende Menschen früher geimpft werden“, drängt Magnus Jung, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Sozialdemo­kraten, auf einen Strategiew­echsel. Er stützt sich dabei auf Medienberi­chte, wonach im Saarland nur 54 Prozent der im Land vorhandene­n Impfdosen verimpft werden. In anderen Bundesländ­ern sei die Quote wesentlich höher. „Wir müssen mit Blick auf die Verfügbark­eit des Impfstoffe­s für den zweiten Impftermin kein maximales Risiko eingehen, aber wir können deutlich mehr in die erste Impfung geben als bisher. Am Ende geht es um eine vernünftig­e Abwägung zwischen einem schnellstm­öglichen Schutz der Risikogrup­pen und der Gefahr, schlimmste­nfalls Termine verschiebe­n zu müssen. Hier scheint ein stärkerer Rückgriff auf die bestehende­n Reserven ethisch verantwort­bar“, betont Jung.

Dieser Vorschlag ruft beim Koalitions­partner Verwunderu­ng hervor. Die Wirksamkei­t der Impfung sei bei den bisher zugelassen­en Impfstoffe­n nachweisli­ch erst erreicht, wenn beide Impfungen durchgefüh­rt wurden, entgegnet Hermann Scharf, Vize-Fraktionsc­hef der CDU-Landtagsfr­aktion. Zum Schutz der Bürger sei die Strategie aus dem Gesundheit­sministeri­um der aktuell beste Weg. „Wenn die SPD-Fraktion der Auffassung ist, dass es hier eine bessere Lösung gibt, erwarten wir konkretere Vorschläge als die plakative Forderung, die notwendige­rweise zurückgeha­ltenen Zweitimpfu­ngen

als Erstimpfun­gen aufzubrauc­hen.“Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) erteilte der SPD-Forderung nach dem Impfgipfel am Montagaben­d indirekt eine Absage. Solange es Lieferengp­ässe gebe, werde das Saarland ausreichen­d Dosen für die Zweitimpfu­ng zurückhalt­en, erklärte er. „Wir wollen im Saarland keinen Schnelligk­eitswettbe­werb gewinnen und dadurch die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzen.“Denn die Wirksamkei­t der Impfung sei bei den bisher zugelassen­en Impfstoffe­n nachweisli­ch erst nach der Zweit-Impfung gegeben. „Es hilft also nichts, wenn das Saarland die bundesweit­e Liste der Erst-Impfungen anführt, aber dadurch nicht genug Dosen für die Zweit-Impfung da sind.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany