„Wir mussten alle Toten identifizieren“
Zur Zeit des Grubenunglücks in Luisenthal war Gerd Turn in der Grubenwehr. Schreckensbilder quälen ihn bis heute.
An diesem Sonntag um 7.45 Uhr vor genau 59 Jahren kam es in Luisenthal zu einem der schwersten Grubenunglücke in der deutschen Geschichte. 299 Menschen starben und 73 wurden verletzt. Auch Gerd Turn hätte an jenem Morgen normalerweise Frühschicht im Alsbachfeld gehabt. „Ich bekam einen Tag vorher einen Weisheitszahn gezogen, und der Arzt hatte mir das Arbeiten verboten. Ich hatte großes Glück“, sagt Gerd Turn.
Damals wohnte er in Wehrden und morgens kam seine Oma aus Völklingen und sagte, dass irgendetwas Schlimmes passiert sein müsste, da überall die Sirenen gingen. „Wir haben das Radio angemacht, und da lief sehr schwere Musik. Das war schon ein Zeichen. Ich bin auf die Polizei gelaufen, und dort habe ich von dem Unglück erfahren. Mit einem Freund bin ich sofort nach Luisenthal gefahren“, erinnert sich der Elektriker, der in der Grube Kolonnenführer war und in der Grubenwehr Gerätewart.
In Luisenthal angekommen wurde er sofort vom Wehrführer zum Alsbachfeld geschickt. „Das war ein Abbaugebiet, das bis 660 Meter tief war und von Burbach bis Luisenthal ging. Als Elektriker war ich in dem ganzen Feld unterwegs und kannte jeden Winkel“, erzählt der heute 85-Jährige.
Grubengas hatte sich entzündet und im ganzen Alsbachfeld für eine riesige Explosion gesorgt. Die Ursache ist bis heute ungeklärt. Viele Rettungsteams waren im Einsatz, suchten nach Überlebenden und fanden viele Tote. „Wir haben Geräte gesehen, die mehrere hundert Kilo schwer waren und durch die Explosion durch die Gegend geschleudert wurden. Es war unglaublich, welche Kräfte da in wenigen Augenblicken gewirkt haben.“
Doch das war nicht alles, was Gerd Turn am 7. Februar 1962 sah. Bei der Suche nach Überlebenden kamen die Grubenwehrleute immer wieder an langen Bänken vorbei, auf denen die Toten saßen. „Die saßen alle nebeneinander – vielleicht 50 bis 70 Leute. Manche hatten den Mund weit aufgerissen, andere die Augen. Wir kannten sie alle. Es waren Arbeitskollegen, gute Bekannte und richtig gute Freunde dabei“,