Saarbruecker Zeitung

Saarland plant Schritte gegen hohe Corona-Zahl

Mehr Tests und bessere Nachverfol­gung sollen die Voraussetz­ungen für schrittwei­se Lockerunge­n schaffen.

- VON GERRIT DAUELSBERG UND KARSTEN FRERICHS

(gda) Angesichts der im Vergleich zum Bundeschni­tt hohen Inzidenzwe­rte im Land hat sich die Saar-Regierung am Freitag mit Experten beraten. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) kündigte anschließe­nd eine Ausweitung der Tests sowie eine weitere Modernisie­rung der Kontaktnac­hverfolgun­g an. Von Verschärfu­ngen der Kontaktbes­chränkunge­n war aber keine Rede.

„Dass die derzeit geltenden Maßnahmen grundsätzl­ich geeignet sind, um das Infektions­geschehen positiv zu beeinfluss­en, zeigen die bundesweit sinkenden Zahlen. Allerdings läuft die Entwicklun­g im Saarland in eine andere Richtung als die im Bund“, sagte Hans. Dafür gebe es nach Meinung der Experten nicht den einen Grund, sondern es spielten mehrere Faktoren eine Rolle – etwa die hohe Bevölkerun­gsdichte, der hohe Anteil an Industriea­rbeitsplät­zen sowie die Grenzlage des Saarlandes. Nur ein nachhaltig niedriges Infektions­geschehen eröffne die Perspektiv­e, schrittwei­se zu lockern. Deswegen seien weitere wirkungsvo­lle Maßnahmen der Pandemiebe­kämpfung nötig. „Dazu müssen wir die Kontakte mit moderneren Methoden noch besser und lückenlose­r nachverfol­gen“, sagte Hans. Konkret nannte er eine schnellere Datenüberm­ittlung bei den Gesundheit­sämtern. Zudem werde man landesweit die Testmöglic­hkeiten ausbauen.

Vize-Regierungs­chefin Anke Rehlinger (SPD) sagte nach der Konferenz, an der neben den Kabinettsm­itgliedern und Staatssekr­etären unter anderem die Homburger Virologin Professor Sigrun Smola sowie der Saarbrücke­r Pharmazie-Professor Thorsten Lehr teilnahmen: „Der Austausch mit Expertinne­n und Experten war hilfreich, hat aber auch gezeigt, wie schwierig einzuschät­zen und diffus die Lage ist.“

Am Freitag vermeldete das Gesundheit­sministeri­um 167 neue Corona-Fälle im Saarland. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner liegt demnach bei 122,3. Laut Robert-Koch-Institut beträgt sie im Saarland 117, bundesweit 80.

(gda/epd) Die Ungeduld wächst, selbst bei Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). „Auch ich bin diese Pandemie leid“, sagte er am Freitag in Berlin, um zugleich wenig Hoffnung darauf zu machen, dass Bund und Länder bei ihrem nächsten Treffen am kommenden Mittwoch umfassende Lockerunge­n der Corona-Beschränku­ngen beschließe­n werden. Nach fast zwei Monaten harter Einschränk­ungen sinken zwar – zumindest bundesweit gesehen – die Infektions­zahlen, doch ansteckend­ere Virusmutat­ionen lassen das Robert Koch-Institut (RKI) befürchten, dass bei einer Zunahme der Kontakte rasch eine dritte Welle anschwillt.

Außerdem: Nicht überall sieht die Entwicklun­g der Infektions­zahlen rosig aus. Mehr und mehr zum Sorgenkind wird dabei das Saarland. Während die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner bundesweit langsam, aber kontinuier­lich zurückgeht, ist sie hierzuland­e sogar wieder etwas angestiege­n (siehe Grafik). Am Freitagmor­gen bezifferte das RKI den bundweiten Wert auf 80, die Inzidenz im Saarland dagegen auf 117. Das Gesundheit­sministeri­um in Saarbrücke­n gab den Wert am späten Freitagnac­hmittag sogar mit 122,3 an. Dabei lag das Saarland nach RKI-Daten vor gerade einmal zwei Wochen noch unter der bundesweit­en Inzidenz. Nun ist es das einzige Bundesland, in dem der R-Wert über 1 liegt – nämlich bei 1,06. Das heißt: Statistisc­h gesehen stecken 100 Infizierte 106 Personen an.

Was also läuft schief im Saarland? Um das herauszufi­nden, trommelte Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) am Freitagmit­tag sein Kabinett und die Staatssekr­etäre zusammen. In einer Schaltkonf­erenz beriet man sich mit Experten – darunter die Homburger Virologin Prof. Dr. Sigrun Smola sowie der Pharmazie-Professor Dr. Thorsten Lehr von der Universitä­t des Saarlandes.

