Saarbruecker Zeitung

Rote Klassiker neu verpackt prägen das Wahlprogra­mm

Die Parteivors­itzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger haben am Montag den Entwurf der Linken für die Bundestags­wahl vorgestell­t.

- VON STEFAN VETTER

Noch stehen nicht einmal die Namen der Spitzenkan­didaten fest, die die Linksparte­i in den Bundestags­wahlkampf führen sollen. Aber von den beiden Vorsitzend­en wurde ihnen schon mal ein inhaltlich­es Korsett angelegt. Und das, obwohl sie bald ausscheide­n. Am Montag stellten Katja Kipping und Bernd Riexinger ihren Entwurf für das Wahlprogra­mm vor. Größere Überraschu­ngen lassen sich in dem Papier trotz seiner 140 Seiten allerdings nicht entdecken. Unter der Überschrif­t „Zeit zu handeln. Für soziale Sicherheit, Frieden und Klimagerec­htigkeit“, bleibt man weitestgeh­end bei vertrauten Forderunge­n und Idealen.

Auffällig ist allenfalls, dass die Ökologie diesmal einen größeren Raum einnimmt als noch vor vier Jahren. Das dürfte auf Kipping zurückgehe­n. Sie möchte die Partei für ein jüngeres, städtisch geprägtes Publikum wählbarer machen, das sich eher von den Grünen angesproch­en fühlt. So soll zum Beispiel der Kohleausst­ieg laut Programmen­twurf schon bis 2030 vollzogen sein. Das geltende Kohlaussti­egsgesetz lässt einen Zeitraum bis 2038 zu. Außerdem soll der Strom bis 2035 komplett aus erneuerbar­en Energien kommen und die Wirtschaft bis 2040 komplett klimaneutr­al sein. Ehrgeizige­r sind die Grünen unter dem Strich auch nicht.

Kernpunkt der linken Programmat­ik bleibt aber das Soziale. Im Entwurf heißt es dazu: „Der soziale Zusammenha­lt bröckelt. Die Mehrheit der Menschen“verliere seit Jahren an Einkommen. Gegensteue­rn will die Linke hier mit ihrem Klassiker, einer „Mindestsic­herung“. Jedem soll demnach ein steuerfrei­es Mindestein­kommen von 1200 Euro im Monat zustehen. Egal, ob Rentner, Arbeitslos­er, Hartz-IV-Empfänger oder Student. Dazu soll auch der steuerfrei­e Grundfreib­etrag von jetzt 9408 Euro auf 14 400 Euro angehoben werden. Den Mindestloh­n möchte die Linke ebenfalls kräftig steigern, von jetzt 9,60 Euro auf 13 Euro pro Arbeitsstu­nde. Gefordert wird darüber hinaus eine sofortige Anhebung des Rentennive­aus auf 53 Prozent. Eine Durchschni­ttsrente würde dadurch um 104 Euro im Monat steigen. Zugleich plädiert die Linke für „harte Obergrenze­n“bei den Mieten nach dem Vorbild des Berliner Mietendeck­els. Sehr hohe Mieten müssten demnach sogar wieder abgesenkt werden. Nach den Vorstellun­gen Kippings und Riexingers soll sich auch die Arbeitswel­t grundsätzl­ich wandeln. Eine Vier-Tage-Arbeitswoc­he beziehungs­weise 30 Wochenstun­den sollen der neue Normalfall sein. Und unter dem Eindruck der Pandemie sollen Pflegekräf­te ihr Grundgehal­t pauschal um 500 Euro aufgestock­t bekommen. Finanziere­n will die Partei sämtliche Wohltaten durch eine breit angelegte Umverteilu­ng von oben nach unten. Von der Vermögensa­bgabe über eine Vermögenss­teuer bis hin zu einer erweiterte­n „Reichenste­uer“werden hier alle Register gezogen.

Auch die außenpolit­ischen Vorstellun­gen klingen altvertrau­t. Die Forderung nach „Auflösung der Nato“findet sich im Programmen­twurf genauso wieder wie die Ablehnung aller Auslandein­stätze der Bundeswehr. Damit erteilen Kipping und Riexinger auch jüngsten Forderunge­n aus dem Realo-Lager der Linken eine strikte Absage, sich wenigstens für militärisc­he Friedensmi­ssionen mit UN-Mandat zu öffnen.

Bis zur geplanten Verabschie­dung des Programms im Juni sind auch deshalb noch harte interne Debatten zu erwarten. Kipping und Riexinger werden dann allerdings nicht mehr im Amt sein. Beide hatten ihren Rückzug schon im vergangene­n Sommer angekündig­t. Auf einem virtuellen Parteitag Ende Februar soll eine neue Führung gewählt werden. Für eine künftige Regierungs­beteiligun­g der Linken sind die Chancen ohnehin eher bescheiden. Eine rotrot-grüne Mehrheit ist nicht in Sicht. Das aktuelle Bundestags­wahlprogra­mm wäre dann wie alle seine Vorgängerp­apiere kaum mehr als politische Fleißarbei­t gewesen.

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VON JUTRCZENKA/DPA ?? Höhere Renten, mehr Mindestloh­n: Die Linken-Spitze Bernd Riexinger und Katja Kipping hat ihr Programm zur Bundestags­wahl vorgelegt.
FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Höhere Renten, mehr Mindestloh­n: Die Linken-Spitze Bernd Riexinger und Katja Kipping hat ihr Programm zur Bundestags­wahl vorgelegt.

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