EU-Grenzschutzagentur Frontex in der Kritik
Die EU-Staaten wollen die Außengrenzen Europas stärker schützen und bauen die Grenzschutzagentur Frontex massiv aus. Doch gegen die Behörde werden heftige Vorwürfe erhoben.
Als die Innenminister der EU-Mitgliedstaaten über die Zukunft der Grenzschutzagentur Frontex und ihren Ausbau zu entscheiden hatten, blieben sie überraschend zögerlich. Es gab keine ausreichende Mehrheit für die Aufstockung von rund 1000 auf 10 000 Grenzschützer. Und auch ein Mandat, mit dem sich die Spezialisten selbstständig und ohne dem Befehl des Einsatzlandes unterstellt zu sein, bewegen könnten, fehlt bis heute. Einen Zusammenhang mit den seit zwei Jahren zunehmenden Vorwürfen gegen die Agentur und ihren Direktor, Fabrice Leggeri, herzustellen, wäre nicht sauber. Und doch gibt es in Brüssel längst Stimmen, die offen fragen, ob man eine fragwürdig arbeitende EU-Organisation wirklich zu einer paramilitärischen Einheit ausbauen dürfe. Tatsächlich hat Leggeri bisher die gegen seine Leute erhobenen Vorwürfe nicht entkräften können. Von unmenschlichen Zurückweisungen einiger Flüchtlingsschiffe, bei denen Hilfesuchende ums Leben kamen, gibt es Protokolle. Das Mobbing scheint ebenso belegt wie die anhaltende Brüskierung der Grundrechtsbeauftragten. Nun kommen noch Anschuldigungen wegen geheimer Treffen mit Waffenherstellern dazu. Das ergibt unterm Strich kein Bild, das Vertrauen in eine mit dieser Aufgabe betrauten Agentur rechtfertigen würde.
Außengrenzschutz braucht sicherlich auch das Instrumentarium, um die Politik der EU-Mitgliedstaaten durchsetzen zu können. Aber es bleibt inakzeptabel, wenn die Grenzschützer dabei selbst zu Helfershelfern derer werden, die Asylsuchende zu einem Spielball politischer Interessen machen. Es hat mit Romantik nichts zu tun, wenn man von der Behörde verlangt, ihren Auftrag auf der Basis der humanen Werte der EU durchzuführen. Das Abdrängen von vollbesetzten Schiffen ist mit diesen Werten ebenso wenig vereinbar wie erklärungsbedürftige Treffen mit Herstellern von Wehrtechnik und Vertretern von Regierungen, die nicht für ihre friedliche Politik berühmt sind. Es ist also dringend nötig, dass die Mitliedstaaten, die EU-Kommission und das EU-Parlament aufräumen. Die Gemeinschaft braucht Frontex – und sie muss sich darauf verlassen können, dass dort das umgesetzt wird, was bisher nur in den Papieren steht.
Zur Ehrlichkeit gehört allerdings die Erkenntnis dazu, dass eine Behörde, die sich derart brachial gegen Migranten (und nicht nur die illegalen) durchsetzt, offenbar ins Kalkül einiger EU-Regierungen passt. In Athen hat die Führung unter Premier Kyriakos Mitsotakis die Pushbacks sogar mehr oder minder deutlich zur offiziellen Handlungslinie erklärt. Wer auf Protest aus anderen Hauptstädten, die sonst schnell auf die Werte der Union verweisen, gehofft hatte, wurde enttäuscht. Dabei muss bei allem Verständnis für die Probleme und die großen Lasten, die auf die Küstenstaaten abgeladen werden, klar bleiben, dass Europa kein unüberwindbares Bollwerk werden darf. Das Recht auf Asyl ist nicht verhandelbar. Es muss bewahrt und garantiert bleiben. Wer auch immer für Frontex arbeitet, hat sich an diese Regel zu halten. Und die Mitgliedstaaten sollten dies sicherstellen. Denn am Ende geht es um ihre Glaubwürdigkeit.