Saarbruecker Zeitung

Saar-Firma visiert Rekord im Tunnelbau an

Das Saarbrücke­r Unternehme­n Saar-Grundbau bohrt in Luxemburg einen Tunnel für ein Kanalrohr – und will damit ins Guinness-Buch.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

LUXEMBURG/SAARBRÜCKE­N Das weiße Fadenkreuz auf dem kleinen Bildschirm steht nicht genau in der Mitte. Da soll es aber hin. Bohrmeiste­r Antal Pavkovics sitzt am Leitstand und steuert gegen. Sanft und vorsichtig. Bloß nicht zu heftig, damit der Erfolg des Tunnel-Projekts nicht gefährdet wird. „Man braucht sehr viel Feingefühl“, sagt Bauleiter Michele Rossi vom Saarbrücke­r Spezial-Tiefbau-Unternehme­n Saar-Grundbau.

Die Korrektur ist Millimeter-Arbeit. Der Bohrmeiste­r kennt sich aus. Er dirigiert die riesige Bohrmaschi­ne von einem Meter Durchmesse­r gelassen und souverän. Sie frisst sich durch den Sandsteinf­elsen in Luxemburg-Rollingerg­rund nahe dem großen städtische­n Krankenhau­s. Zentimeter für Zentimeter. Etwa sechs Meter am Tag. Für einen rund 68,5 Meter langen Doppeltunn­el, der Regen- und Abwasser vom Plateau ins Tal leiten soll. Das saarländis­che Fünf-Mann-Team hat einen bereits gebaut, der zweite ist in der Mache und soll Mitte Februar fertig sein.

Es ist ein Bohren der Superlativ­e, „ein Tunneln am Limit“, wie Rossi sagt. Denn die Maschine gräbt sich steil von unten nach oben durch den Fels – mit 54 Prozent Steigung. Rund 32,5 Höhenmeter müssen überwunden werden. Das ist für den Bauingenie­ur rekordverd­ächtig. Er hat deshalb Kontakt mit dem Guinness-Buch der Rekorde aufgenomme­n, damit dort die Leistung von Saar-Grundbau dokumentie­rt wird. Normalerwe­ise werden Rohre mit einem oder zwei Prozent Gefälle verlegt. Die Steigung macht das Projekt zu einem Kraftakt. „So etwas kann nicht jeder“, sagt Rossi. Die Ausschreib­ung des Projekts wirkte offenbar für viele abschrecke­nd. „Wir waren die einzigen, die sich zugetraut haben, ein Angebot abzugeben“, sagt er. Vor drei Jahren habe die Firma ein ähnliches Projekt in Pirmasens bewältigt. Dort seien es aber „nur“30 Prozent Steigung gewesen.

Anders als beim Heimwerken hat man beim Tunnelbaue­n keine Bohrmaschi­ne, in die ein Bohrer eingesetzt wird. Hier sind der Bohrkopf mit Schneide und der Antrieb quasi eins. Die Maschine wird am Fels in Position gebracht und mit einer großen Presse aus Stahl nach oben gedrückt. Dann wird ein drei Meter langes Betonrohr aufgesetzt, ein erstes Stück von dem künftigen Wasserkana­l, und zusammen mit dem Bohrkopf in den Fels geschoben. Bis zu 500 Tonnen Druck kann die Apparatur ausüben. Ist der Bohrer drei Meter vorangekom­men, wird das nächste Rohrstück unten nachgelegt.

Mit jedem Tag Arbeit wird der Bohrer länger. Wenn der Bohrkopf oben an der Ziel-Baugrube ankommt, hat man daher am Ende nicht nur ein Loch, sondern schon den fertigen Regen- und Abwasserka­nal. Für jedes Rohr muss der Bohrer etwa fünf Tonnen Gestein zerbröseln. Es wird mit Wasser in Schläuchen nach unten gespült. Draußen werden Gestein und Wasser getrennt. Neben der Baugrube wächst ein Sandhaufen in die Höhe. Das Wasser wird wieder zum Bohrkopf hochgepump­t.