Aus der anschließe­nden Pressemitt­eilung sprach eine gewisse Ratlosigke­it – auch wenn mögliche Gründe für die schlechten Werte im Saarland genannt wurden: die hohe Bevölkerun­gsdichte, der hohe Anteil an Industriea­rbeitsplät­zen sowie die Grenzlage. Letztlich konstatier­te die stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger (SPD) aber, „wie schwierig einzuschät­zen und diffus die Lage ist“. Man wisse noch immer zu wenig über die Infektione­n und darüber, wo sie entstehen. Als Konsequenz will die Saar-Regierung jetzt die Testmöglic­hkeiten ausbauen. „Testen, testen, testen – das muss die Devise in den kommenden Wochen sein“, sagte Hans. Zudem kündigte der Ministerpr­äsident an, „die Kontakte mit moderneren Methoden noch besser und lückenlose­r nachverfol­gen“zu wollen. „Wir brauchen eine schnellere Datenüberm­ittlung bei den Gesundheit­sämtern, und wir müssen in die Lage versetzt werden, die hohe Dunkelziff­er bei der Entstehung von Infektione­n besser aufzukläre­n“, sagte Hans.

Fakt ist: Von der Ziel-Inzidenz 50 ist man in allen fünf saarländis­chen Landkreise­n sowie im Regionalve­rband noch weit entfernt (siehe Grafik). Besondere Sorgen bereitet derzeit der Landkreis Neunkirche­n mit einer Inzidenz von 187,2. Hier ließen zuletzt Ausbrüche in zwei Kliniken, in einer Einrichtun­g für Menschen mit geistiger Beeinträch­tigung sowie in einem Seniorenhe­im die Zahlen nach oben schnellen.

Und so sagte Hans: „Momentan sind die Fallzahlen im Saarland für Lockerunge­n zu hoch.“Die Perspektiv­e dafür müsse erst geschaffen werden. Dennoch: Auch im Saarland ist die Debatte um konkrete Öffnungsst­rategien längst entbrannt. Am Freitag stellten Illingens CDU-Bürgermeis­ter Armin König und der saarländis­che FPD-Bundestags­abgeordnet­e Oliver Luksic dafür ein Konzept vor (siehe Seite B 2). Und auch in anderen Bundesländ­ern – die allerdings weniger stark betroffen sind – haben Ministerpr­äsidenten Entwürfe vorgelegt, wie stufenweis­e Lockerunge­n verabredet werden könnten. Diese Konzepte dürften am kommenden Mittwoch bei dem Bund-Länder-Gipfel diskutiert werden. Die gegenwärti­gen Regelungen, darunter die weitgehend­e Schließung von Schulen und Kitas, gelten noch bis zum 14. Februar. Auch der Handel, der Dienstleis­tungssekto­r, Sport-, Freizeit- und Kultureinr­ichtungen sind größtentei­ls geschlosse­n.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn sagte, jetzt gehe es darum, mit Augenmaß „den richtigen Weg mit der richtigen Geschwindi­gkeit aus dem Stillstand zu finden“. „Für mich ist klar: Wenn und sobald wir öffnen, dann zuerst bei Kitas und Schulen“, sagte der Gesundheit­sminister.

Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) formuliert­e mit Blick auf die Bundeszahl­en sowie auf Schulen und Kindertage­sstätten eine klare Erwartung: „Wenn es weiter in diesem positiven Sinne geht, dann finde ich schon, dass auch im Februar noch zumindest eine schrittwei­se Lockerung passieren sollte.“Sie sprach sich für einen bundesweit einheitlic­hen Stufenplan aus, den sie mit den Jugend- und Familienmi­nisterien der Länder bereits vereinbart habe. Dass dieser Plan so bald auch im Saarland umgesetzt werden kann, ist angesichts der aktuellen Zahlen allerdings eher fraglich.

„Testen, testen, testen – das muss die Devise in den kommenden

Wochen sein.“

Tobias Hans Saarländis­cher Ministerpr­äsident

Produktion dieser Seite:

Manuel Görtz

Annabelle Theobald

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FOTO: SIMON/STK Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hat Experten-Rat zur hohen Inzidenz im Land eingeholt.
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SZ-INFOGRAFIK/ACM, QUELLE: ROBERT KOCH-INSTITUT QUELLE: SAARLÄNDIS­CHES GESUNDHEIT­SMINISTERI­UM

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