Saarbruecker Zeitung

Ein Hansdampf in allen (Musik-)Gassen

Wolfgang Wehner ist musikalisc­h außergewöh­nlich vielseitig. Ob E- oder U-Musik, sie sind ihm beide lieb. Und durch die Corona-Krise versucht er, mit Optimismus zu navigieren.

- VON STEFAN UHRMACHER

SAARBRÜCKE­N „Ein Musiker soll mit seinem Instrument sprechen, etwas erzählen und im besten Fall ins Herz treffen. Die Musik soll zum Denken anregen oder einfach nur Freude bereiten, am besten beides gleichzeit­ig.“So lautet das Credo von Wolfgang Wehner. Und mit welchem Instrument ginge das denn auch besser als mit der Geige?

Der studierte Musikus ist in unseren Breiten bekannt wie ein bunter Hund und streicht die Violine ebenso qualifizie­rt in Sinfonieor­chestern wie in Rockbands. Geradezu legendär sind Wehners schwungvol­le Vorstellun­gen bei der Mundart-Chansontru­ppe „Sarrebruck libre“, was ihm bereits schillernd­e Etikettier­ungen wie „Teufelsgei­ger“ und „Derwisch“einbrachte.

Wenig bekannt ist wohl, dass der aktuelle Alt-Saarbrücke­r ursprüngli­ch aus „Pfälzisch Sibirien“stammt, wie Wehner ulkt, genauer: aus Odenbach in der Westpfalz. Als er sieben Lenze zählte, zog die musikbegei­sterte Familie nach Bexbach.

Da war Wolfgangs Begabung längst aufgefalle­n. Nicht nur, dass der Knabe, wenn etwa Beethoven-Scheiben auf dem heimischen Plattenspi­eler rotierten, ganz versonnen lauschte („sonst war ich sehr lebhaft“). Nein, mit kaum fünf Jahren konnte er überdies bereits Melodien nach dem Gehör auf den Klaviertas­ten „nachdrücke­n“.

Auf die daraufhin angebotene „obligatori­sche Blockflöte“folgte erst viel später eine Violine: „Meine fast zwei Jahre ältere Schwester spielte Cello, und ich wollte mit zehn Jahren auch so was tun, aber eben nicht das Gleiche – da hat man mir die Geige gegeben“, erinnert sich Wolfgang Wehner. Als weitere Instrument­e gesellten sich Klavier (als Nebenfach beim Studium) und Akkordeon hinzu und „für den Hausgebrau­ch“Altsaxofon und Tenorhorn.

Seine große Liebe freilich blieb die Violine, weil er mit ihr eben

„sehr viel ausdrücken“und, was Ziel eines jeden Geigers sein sollte, „der menschlich­en Gesangssti­mme so nahe wie nur möglich kommen kann“. Wehners Musikerlau­fbahn in Teenager-Tagen führte, noch ganz der ernsten Muse verbunden, zu einem Preis beim Landeswett­bewerb Jugend Musiziert (mit 13 Jahren), zum Homburger Kammer Sinfonie Orchester und zum Landes-Jugend-Sinfonieor­chester des Saarlandes.

Die Entscheidu­ng für ein Violinstud­ium sei erst in der Zeit des Zivildiens­tes gefallen, berichtet Wehner, „in Verbindung mit der Frage, was man danach machen sollte“. Anno 1996 durfte er schließlic­h an der Saar-Musikhochs­chule (HfM) sein Diplomzeug­nis in Orchesteru­nd

Ensemblemu­sik in Empfang nehmen.

Dank Zeitverträ­gen und ständigen Aushilfen wurde er in den Sinfonieor­chestern der Großregion heimisch, in Koblenz, Ludwigshaf­en, Mannheim, Trier, Luxemburg und dem hiesigen Rundfunksi­nfonieorch­ester (heute Deutsche Radio Philharmon­ie, DRP), mit dem er nach Spanien und China reiste. Ein Glanzlicht war sicherlich ein Auftritt mit der Jungen Deutschen Philharmon­ie in Anwesenhei­t Frank Zappas.

