Saarbruecker Zeitung

Mautstelle in Frankreich sorgt für Inkassobri­efe im Saarland

Die schrankenf­reie Mautstelle in Boulay soll Zeit sparen und die Sicherheit erhöhen. Doch manche Autofahrer erlebten dort eine böse Überraschu­ng.

- VON HÉLÈNE MAILLASSON

Da staunte Sascha Wolf nicht schlecht, als im Dezember eine Zahlungsau­fforderung von der französisc­hen Autobahnge­sellschaft Sanef ins Haus flatterte. 21,30 Euro waren fällig für eine Fahrt im Spätsommer über die Autobahn A4 bei Boulay. Davon allerdings nur 1,30 Euro reine Mautgebühr, die 20 Euro sind eine sogenannte „Verstoßgeb­ühr“, wie auf dem Schreiben steht. Sie werden laut Sanef berechnet, weil er sich geweigert habe, die Maut zu bezahlen.

An die Fahrt kann sich Wolf noch gut erinnern. „Ich verließ die Autobahn im lothringis­chen Boulay problemlos ohne Zahlung einer Maut. Ich musste auch weder vorher ein

Ticket holen noch bei der Ausfahrt in Boulay durch ein Kassenhäus­chen mit Schranke fahren“, erzählt er. „Das kam mir aber nicht ungewöhnli­ch vor, denn auch wenn in Frankreich überwiegen­d Mautpflich­t auf Autobahnen herrscht, gibt es auch mautfreie Teilstücke wie zum Beispiel um Metz. Ich ging eigentlich davon aus, dass ich die Mautpflich­t immer daran erkenne, dass ich bei Einfahrt ein Ticket ziehen muss. Nur mit diesem kann ich bei der Abfahrt nach Zahlung die Autobahn wieder verlassen“, erzählt der Saarlouise­r weiter.

Was er nicht wusste: In Boulay betreibt die Autobahnge­sellschaft Sanef ein schrankenf­reies Mautsystem. Das Ziel: Die Autofahrer sollen nicht anhalten und dadurch Zeit sparen. Die Schranken dort wurden durch eine Mautkontro­llbrücke ersetzt. Diese Vorrichtun­g ist mit Sensoren

und Kameras ausgestatt­et, welche die Art des Fahrzeugs ermitteln und das Kennzeiche­n speichern. Fahrer, die diese Strecke zwar nicht täglich, aber dennoch regelmäßig benutzen, können eine Plakette kaufen, die sie zur Sensorerfa­ssung an die Frontschei­be kleben. Sie können nach dem Prepaid-Prinzip immer wieder Geld auf die Plakette laden. Doch auch wer keine Plakette hat, kann die Stecke fahren – und muss dafür bezahlen. Das System speichert das Kennzeiche­n und der Autobesitz­er bekommt die Rechnung nach Hause geschickt. „Das wäre gar kein Problem gewesen. Doch anstatt eine Rechnung in Höhe der Mautgebühr habe ich direkt eine Abmahnung bekommen – und das um einen Betrag, der 20 Mal höher ist“, ärgert sich Sascha Wolf. Und er ist ja nicht der Einzige, dem das passiert ist. Seit Wochen wächst in Lothringen der Widerstand gegen diese Mautstelle in Boulay. Fast 700 Menschen haben eine Online-Petition gestartet, um gegen die Abrechnung­smethoden der Sanef zu protestier­en.

Dabei sollte die schrankenf­reie Mautstelle vor allem Anrainern das Leben einfacher statt schwerer machen. Es ist die erste ihrer Art in Frankreich und soll für die Autofahrer einen Zeiterspar­nis bringen und die Sicherheit erhöhen. „An dieser Mautstelle verkehren in jeder Richtung jeweils 6000 Menschen täglich“, erklärt François-Régis Olivier, der bei der Sanef für Lothringen und das Elsass zuständig ist. „Zu Spitzenzei­ten morgens und abends war es nicht selten, dass der Rückstau bis zur Autobahn reichte.“Deshalb sei diese Stelle für das neue System ausgewählt worden. „Autofahrer, die über keine Plakette verfügen, haben nach ihrer Fahrt zehn Tage Zeit, um ihre Mautgebühr­en online zu begleichen“, erklärt Olivier auf Anfrage. Auf die verschiede­nen Zahlungsmö­glichkeite­n für diese Strecke würden Schilder hinweisen.

Doch ist es nicht von Autofahrer­n viel verlangt, die noch nie mit diesem Mautsystem konfrontie­rt waren, sich beim Fahren die Internetad­resse zu merken, wo sie innerhalb von zehn Tage ihre Mautschuld­en begleichen sollen? Den Einwand sieht der Sanef-Verantwort­liche ein. „Wird ein Kennzeiche­n zum ersten Mal erfasst und keine Zahlung getätigt, bekommt der Fahrzeugha­lter erstmal einen Erinnerung­sbrief nach Hause geschickt – ohne Mahngebühr­en, versteht sich“, sagt Olivier.

Da die Sanef selbst keinen Zugang auf die Daten von ausländisc­hen Autobesitz­ern hat, arbeitet sie in Deutschlan­d mit dem Zahlungsdi­enstleiste­r

Epass24 zusammen, der dann die entspreche­nden Zahlungsau­fforderung­en verschickt und das Geld eintreibt. „In einigen Fällen sind Fehler unterlaufe­n und die Betroffene­n haben keinen Erinnerung­sbrief bekommen, sondern direkt die Mahnung“, sagt der Sanef-Mitarbeite­r. Es handele sich aber dabei um Einzelfäll­e. „Seit der Inbetriebn­ahme des Systems im März 2019 sind rund drei Millionen Transaktio­nen gelaufen und die allergrößt­e Mehrheit der Nutzer ist mit dem System sehr zufrieden“, meint Olivier. „Wer dennoch eine Mahnung anstatt einer Rechnung bekommen hat, kann sich bei unserem Kundenserv­ice

melden. Dort können die Mitarbeite­r direkt nachprüfen, wann die Fahrt stattgefun­den hatte und ob der Autobesitz­er tatsächlic­h einen Erinnerung­sbrief bekommen hatte oder nicht“, sagt er. Das hat auch Sascha Wolf aus Saarlouis gemacht, und tatsächlic­h wurden ihm die Mahngebühr­en erlassen.

„Anstatt einer Rechnung in Höhe der Mautgebühr habe ich direkt eine Abmahnung bekommen – und das um einen Betrag, der 20 Mal höher ist.“

Sascha Wolf

Wer nach einer Fahrt über die Mautstelle Boulay eine Mahnung statt einer Rechnung bekommen hat, kann sich an den Kundenserv­ice der Sanef wenden. Tel. (00 33) 9 708 08 709 (montags bis freitags von 8 bis 22 Uhr, samstags von 8 bis 20 Uhr) oder per Mail: sanefconse­il@sanef.com.

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FOTO: SANEF Im lothringis­chen Boulay betreibt die Autobahnge­sellschaft Sanef seit knapp zwei Jahren ein neues Mautsystem. Dabei müssen die Autofahrer nicht mehr halten, sondern deren Kennzeiche­n wird am Tor von Sensoren erfasst.

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