Schuldendebatte entzweit die Große Koalition
Union und SPD streiten über die Zukunft der Schuldenbremse und geben damit einen Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz gibt sich in diesen Tagen hinreichend vage, wenn es um die Haushaltspolitik nach der Bundestagswahl im September geht. Angesprochen auf ein mögliches erneutes Aussetzen der Schuldenbremse im kommenden Jahr sagte Scholz am Donnerstag: „Wir werden zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten mobilisieren müssen, wenn wir nicht ganz falsche Entscheidungen treffen wollen.“Dazu gehöre etwa, sozialstaatliche Infrastrukturen und Leistungen zu kürzen. „Wir sind froh, dass wir ein gutes Gesundheitswesen haben. Es wäre ja verdammt dumm, wenn wir das jetzt zusammenstreichen würden. Das werde ich in jedem Fall verhindern.“
Hinter diesen Sätzen verbirgt sich mehr, nämlich eine handfeste Auseinandersetzung über den künftigen finanz- und wirtschaftspolitischen Kurs einer neuen Bundesregierung, die Scholz gerne anführen würde. Die SPD und mit ihr die anderen linken Parteien des Spektrums sehen die Schuldenbremse als ein Hindernis bei der Bewältigung der Corona-Krise und der enormen Herausforderungen durch Klimawandel und Demografie. Sie wollen die Schuldenregel in der Verfassung mindestens reformieren, wenn nicht abschaffen, wie die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal. Die Union dagegen fürchtet um ihren Markenkern und will die Schuldenbremse über die schwere Zeit retten.
Der Vorstoß von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU), die Schuldenbremse durch eine Grundgesetzänderung für mehrere Jahre zu lockern, überschritt eine rote Linie bei den Konservativen. Braun wurde vom neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet zwar zurückgepfiffen, doch der Geist ist aus der Flasche: Die Union befindet sich im Abwehrkampf, die SPD in der Offensive bei der Schuldenbremse. Lässt sich eine gute Zukunft nur noch mit einem Dauer-Defizit finanzieren?
Die SPD meint Ja, die Union Nein. Oder wird eine gute Zukunft überhaupt nur durch die Beibehaltung der Schuldenbremse möglich sein? Die Union meint Ja, die SPD Nein.
Da die Steuereinnahmen auch noch 2022 und danach deutlich schlechter laufen werden als vor der Krise und der Staat den Aufschwung nach der Krise nicht durch Kürzungen oder Steuererhöhungen ersticken darf, ist schon absehbar, dass der Bund auch 2022 die Schuldenbremse nicht einhalten kann. Sie dürfte einfach ein weiteres Jahr ausgesetzt werden. Doch SPD, Grüne und Linke wollen mehr: die dauerhafte Reform. Sie fordern, Mittel für Investitionen nur noch mit Krediten zu finanzieren und sie aus der Schuldenregel herauszunehmen. Die Union hält dagegen, dass der Bund seine jährlichen Investitionen bereits deutlich gesteigert hat.
Eine Reform würde eine Grundgesetzänderung erfordern, für die Zwei-Drittel-Mehrheiten in beiden Parlamenten nötig sind und die sich jede Oppositionspartei, die mitstimmen müsste, teuer abkaufen ließe. Der Rat der Wirtschaftsweisen warnt deshalb vor dem Antasten der Regel und hatte im November einen Ausweg vorgeschlagen: Wie nach der Finanzkrise zwischen 2010 und 2016 könne auch jetzt wieder eine mehrjährige Übergangsphase eingeführt werden, in der das Defizit schrittweise wieder Richtung Null zurückgeführt werde. Das gehe ohne Grundgesetzänderung.
„Eine Lockerung der Schuldenbremse durch eine Grundgesetzänderung wäre ein großer Fehler. Die Schuldenbremse ist flexibel genug und sie bietet zudem der Finanzpolitik den nötigen Halt, um im Aufschwung den Pfad der Konsolidierung nicht zu verlassen“, sagt der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld. „Schulden sind nie kostenlos. Selbst bei einem negativen Zins, müssen Schulden irgendwann zurückgezahlt werden.“