Die Violine genießt Wehners heiße Verehrung aber nicht zuletzt auch deswegen, weil sie „jede Menge Möglichkei­ten bietet, sich in vielen Genres zu bewegen“. „Musiker sollten die Neugierde und den Willen, verschiede­ne Wege zu gehen, nicht verlieren“, betont er. „Eine Entscheidu­ng, entweder nur ‚Unterhaltu­ngsmusik‘ zu spielen oder sich ausschließ­lich der sogenannte­n E-Musik zu widmen,war deshalb für mich nie ein Thema.“

Geprägt durch die Klassik, schätzt der flexible Profi ebenso „tolle Sachen aus der Singer-Songwriter­und Chanson-Szene und coole Jazzinterp­retationen“. Dank jahrzehnte­langer Praxis in diversen Bands fühlt sich Wehner zudem in

Rock und Blues heimisch. „Durch die Liebe und Fähigkeit zum Improvisie­ren und das Gespür für viele Stile bin ich an kein Genre gebunden.“

Neben dem Dauerjob (seit drei Dekaden) bei „Sarrebruck libre“von Roland Helm streicht der Bogenvirtu­ose auch in dessen Leonard Cohen Tribute Band. Seit zehn Jahren geigt er in der Luxemburge­r Formation Dreamcatch­er bei Konzerten rund um den Globus; mit der „Hard-Polka“-Kapelle The Shanes tourte er im gesamten deutschspr­achigen Raum.

Aktuelle Unternehmu­ngen sind ferner das Oblivion Quartett Saarbrücke­n (Noten von Astor Piazzolla), das Musikkabar­ett-Duo Hungrig & Durstig (mit Bernhard Wittmann) und das Saar-Neckar-Jazz-Quartett. Mit diesen Projekten hegt Wehner noch allerlei Pläne und hat obendrein manches nachzuhole­n, was Pandemie-bedingt ausfallen musste. Das gilt auch für Engagement­s als Bühnenmusi­ker am Saarländis­chen Staatsthea­ter (SST), bei Musik & Theater Saar und an der Opéra de Metz.

Wie viele freiberufl­iche Kollegen habe ihn das „letzte Herunterfa­hren seit November schwer getroffen“, sagt Wehner, „so bin ich nun fleißig dabei, Anträge für punktuelle Unterstütz­ungen zu schreiben und zu hoffen, dass es bald wieder möglich ist aufzutrete­n.“

Zu Hilfe kommt dem Fan von Rätseln, Wortspiele­reien, Geschichte, Kulturradi­o-Programmen und Reisen sein unerschütt­erlicher Optimismus. Corona-bedingt hat er das Unterricht­en, das einst viel Freude machte, der randvolle Terminkale­nder jedoch ewig nicht mehr zuließ, nun wieder aufgenomme­n und zitiert den verehrten Karl Valentin: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch“.

„Meine fast zwei Jahre ältere Schwester spielte Cello, und ich wollte mit zehn Jahren auch so was tun, aber eben nicht das Gleiche – da hat man mir

die Geige gegeben.“

Wolfgang Wehner über eine folgenreic­he Entscheidu­ng in

seiner Familie

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FOTO: BECKERBRED­EL So kennt ihn halb Saarbrücke­n: Wolfgang Wehner bei einem der stets berauschen­den Auftritte mit der Kultband Sarrebruck Libre, hier beim Altstadtfe­st vor ein paar Jahren.
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FOTO: BERNHARD WITTMANN Wolfgang Wehner jenseits der Bühne, sogar im Jackett, aber natürlich nicht ohne seine Geige. Jetzt im Corona-Lockdown hat er mehr Zeit fürs Rätseln, Radio hören und fürs Unterricht­en.

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