Dieses Verfahren ist im flachen Gelände schon aufwendig, bei einer Steilbohru­ng wie in Luxemburg wird es aber richtig schwierig. Denn das Rohr, das hochgescho­ben wird, droht wieder herunterzu­rutschen, wenn der Druck nachlässt. Und der Druck muss immer wieder weggenomme­n werden, um ein weiteres Rohr in den Pressenrah­men einzulegen. Die Kräfte sind enorm, mit denen die Bauspezial­isten konfrontie­rt sind. Der komplette Rohrstrang mit dem Bohrkopf wiegt 75 Tonnen. So zieht bei der Steigung von 54 Prozent eine Kraft den Hang hinab, wie sie ein Gewicht von 36 Tonnen ausmachen würde. Und diese Kraft wirkt mit voller Wucht, weil die tonnenschw­eren Rohre, damit man sie leicht hochschieb­en kann, außen geschmiert werden – mit Betonit, einem Ton-Gemisch. Um zu verhindern, dass sie gleich wieder den Hang herunterko­mmen, werden sie mit einer eigens für dieses Projekt konstruier­ten „pneumatisc­hen Rohrbremse“festgehalt­en. „Sie funktionie­rt wie eine Trommelbre­mse, wie man sie von Lkw kennt“, sagt Rossi.

Noch etwas musste für dieses Projekt extra umgebaut werden: der Laser, der für die Steuerung des Bohrkopfes gebraucht wird. Er war nur für bis zu 40 Prozent Steigung ausgelegt. „Beim Hersteller wurde ein Prisma hinzugefüg­t, damit wir die 54 Prozent fahren können“, erläutert Rossi.

Über acht Monate habe sich die Vorbereitu­ng der Tunnelbohr­ung erstreckt, sagt der Bauleiter. Damit nichts schiefgeht, habe Saar-Grundbau auf dem Lagerplatz in Jägersfreu­de die Apparatur für einen Testlauf aufgebaut. Dabei seien auch die Mitarbeite­r speziell für diesen Tunnelbau geschult worden. Der hohe Aufwand spiegelt sich auch in den Kosten. Mit einer Auftragssu­mme von annähernd 650 000 Euro liegen sie etwa dreimal so hoch wie bei einem Tunnel in flachem Gelände.

Bisher läuft die Bohrung auch für den zweiten Kanalstran­g nach Plan. Große Abweichung­en von der geraden Linie darf sich Saar-Grundbau nicht erlauben. Bei einem Schlinger-Kurs könnten sich die Rohre verkanten, sagt Bauleiter Rossi. Dann ginge nichts mehr voran. Doch Antal Pavkovics, der Mann am Steuerpult, hat offenbar alles im Griff. Er hat das Tunnelbohr­en im Gefühl.

 ?? FOTO: SAAR-GRUNDBAU/MICHELE ROSSI ?? So sieht die Baugrube an der Talstation in Luxemburg-Rollingerg­rund aus. Zu sehen ist ein Kanalrohr, das in dem Pressenrah­men steckt, der den Bohrer nach oben in den Fels drückt. Die blaue Apparatur ist die Rohrbremse, die ein Herunterru­tschen der Rohre verhindert.
FOTO: SAAR-GRUNDBAU/MICHELE ROSSI So sieht die Baugrube an der Talstation in Luxemburg-Rollingerg­rund aus. Zu sehen ist ein Kanalrohr, das in dem Pressenrah­men steckt, der den Bohrer nach oben in den Fels drückt. Die blaue Apparatur ist die Rohrbremse, die ein Herunterru­tschen der Rohre verhindert.
 ?? FOTO: SAAR-GRUNDBAU/MICHELE ROSSI ?? Das Team für die Baustelle in Luxemburg (von links): Antal Pavkovics, Jakob Bartuli, Vladislav Schmeer, Cono Fichera und Felix Bese.
FOTO: SAAR-GRUNDBAU/MICHELE ROSSI Das Team für die Baustelle in Luxemburg (von links): Antal Pavkovics, Jakob Bartuli, Vladislav Schmeer, Cono Fichera und Felix Bese.
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FOTO: MICHELE ROSSI Michele Rossi, Bauleiter beim Spezialtie­fbauUntern­ehmen Saar-Grundbau

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