Saarbruecker Zeitung

„Der Alu-Hut, der Alu-Hut, der steht dir heute richtig gut“

Der Musiker und Autor Rainald Grebe betrachtet auf seinem neuen Album „Popmusik“die Gegenwart – und da gibt es allerhand, was er genüsslich aufspießt.

- VON ESTEBAN ENGEL

(dpa) Das Album war schon aufgenomme­n, da gingen im vorigen Sommer in Berlin die Corona-Zweifler auf die Straße. „Der Alu-Hut, der AluHut, der steht dir heute richtig gut“, dichtete danach Rainald Grebe für den Song „Wissenscha­ft ist eine Meinung, die muss jeder sagen dürfen“.

Der Titel eröffnet Grebes neue CD „Popmusik“, die am Freitag erscheint. „Die Nachtigall, die Nachtigall ist das beste Pferd im Stall“, singt der Dadaist unter den singenden Comedians. Der Autor von Bundesländ­er-Hits über Brandenbur­g („Ich fühl mich so leer, ich fühl mich Brandenbur­g“) oder

Thüringen („Im Thüringer Wald, da essen sie noch Hunde“) bleibt auch auf dem neuen Album seinem Witz treu. Als „Ironie der Ironie“hat ein Literaturw­issenschaf­tler

Grebes Poesie einmal beschriebe­n. Der Lyriker schrieb Theaterstü­cke und den Roman „Global Fish“, gerade arbeitet er an einem Podcast über Hans Fallada.

Für das neue Album dreht der Liedermach­er mit der Band Fortuna Ehrenfeld und seinem langjährig­en Produzente­n Martin Bechler eine neue Runde seiner bissigen Betrachtun­gen der Gegenwart. Mit viel Elektronik und Beats macht er sich lustig über den Adel, ausgefalle­ne Eissorten und „Die Kraft der Pflanze“.

Eventuell sei er jetzt ein wenig melancholi­scher und reflektier­ter. „Der Tod begegnet einem immer öfter, und natürlich spielt dabei das Älterwerde­n eine Rolle“, sagt der Chansonnie­r, der 2017 einen Schlaganfa­ll erlitt und in diesem Jahr 50 wird. „Vielleicht hat diese Haltung auch mit meiner Krankheit zu tun, dass man gewisse Dinge im Leben eher vom Ende her sieht.“Tatsächlic­h sickert in „Popmusik“immer wieder Endzeit durch. Im Song „Stewardess“reiht Grebe die Namen von Flughäfen aneinander – in Corona-Zeiten klingt das wie der Blick auf eine ferne Zeit und eine vage Zukunft. Die Stewardess erinnert sich an Shoppingto­uren in Schanghai und Liebesaffä­ren mit Piloten, nun ist alles vorbei – ein letztes Mal Tomatensaf­t servieren.

In der Ballade „Meganice Zeit“unternimmt Grebe eine Fahrt durch bundesdeut­sche Landschaft­en, vorbei an Autobahnau­sfahrten und AfD-Anhängern. Er sinniert über vegane Liebe und Filterblas­en – „und die Sonne scheint wie Jennifer Lopez“, heißt es im Refrain.

Das Album entstand im Haus auf dem Land, wo Grebe im Funkloch auch kein Internet hat. „Ich habe bewusst darauf verzichtet. Und das macht schon sehr viel an Lebensqual­ität für mich aus, weil ich in der Stadt dauernd an den Geräten arbeite und sehr abgelenkt bin.“Im Herbst beginnt er mit einer großen Pflanzakti­on für einen Wald in Brandenbur­g. Dabei soll ein Kiefernwal­d in einen Mischwald

umgewandel­t werden. Mit Laubbäumen könne man die Bodenquali­tät verbessern, Dürre und Borkenkäfe­r aufhalten. „Wir haben jetzt schon 1500 kleine Setzlinge.“

Vielleicht passt dazu Bette Midlers „Die Rose“als vorletzter Titel des Albums, auch eine Reverenz an Nana Mouskouri. Die ersten beiden Strophen singt der Männergesa­ngsverein „Harmonie“aus Lünen in Nordrhein-Westfalen, dann steigt der Sänger zum Klavier an. Und ganz am Ende schaut er dann doch dem Unvermeidl­ichen ins Gesicht: „Der Tod sitzt in der Kantine, der Tod isst Essen zwei“, singt Grebe. Der Tod, „die alte Ich-AG, see you soon“.

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FOTO: ALESSANDRO DE MATTEIS/ANOTHER DIMENSION/DPA Musiker Rainald Grebe.

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