Wie Technik Raser zur Räson bringt
Daten aus dem Fahrzeug sind im Kampf gegen illegale Autorennen und Raser-Fahrten mittlerweile die wichtigsten Zeugen.
STUTTGART (dpa) Illegale Autorennen und Fahrten mit viel zu hoher Geschwindigkeit fordern jedes Jahr in Deutschland zahlreiche Opfer. Welche Möglichkeiten es gibt, den Veranstaltern auf die Schliche zu kommen, und welche Nachteile diese haben:
Technik: „Das eigene Auto kann die Täter verpfeifen“, sagt Andreas Winkelmann. Er leitet bei der Berliner Amtsanwaltschaft die Abteilung, in der seit 2018 verbotene Rennen verfolgt werden. Neben den klassischen Beweismitteln könne sein Team immer häufiger auf digitale Fahrzeugund Navigationsdaten sowie Videoaufzeichnungen zurückgreifen, erklärt Winkelmann. Mithilfe eines sogenannten EDR, kurz für Event Data Recorder (deutsch: Ereignisdatenspeicher), können zudem die letzten fünf Sekunden einer Fahrt nachvollzogen werden. „So können wir verfolgen, wie tief das Gaspedal vor dem Auslösen des Airbags eingedrückt wurde, wir können das Bremsniveau ablesen und die Radrollgeschwindigkeit.“
Winkelmann schätzt, dass mit den Daten der kleinen Festplatte im Airbag-Steuergerät allein in Berlin Rennen oder Raser-Fahrten in 100 bis 120 Verfahren nachgewiesen werden konnten. Tendenz steigend. Denn ab 2022 müssen die Datenspeicher verbindlich in Neuwagen eingebaut werden.
Abschreckung und Strafe: Seit Oktober 2017 gelten illegale Autorennen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Seitdem kann die Teilnahme an einem Rennen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Der neue Paragraf 315d im Strafgesetzbuch sieht zudem bis zu zehn Jahre Gefängnisstrafe vor, wenn der Tod eines anderen Menschen durch ein „verbotenes Kraftfahrzeugrennen“verursacht wird. Außerdem werden beteiligte Autos an Ort und Stelle eingezogen. „Die Zahl von Autorennen nimmt trotz des härteren Gesetzes nicht ab, leider eher im Gegenteil“, sagt Winkelmann. „Und die Dunkelziffer ist unendlich hoch.“Das baden-württembergische Innenministerium sieht in der Maßnahme dennoch einen Nutzen: Andere Autofahrer reagierten wegen der tragischen Unfälle und Prozesse vergangener Jahre sensibler als früher und zeigten häufiger an.
Und das eingezogene Auto? Schmerzt auch kaum. „In rund 90 Prozent der Fälle gehört es gar nicht dem Täter“, sagt Winkelmann. Die teuren Sportwagen werden meist bei Autovermietungen oder CarsharingAnbietern geliehen.
Zeugen: „Das wichtigste Mittel ist nicht die Technik, sondern die Wahrnehmung der Bürginnen und Bürger sowie der Polizeibeamtinnen und -beamten“, sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums. Amtsanwalt Winkelmann ist davon nicht überzeugt: „Zeugenaussagen allein sind nicht immer ein sicherer Nachweis.“Die Anforderungen seien sehr hoch.
„Zeugen müssen sich Monate nach der Tat sehr exakt über das Fahrverhalten, über den Verlauf eines Rennens, die Geschwindigkeit, über Abstand, Licht- und Witterungsverhältnisse auslassen.“
Blitzer und Hindernisse: Häufig werden Blumenkübel auf dem Straßenstreifen oder mobile Blitzer als Maßnahme gefordert, etwa vom ADAC. Allerdings können Kübel oder stationäre Radargeräte auch als Hindernis für den Nervenkitzel im Rennen eingeplant werden. „Und wenn die Leute wissen, dass da ein Blitzer steht, ziehen sie sich halt eine Maske auf und werden nicht erkannt“, sagt Winkelmann.
Stufenführerscheine: Für viele Experten liegen Problem und Lösungsansatz bei der Zulassung. Nach ihrem Geschmack werden zu viele hochmotorisierte Fahrzeuge für die Straße zugelassen. Und was früher mit 100 bis 150 PS als hochmotorisiertes Fahrzeug galt, ist heute eher Durchschnitt. Außerdem wird es jungen Menschen nach Ansicht von Anwälten zu leicht gemacht, solche Geschosse zu fahren. „Da will keiner wissen, wie lange man den Führerschein schon hat oder wie alt man ist“, sagt der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, Thomas Wagner. Nicht nur die Polizei fordert die Einführung eines Stufenführerscheins, der von der Motorisierung der Fahrzeuge abhängt.