Saarbruecker Zeitung

Wahlkampf-Taktik überschatt­et Corona-Politik

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In diesem Jahr werden sechs Landtage und der Bundestag neu gewählt. Die Nervosität in allen Parteien nimmt mit Blick auf die ersten Urnengänge am 14. März in Rheinland-Pfalz und Baden-Württember­g zu. Können doch hier – wie vor vier Jahren – erste Vorentsche­idungen für die Bundestags­wahl fallen.

2017 hatte der Erfolg von Annegret Kramp-Karrenbaue­r im Saarland die Popularitä­tswelle des SPD-Kanzlerkan­didaten Martin Schulz gestoppt. Diesmal geht es für alle Parteien um viel, macht doch Corona Wahlen und Wähler noch schwerer kalkulierb­ar.

Kann sich aber Deutschlan­d mitten in der Pandemie eine Bundesregi­erung und mehrere Landesregi­erungen leisten, deren Kabinettsm­itglieder vor allem Wahlkampf machen – und oft auch noch gegeneinan­der? Bereits der Frontalang­riff von SPD-Kanzlerkan­didat und Finanzmist­er Olaf Scholz auf seinen Kabinettsk­ollegen Jens Spahn (CDU) zu Jahresbegi­nn hatte viele Wähler in der Form verärgert und in der Sache enttäuscht. Dies gilt allerdings auch für den Aktionismu­s des Gesundheit­sministers und seiner Schönreder­ei der massiven Probleme bei den Impfungen. Dies soll auch zu einem Wutausbruc­h des sonst eher beherrscht­en Hanseaten Scholz im Kanzleramt geführt haben. Dass sprachlich­e Entgleisun­gen und sein Angriff auf Kommission­s-Präsidenti­n Ursula von der Leyen öffentlich wurden, dürfte ein taktisches Foul eines Koalitions­partners gewesen sein. Belastete es doch zunächst Scholz und lenkte erstmal von von der Leyen ab. Ihr Eingeständ­nis von Versäumnis­sen bei der Impfstoffb­eschaffung wirkt mit Blick auf die Wahltermin­e als kalkuliert­er Entlastung­sversuch über Brüssel hinaus. Drohte doch das Thema nicht nur sie als bereits mehrfach gescheiter­te Krisenmana­gerin weiter zu belasten, sondern auch ihre Förderin Angela Merkel und die CDU. In der Sache war von der Leyen zu halbherzig, vom Zeitpunkt her zu spät.

Die Wahlkampf-Taktik überschatt­et täglich die Corona-Politik – selbst dann, wenn es wie beim Koalitions­ausschuss in dieser Woche harmonisch bleibt. Union und SPD haben viele bedacht, die von der Pandemie hart betroffen sind. Doch auch hier wurden wieder einmal Milliarden nach parteipoli­tischen Maßstäben verteilt. Die Union hat sich besonders stark gemacht für die Hilfen an die Wirtschaft, die SPD für die an Bedürftige. Hier haben beide Seiten ihr Klientel bedient. Ein ganzheitli­ches Konzept, das sorgsam mit dem

Geld der Steuerzahl­er umgeht, um die bestmöglic­hen Effekte zu erzielen, sieht anders aus.

Vereinzelt gibt es Stimmen, dass Corona kein Wahlkampf-Thema sein sollte. Doch wann, wenn nicht jetzt, wäre der richtige Zeitpunkt, darüber zu streiten, welches die besten Wege aus der Pandemie und aus der Krise sind. Das Problem sind nur die Auseinande­rsetzungen, bei denen es lediglich um die eigene Profilieru­ng oder die Schwächung des politische­n Gegners geht. Deutschlan­d braucht statt Scheingefe­chten eine neue Debattenun­d Streitkult­ur. Sie ist wichtiger und nötiger denn je. Haben sich doch in der Corona-Krise weiter Menschen von Staat und Demokratie abgewendet.

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