Er fährt sowohl Popstars wie Ausflügler
Europas Straßen sind der Arbeitsplatz von Oliver Keinath. Sein Lieblingsziel ist England. Er transportiert Schüler, Kirchenchöre, Kegelclubs, Fußballvereine – und manchmal auch Popstars auf Tournee.
PÜTTLINGEN In normalen Zeiten chauffiert Oliver Keinath Reisende quer durch Europa, von Norwegen bis Griechenland. „Mein Lieblingsland ist England“, sagt der Busfahrer. Der Linksverkehr dort stört ihn nicht. Um Paris hingegen macht er lieber einen großen Bogen. Zur vorerst letzten großen Tour startete der 50-Jährige im März 2020. Nach der Schottland-Reise standen 8000 Kilometer auf dem Tacho des neuen Busses. Seitdem ist kein Kilometer hinzu gekommen.
Der 13 Meter lange Singledecker steht abgemeldet in der Fahrzeughalle der Püttlinger Firma „Lay Reisen – on Tour“. Wegen der Corona-Pandemie ruht der Reise- verkehr. Immerhin: Oliver Keinath kann seinen Beruf weiter ausüben. Zurzeit fährt er im Linienverkehr. Möglichst bald möchte er wieder hinters Steuer des Fernreisebusses. „Wir warten alle darauf, dass es wieder losgeht“, betont er.
An seinem Job liebt Keinath vor allem die Abwechslung. Er fährt die unterschiedlichsten Gruppen: Schüler auf Klassenfahrt, Kulturfreunde, die ins Museum möchten, Mitglieder von Kirchenchören, Kegelclubs und Fußballvereine.
Auch Künstler, die auf Tournee sind, vertrauen den Fahrkünsten des Püttlingers. Für die Stars wird ein Bus schon mal umgebaut. Eine Couch, Tische und ein separater Kühlschrank kommen rein, einige Sitze werden ausgebaut. Boy George, Supertramp und die Beach Boys haben schon in Keinaths Bus Platz genommen. Und John Miles spendierte ihm abends einen Drink.
Mit den Künstlern kommt er gut klar, bisher hat noch niemand rumgezickt. Aber die eine oder andere Promi-Eskapade gab es doch bestimmt? Oliver Keinath schüttelt den Kopf, er möchte nicht aus dem Nähkästchen plaudern. „Man muss verschwiegen sein“, sagt er. Gute Busfahrer sind nicht nur diskret, sondern auch kommunikativ. „Mit 90 Prozent der Kunden bin ich am Ende der Fahrt per du“, schätzt Oliver Keinath.
Bei manchen Touren fahren seine Frau und sein Enkel mit. „Man begegnet immer wieder Kollegen, die geschieden sind“, berichtet der Busfahrer. Seine Ehefrau, mit der er seit 25 Jahren verheiratet ist, hält ihm den Rücken frei. Auch auf seine Kollegen kann er sich verlassen. Wenn es irgendwo Schwierigkeiten gibt, ist fast immer ein Busfahrer in der Nähe, der ihm mit Rat und Tat zur Seite steht.
Jede Fahrt zu einem neuen Ziel wird gut vorbereitet. Viele Fragen sind zu klären: Komme ich unter allen Brücken durch? Wo parke ich bei der Ankunft? Wie hoch darf meine Zuladung sein? Besteht die Gefahr, dass ich in einer Sackgasse lande? Trotz guter Planung gibt es immer wieder Überraschungen. Bei einer Jugendfreizeit in Griechenland verirrte sich eine Schlange in das Zimmer eines Gastes. Wegen starken Schneefalls stand Keinath einmal 30 Stunden in Österreich im Stau. Dank Kaffeemaschine, Standheizung und Toilette wurde sein Bus zum beliebten Treff für die Wartenden. Richtig ins Schwitzen kam der Buspilot, als die Schneeketten auf dem steilen Weg zu einer 2500 Meter hoch gelegenen Unterkunft den Geist aufgaben. Aber auch dieses Problem wurde gelöst, nach fünf Stunden war Ersatz beschafft und montiert.
„Schon als Kind habe ich davon geträumt, Kraftfahrer zu werden“, erinnert sich Keinath. Sein Onkel war Verkehrsmeister bei den damaligen Saartal-Linien. Bis er einen Bus steuern durfte, sollte es allerdings dauern. Zunächst machte er eine Bäckerlehre. 2004 musste Keinath den Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Er schulte um zum Bus- und Lkw-Fahrer. Während der Ausbildung machte er ein Praktikum bei dem Püttlinger Busunternehmen Lay. „Seitdem bin ich hier“, sagt Keinath.
Neben einer Christophorus-Plakette, die ihm eine inzwischen verstorbene Kollegin schenkte, hat er bei seinen Touren meist auch ein Fahrrad dabei. Mit ihm radelt er vom
Bus-Parkplatz zum Hotel. Oder er dreht nach Feierabend eine Runde. Wer den ganzen Tag hinterm Steuer sitzt, tritt zum Ausgleich gern mal in die Pedale.
„Man muss verschwiegen sein. Mit 90 Prozent der Kunden bin ich am Ende
der Fahrt per du.“
Oliver Keinath,
Busfahrer