Impfgipfel hat keinen Druck aus dem Kessel genommen
Der Blick zurück bringt im Moment tatsächlich nichts. Jetzt muss nach vorne geschaut und gehandelt werden. Das haben die Teilnehmer des zähen Impfgipfels am Montag zumindest erkannt. Die Bürger brauchen endlich mehr Sicherheit und Verlässlichkeit, damit das Vertrauen in die Anti-Corona-Maßnahmen insgesamt nicht weiter einbricht.
Bei den Absichtserklärungen darf es somit nicht bleiben. Denn diesmal geht es um mehr als um einen öffentlichkeitswirksamen Meinungsaustausch, den die Kanzlerin in ihren Regierungsjahren so häufig bei wichtigen Themen gepflegt hat – ohne dass sich dann nachhaltig etwas veränderte: Die Corona-Impfungen sind eine gänzlich andere Liga, sie können Leben retten; sie sind der Ausweg aus der Krise und damit auch aus der wirtschaftlichen Depression.
Deswegen stehen alle Beteiligten in der Pflicht, die am Montag nach viel Gerede identifizierten Schwachstellen so schnell wie möglich zu beseitigen. Jeder in seinem Bereich, jeder, so gut er kann. Gegenseitige Schuldzuweisungen sind dabei nur kontraproduktiv, vor allem dann, wenn sie von Politikern kommen, die mit im Regierungsboot sitzen. Die SPD tut sich keinen Gefallen mit ihrem Prinzip Attacke, das sie auch im Vorfeld des Gipfels wieder praktiziert hat. Die Bürger erwarten in dieser existenziellen Krise etwas anderes von einer Regierungspartei: Taten und Verlässlichkeit.
Von vornherein war klar, dass sich durch den Gipfel an der Impfstoff-Versorgung kaum etwas ändern wird in den nächsten acht Wochen, die Gesundheitsminister Jens Spahn die besonders „harten Wochen“nennt. Die neueste Zusage beispielsweise von Biontech, die Lieferungen zu erweitern, bezieht sich auch erst auf das zweite Quarta. Geduld ist daher weiter gefragt. Auch das war eine Botschaft des Treffens. Nichtsdestotrotz gibt es aber Handlungsbedarf: So muss die Verteilung des vorhandenen Serums zügig optimiert werden, zugleich geht es darum, Produktionskapazitäten mit staatlicher Hilfe zu erhöhen. Zwar sind schon Hunderte Millionen Euro in die Impfstoffentwicklung geflossen, das reicht aber nicht, weil nun auch Tempo bei der Herstellung gefragt ist. Vor allem aber braucht es dringend ein bundesweit vereinheitlichtes Terminsystem, damit der Frust vieler Bürger bei der Vergabe endlich ein Ende hat. Zu verstehen ist es jedenfalls nicht, dass ohne Probleme Zigtausende Menschen über Onlineplattformen Termine und Tickets für jedes Rockkonzert allerorten buchen können, für lebensrettende Impfungen das aber nicht möglich sein soll. Das sind die Aufgaben, die die Politik nach dem Gipfel dringend in Angriff nehmen muss. Wenn ein neuer Bund-Länder-Impfstab dabei hilft, nur zu.
Der Druck ist nach der Videoschalte nicht weg, sondern eher noch größer geworden. Zumal das Versprechen der Kanzlerin und ihres Gesundheitsministers weiter gilt: Bis zum letzten Tag des Sommers am 21. September soll jeder, der möchte, eine Impfung erhalten. Klappt das nicht, könnten die Regierenden fünf Tage später eine derbe Quittung serviert bekommen – dann ist Bundestagswahl.