Saarland plant Schritte gegen hohe Corona-Zahl
Mehr Tests und bessere Nachverfolgung sollen die Voraussetzungen für schrittweise Lockerungen schaffen.
(gda) Angesichts der im Vergleich zum Bundeschnitt hohen Inzidenzwerte im Land hat sich die Saar-Regierung am Freitag mit Experten beraten. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) kündigte anschließend eine Ausweitung der Tests sowie eine weitere Modernisierung der Kontaktnachverfolgung an. Von Verschärfungen der Kontaktbeschränkungen war aber keine Rede.
„Dass die derzeit geltenden Maßnahmen grundsätzlich geeignet sind, um das Infektionsgeschehen positiv zu beeinflussen, zeigen die bundesweit sinkenden Zahlen. Allerdings läuft die Entwicklung im Saarland in eine andere Richtung als die im Bund“, sagte Hans. Dafür gebe es nach Meinung der Experten nicht den einen Grund, sondern es spielten mehrere Faktoren eine Rolle – etwa die hohe Bevölkerungsdichte, der hohe Anteil an Industriearbeitsplätzen sowie die Grenzlage des Saarlandes. Nur ein nachhaltig niedriges Infektionsgeschehen eröffne die Perspektive, schrittweise zu lockern. Deswegen seien weitere wirkungsvolle Maßnahmen der Pandemiebekämpfung nötig. „Dazu müssen wir die Kontakte mit moderneren Methoden noch besser und lückenloser nachverfolgen“, sagte Hans. Konkret nannte er eine schnellere Datenübermittlung bei den Gesundheitsämtern. Zudem werde man landesweit die Testmöglichkeiten ausbauen.
Vize-Regierungschefin Anke Rehlinger (SPD) sagte nach der Konferenz, an der neben den Kabinettsmitgliedern und Staatssekretären unter anderem die Homburger Virologin Professor Sigrun Smola sowie der Saarbrücker Pharmazie-Professor Thorsten Lehr teilnahmen: „Der Austausch mit Expertinnen und Experten war hilfreich, hat aber auch gezeigt, wie schwierig einzuschätzen und diffus die Lage ist.“
Am Freitag vermeldete das Gesundheitsministerium 167 neue Corona-Fälle im Saarland. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner liegt demnach bei 122,3. Laut Robert-Koch-Institut beträgt sie im Saarland 117, bundesweit 80.
(gda/epd) Die Ungeduld wächst, selbst bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Auch ich bin diese Pandemie leid“, sagte er am Freitag in Berlin, um zugleich wenig Hoffnung darauf zu machen, dass Bund und Länder bei ihrem nächsten Treffen am kommenden Mittwoch umfassende Lockerungen der Corona-Beschränkungen beschließen werden. Nach fast zwei Monaten harter Einschränkungen sinken zwar – zumindest bundesweit gesehen – die Infektionszahlen, doch ansteckendere Virusmutationen lassen das Robert Koch-Institut (RKI) befürchten, dass bei einer Zunahme der Kontakte rasch eine dritte Welle anschwillt.
Außerdem: Nicht überall sieht die Entwicklung der Infektionszahlen rosig aus. Mehr und mehr zum Sorgenkind wird dabei das Saarland. Während die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100 000 Einwohner bundesweit langsam, aber kontinuierlich zurückgeht, ist sie hierzulande sogar wieder etwas angestiegen (siehe Grafik). Am Freitagmorgen bezifferte das RKI den bundweiten Wert auf 80, die Inzidenz im Saarland dagegen auf 117. Das Gesundheitsministerium in Saarbrücken gab den Wert am späten Freitagnachmittag sogar mit 122,3 an. Dabei lag das Saarland nach RKI-Daten vor gerade einmal zwei Wochen noch unter der bundesweiten Inzidenz. Nun ist es das einzige Bundesland, in dem der R-Wert über 1 liegt – nämlich bei 1,06. Das heißt: Statistisch gesehen stecken 100 Infizierte 106 Personen an.
