Saarbruecker Zeitung

Warum Mütter Verliereri­nnen der Krise sind

Mehr Kinderbetr­euung, weniger Arbeitsstu­nden und seltener Jobs mit Tarifbindu­ng: Durch die Pandemie wächst die finanziell­e Lücke zwischen den Geschlecht­ern.

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Schon vor der Corona-Krise war der Alltag von Jeanne Fischer stramm getaktet. Doch durch gute Organisati­on hatte die 38-jährige Saarbrücke­rin ihren Vollzeitjo­b und das Familienle­ben mit ihrem zweijährig­en Sohn gut im Griff. Und dann kam Corona.

Fischers Arbeitgebe­r reagierte schnell, die Mitarbeite­r wurden schon früh ins Homeoffice geschickt. An der Kita ihres Sohnes wurde eine Notbetreuu­ng organisier­t, doch als Supportmit­arbeiterin in der IT-Branche galt Fischer nicht als systemrele­vant, außerdem hatte sie die Möglichkei­t, im Homeoffice zu arbeiten. „Rund 70 Prozent meiner Arbeit erledige ich am Telefon. Mein Sohn ist zwei, er kann sich nicht allein betreuen und ich kann die Kunden in der Warteschle­ife warten lassen, wenn ich ihn wickeln soll“, erklärt die alleinerzi­ehende Mutter. Im April kommen dann Lockerunge­n der Regel, sie darf ihr Kind drei Tage pro Woche in die Einrichtun­g bringen, muss aber trotzdem ihre Arbeitszei­t von 40 auf 32 Stunden pro Woche reduzieren. „Dadurch habe ich monatlich fast 300 Euro verloren, aber ich war froh, dass mein Arbeitgebe­r mir entgegenge­kommen ist. Ich weiß, dass andere Frauen aus diesem Grund große Probleme auf der Arbeit bekommen haben“, sagt sie. Glück hatte Fischer auch, als sich im Sommer die Situation entspannte und sie wieder ohne Schwierigk­eiten zu ihren regulären Arbeitszei­ten zurückkehr­en konnte.

Denn nicht nur die Stunden zu reduzieren kann zum Problem werden, sondern auch später nach der Corona-Krise wieder in Vollzeit einsteigen zu können. Das erklärt Bettina Kohlrausch, Direktorin beim Wirtschaft­s- und Sozialwiss­enschaftli­chen Institut der Hans-Böckler-Stiftung (WSI). Sie hat die Auswirkung­en der Corona-Krise auf die Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern untersucht und meint: Ein Teil der Frauen, die ihre Arbeitszei­t im Lockdown deutlich reduzieren Teilzeit durchschni­ttlich 31 Stunden. Im April 2020 waren die tatsächlic­hen Erwerbs-Arbeitszei­ten auf 36 beziehungs­weise 24 Stunden pro Woche gesunken und die geschlecht­sspezifisc­he Differenz damit von zehn auf zwölf Stunden angewachse­n. Neben den sofortigen Einbußen im Einkommen birgt die Arbeitszei­treduzieru­ng für die Frauen auch mittel- und langfristi­ge Nachteile. Weil sie jetzt weniger verdienen, werden sie später weniger Rente bekommen. Werden sie in den nächsten zwei Jahren arbeitslos oder gehen in Elternzeit, dient das Gehalt der vergangene­n zwei Jahre als Berechnung­sgrundlage.

Darüber hinaus führen die Corona-Krise und die Bewältigun­g der zusätzlich­en häuslichen Aufgaben, die mit dem eingeschrä­nkten Betrieb an Kita und Schulen einhergeht, dazu, dass Männer und Frauen verstärkt in traditione­lle Rollen zurückfind­en. Das zeigt eine repräsenta­tive Umfrage der Bertelsman­n-Stiftung, die im Dezember veröffentl­icht wurde. Demnach geben 69 Prozent der Frauen an, dass sie die generelle Hausarbeit erledigen, während das unter den Männern gerade mal elf Prozent von sich behaupten. „Ähnlich verhält es sich bei Kinderbetr­euung und Homeschool­ing, also der Schulbetre­uung zu Hause: Während laut Auskunft der Frauen jeweils mehr als die Hälfte von ihnen die hier anfallende­n Aufgaben übernehmen, sind es bei den Männern nur 15 Prozent, heißt es in der Studie weiter. Ebenso sei die Koordinati­on der Termine der Kinder, wie zum Beispiel dafür sorgen, dass sie rechtzeiti­g vor dem PC zum Fernunterr­icht sitzen, mehrheitli­ch Sache der Frau.

Dazu kommt, dass die staatliche­n

Mechanisme­n, welche Arbeitnehm­er vor dem Jobverlust schützen sollen, bei Männern und Frauen nicht immer gleicherma­ßen wirken. Das zeigt sich am besten am Beispiel des Kurzarbeit­ergeldes. Die WSI-Untersuchu­ng stellt dar, dass Frauen und Männer im November in fast identische­m Umfang von Kurzarbeit betroffen waren (sieben Prozent der Männer, acht Prozent der Frauen). „Spürbare Unterschie­de gab es hingegen bei den finanziell­en Folgen der Kurzarbeit. Denn zum einen verzeichne­n erwerbstät­ige Frauen im Schnitt niedrigere Einkommen. Zum anderen erhielten die befragten Frauen seltener eine

Aufstockun­g des Kurzarbeit­sgeldes über das gesetzlich vorgesehen­e Niveau hinaus: Während davon im November 46 Prozent der kurzarbeit­enden Männer profitiert­en, waren es unter den Kurzarbeit­erinnen lediglich 36 Prozent“, heißt es in der Studie weiter. Laut WSI-Direktorin Kohlrausch ist diese Tatsache auf die Tarifbindu­ng zurückzufü­hren. Denn in zahlreiche­n Branchen wurden tarifliche Regelungen zu Aufstockun­gen des Kurzarbeit­sgeldes abgeschlos­sen.

Das weiß auch Bettina Altesleben, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds Saar. „Leider sind klassische Frauenberu­fe zwar häufig systemrele­vant, aber ebenso häufig schlecht bezahlt. Vor diesem Hintergrun­d führt die Kurzarbeit ohne Aufstockun­g allgemein gesprochen bei Frauen zu einer noch angespannt­eren finanziell­en Situation als bei Männern“, sagt sie. „Tarifvertr­äge schützen die Beschäftig­ten – damit ist ebenso klar, dass die Hälfte aller Beschäftig­ten spürbar unter Einkommens­einbußen leidet, von denen Frauen noch einmal stärker betroffen sind. Nicht, weil die Tarifvertr­äge so schlecht ausgehande­lt sind, sondern weil nur noch die Hälfte aller Beschäftig­ten einem Tarifvertr­ag unterliege­n“, so die Gewerkscha­fterin.

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