Ein Hansdampf in allen (Musik-)Gassen
Wolfgang Wehner ist musikalisch außergewöhnlich vielseitig. Ob E- oder U-Musik, sie sind ihm beide lieb. Und durch die Corona-Krise versucht er, mit Optimismus zu navigieren.
SAARBRÜCKEN „Ein Musiker soll mit seinem Instrument sprechen, etwas erzählen und im besten Fall ins Herz treffen. Die Musik soll zum Denken anregen oder einfach nur Freude bereiten, am besten beides gleichzeitig.“So lautet das Credo von Wolfgang Wehner. Und mit welchem Instrument ginge das denn auch besser als mit der Geige?
Der studierte Musikus ist in unseren Breiten bekannt wie ein bunter Hund und streicht die Violine ebenso qualifiziert in Sinfonieorchestern wie in Rockbands. Geradezu legendär sind Wehners schwungvolle Vorstellungen bei der Mundart-Chansontruppe „Sarrebruck libre“, was ihm bereits schillernde Etikettierungen wie „Teufelsgeiger“ und „Derwisch“einbrachte.
Wenig bekannt ist wohl, dass der aktuelle Alt-Saarbrücker ursprünglich aus „Pfälzisch Sibirien“stammt, wie Wehner ulkt, genauer: aus Odenbach in der Westpfalz. Als er sieben Lenze zählte, zog die musikbegeisterte Familie nach Bexbach.
Da war Wolfgangs Begabung längst aufgefallen. Nicht nur, dass der Knabe, wenn etwa Beethoven-Scheiben auf dem heimischen Plattenspieler rotierten, ganz versonnen lauschte („sonst war ich sehr lebhaft“). Nein, mit kaum fünf Jahren konnte er überdies bereits Melodien nach dem Gehör auf den Klaviertasten „nachdrücken“.
Auf die daraufhin angebotene „obligatorische Blockflöte“folgte erst viel später eine Violine: „Meine fast zwei Jahre ältere Schwester spielte Cello, und ich wollte mit zehn Jahren auch so was tun, aber eben nicht das Gleiche – da hat man mir die Geige gegeben“, erinnert sich Wolfgang Wehner. Als weitere Instrumente gesellten sich Klavier (als Nebenfach beim Studium) und Akkordeon hinzu und „für den Hausgebrauch“Altsaxofon und Tenorhorn.
Seine große Liebe freilich blieb die Violine, weil er mit ihr eben
„sehr viel ausdrücken“und, was Ziel eines jeden Geigers sein sollte, „der menschlichen Gesangsstimme so nahe wie nur möglich kommen kann“. Wehners Musikerlaufbahn in Teenager-Tagen führte, noch ganz der ernsten Muse verbunden, zu einem Preis beim Landeswettbewerb Jugend Musiziert (mit 13 Jahren), zum Homburger Kammer Sinfonie Orchester und zum Landes-Jugend-Sinfonieorchester des Saarlandes.
Die Entscheidung für ein Violinstudium sei erst in der Zeit des Zivildienstes gefallen, berichtet Wehner, „in Verbindung mit der Frage, was man danach machen sollte“. Anno 1996 durfte er schließlich an der Saar-Musikhochschule (HfM) sein Diplomzeugnis in Orchesterund
Ensemblemusik in Empfang nehmen.
Dank Zeitverträgen und ständigen Aushilfen wurde er in den Sinfonieorchestern der Großregion heimisch, in Koblenz, Ludwigshafen, Mannheim, Trier, Luxemburg und dem hiesigen Rundfunksinfonieorchester (heute Deutsche Radio Philharmonie, DRP), mit dem er nach Spanien und China reiste. Ein Glanzlicht war sicherlich ein Auftritt mit der Jungen Deutschen Philharmonie in Anwesenheit Frank Zappas.
Die Violine genießt Wehners heiße Verehrung aber nicht zuletzt auch deswegen, weil sie „jede Menge Möglichkeiten bietet, sich in vielen Genres zu bewegen“. „Musiker sollten die Neugierde und den Willen, verschiedene Wege zu gehen, nicht verlieren“, betont er. „Eine Entscheidung, entweder nur ‚Unterhaltungsmusik‘ zu spielen oder sich ausschließlich der sogenannten E-Musik zu widmen,war deshalb für mich nie ein Thema.“
Geprägt durch die Klassik, schätzt der flexible Profi ebenso „tolle Sachen aus der Singer-Songwriterund Chanson-Szene und coole Jazzinterpretationen“. Dank jahrzehntelanger Praxis in diversen Bands fühlt sich Wehner zudem in
Rock und Blues heimisch. „Durch die Liebe und Fähigkeit zum Improvisieren und das Gespür für viele Stile bin ich an kein Genre gebunden.“
Neben dem Dauerjob (seit drei Dekaden) bei „Sarrebruck libre“von Roland Helm streicht der Bogenvirtuose auch in dessen Leonard Cohen Tribute Band. Seit zehn Jahren geigt er in der Luxemburger Formation Dreamcatcher bei Konzerten rund um den Globus; mit der „Hard-Polka“-Kapelle The Shanes tourte er im gesamten deutschsprachigen Raum.
Aktuelle Unternehmungen sind ferner das Oblivion Quartett Saarbrücken (Noten von Astor Piazzolla), das Musikkabarett-Duo Hungrig & Durstig (mit Bernhard Wittmann) und das Saar-Neckar-Jazz-Quartett. Mit diesen Projekten hegt Wehner noch allerlei Pläne und hat obendrein manches nachzuholen, was Pandemie-bedingt ausfallen musste. Das gilt auch für Engagements als Bühnenmusiker am Saarländischen Staatstheater (SST), bei Musik & Theater Saar und an der Opéra de Metz.
Wie viele freiberufliche Kollegen habe ihn das „letzte Herunterfahren seit November schwer getroffen“, sagt Wehner, „so bin ich nun fleißig dabei, Anträge für punktuelle Unterstützungen zu schreiben und zu hoffen, dass es bald wieder möglich ist aufzutreten.“
Zu Hilfe kommt dem Fan von Rätseln, Wortspielereien, Geschichte, Kulturradio-Programmen und Reisen sein unerschütterlicher Optimismus. Corona-bedingt hat er das Unterrichten, das einst viel Freude machte, der randvolle Terminkalender jedoch ewig nicht mehr zuließ, nun wieder aufgenommen und zitiert den verehrten Karl Valentin: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch“.
„Meine fast zwei Jahre ältere Schwester spielte Cello, und ich wollte mit zehn Jahren auch so was tun, aber eben nicht das Gleiche – da hat man mir
die Geige gegeben.“
Wolfgang Wehner über eine folgenreiche Entscheidung in
seiner Familie