Was also läuft schief im Saarland? Um das herauszufinden, trommelte Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Freitagmittag sein Kabinett und die Staatssekretäre zusammen. In einer Schaltkonferenz beriet man sich mit Experten – darunter die Homburger Virologin Prof. Dr. Sigrun Smola sowie der Pharmazie-Professor Dr. Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes.
Aus der anschließenden Pressemitteilung sprach eine gewisse Ratlosigkeit – auch wenn mögliche Gründe für die schlechten Werte im Saarland genannt wurden: die hohe Bevölkerungsdichte, der hohe Anteil an Industriearbeitsplätzen sowie die Grenzlage. Letztlich konstatierte die stellvertretende Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) aber, „wie schwierig einzuschätzen und diffus die Lage ist“. Man wisse noch immer zu wenig über die Infektionen und darüber, wo sie entstehen. Als Konsequenz will die Saar-Regierung jetzt die Testmöglichkeiten ausbauen. „Testen, testen, testen – das muss die Devise in den kommenden Wochen sein“, sagte Hans. Zudem kündigte der Ministerpräsident an, „die Kontakte mit moderneren Methoden noch besser und lückenloser nachverfolgen“zu wollen. „Wir brauchen eine schnellere Datenübermittlung bei den Gesundheitsämtern, und wir müssen in die Lage versetzt werden, die hohe Dunkelziffer bei der Entstehung von Infektionen besser aufzuklären“, sagte Hans.
Fakt ist: Von der Ziel-Inzidenz 50 ist man in allen fünf saarländischen Landkreisen sowie im Regionalverband noch weit entfernt (siehe Grafik). Besondere Sorgen bereitet derzeit der Landkreis Neunkirchen mit einer Inzidenz von 187,2. Hier ließen zuletzt Ausbrüche in zwei Kliniken, in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung sowie in einem Seniorenheim die Zahlen nach oben schnellen.
Und so sagte Hans: „Momentan sind die Fallzahlen im Saarland für Lockerungen zu hoch.“Die Perspektive dafür müsse erst geschaffen werden. Dennoch: Auch im Saarland ist die Debatte um konkrete Öffnungsstrategien längst entbrannt. Am Freitag stellten Illingens CDU-Bürgermeister Armin König und der saarländische FPD-Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic dafür ein Konzept vor (siehe Seite B 2). Und auch in anderen Bundesländern – die allerdings weniger stark betroffen sind – haben Ministerpräsidenten Entwürfe vorgelegt, wie stufenweise Lockerungen verabredet werden könnten. Diese Konzepte dürften am kommenden Mittwoch bei dem Bund-Länder-Gipfel diskutiert werden. Die gegenwärtigen Regelungen, darunter die weitgehende Schließung von Schulen und Kitas, gelten noch bis zum 14. Februar. Auch der Handel, der Dienstleistungssektor, Sport-, Freizeit- und Kultureinrichtungen sind größtenteils geschlossen.
Bundesgesundheitsminister Spahn sagte, jetzt gehe es darum, mit Augenmaß „den richtigen Weg mit der richtigen Geschwindigkeit aus dem Stillstand zu finden“. „Für mich ist klar: Wenn und sobald wir öffnen, dann zuerst bei Kitas und Schulen“, sagte der Gesundheitsminister.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) formulierte mit Blick auf die Bundeszahlen sowie auf Schulen und Kindertagesstätten eine klare Erwartung: „Wenn es weiter in diesem positiven Sinne geht, dann finde ich schon, dass auch im Februar noch zumindest eine schrittweise Lockerung passieren sollte.“Sie sprach sich für einen bundesweit einheitlichen Stufenplan aus, den sie mit den Jugend- und Familienministerien der Länder bereits vereinbart habe. Dass dieser Plan so bald auch im Saarland umgesetzt werden kann, ist angesichts der aktuellen Zahlen allerdings eher fraglich.
„Testen, testen, testen – das muss die Devise in den kommenden
Wochen sein.“
Tobias Hans Saarländischer Ministerpräsident
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Annabelle Theobald