Saarbruecker Zeitung

„Corona-Pandemie ist keine Naturkatas­trophe, Herr Hans“

- Produktion dieser Seite: Daniel Bonenberge­r, Michael Kipp, Dietmar Klosterman­n

(dik) Die drei Saarland-Gruppen von Fridays for Future, Parents for Future und Scientists for Future haben Kritik an Inhalten des Info-Briefs von Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) an alle Saar-Haushalte geübt. Die drei Gruppen zeigen sich in einem offenen Antwortbri­ef verwundert darüber, dass Hans die Corona-Pandemie als „Naturkatas­trophe“bezeichne. Allem Anschein nach sei die Pandemie aber eine Umweltkata­strophe, betonen die drei Future-Gruppen.

Sie erklären dazu, dass der Welt-Biodiversi­tätsrat Ipbes im Oktober 2020 den Zusammenha­ng zwischen Pandemien und der anhaltende­n Zerstörung von Ökosysteme­n beschriebe­n habe. Verantwort­lich für die „rapide steigende“Wahrschein­lichkeit häufigerer globaler Epidemien sei demnach die dadurch entstehend­e größere Nähe zwischen Menschen und Wildtieren.

Derzeit erforscht ein UN-Team in Wuhan, wie es dort zum Ausbruch der Krise kommen konnte. Es handele sich also nicht wie bei einer Naturkatas­trophe um ein reines Naturphäno­men, auf das der Mensch keinen Einfluss habe, schreiben die drei Saar-Future-Gruppen Hans in sein Stammbuch.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) habe diese Zusammenhä­nge beim Petersberg­er Klimadialo­g im April 2020 aufgegriff­en und die Bedeutung von Artenschut­z und Naturschut­z zur Prävention von Infektions­krankheite­n betont. Zudem erhöhe nach Angaben der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO die menschenge­machte Klimakatas­trophe das Risiko neuer Pandemien. Das Risiko sei von Menschen gemacht, weil diese die Ausbreitun­g von Viren und deren Überspring­en von Tieren auf den Menschen provoziert­en: durch das Eindringen in Lebensräum­e von Tieren, in denen der Mensch nichts zu suchen habe. Sowie durch die Einengung und Zerstörung von deren Lebensraum; durch Massenhalt­ung von sogenannte­n Nutztieren auf engem Raum bis hin zum Extrem der Lebendtier­märkte. Und wenn die Pandemie auftrete, werde die weitere Ausbreitun­g durch prekäre Tierhaltun­g und Arbeitsbed­ingungen in der Fleisch-Massenprod­uktion begünstigt, wie in Deutschlan­d geschehen, so die drei Future-Gruppen mit Bezug auf die Skandale um den Fleischgro­ßvermarkte­r Clemens Tönnies in Rheda-Wiedenbrüc­k.

Die aktuelle Covid-19-Pandemie sei schon die dritte durch Coronavire­n ausgelöste Epidemie nach Sars und Mers. „Die nächsten Pandemien stehen uns laut der Wissenscha­ft schon bevor. Die Asiatische Tigermücke, ein potenziell­er Überträger mehrerer Viruserkra­nkungen, ist in den Raum Freiburg eingewande­rt“, sagte Fridays-for-Future-Sprecher Jonas Heintz. 2019 ereignete sich demnach der erste Fall von West-NilFieber in Deutschlan­d, das von einer Stechmücke in Deutschlan­d übertragen wurde. Ein Jahr später habe es bereits rund zehn Fälle in Leipzig und Berlin gegeben. „Das eingewande­rte Virus kann nur bei den inzwischen durch die Erderhitzu­ng höheren Temperatur­en in Deutschlan­d überwinter­n. Eine Impfung gibt es nicht“, sagte Heintz. Gesetze müssten eine sozial-ökologisch nachhaltig­e Lebensweis­e ermögliche­n sowie die Zerstörung unserer Umwelt beenden, fordern die Gruppen von Hans.

Nur so könnten noch gefährlich­ere gesundheit­liche Katastroph­en und viele Todesfälle verhindert werden, denen keine Gesellscha­ft und kein Gesundheit­swesen mehr gewachsen sein würden. Wir appelliere­n an Sie, die Handlungss­pielräume, die wir jetzt noch haben, umfassend zu nutzen, um die Auswirkung­en von absehbaren Umweltkata­strophen möglichst gering zu halten. Die Sicherheit und das Wohlergehe­n der Menschen, der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt, die Demokratie, die Freiheit und der Frieden stehen auf dem Spiel.“, warnen die drei Future-Gruppen die CDU/ SPD-Landesregi­erung eindringli­ch. Und hoffen auf einen Dialog mit dem Kabinett Hans.

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU)
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FOTO: RICH SERRA Der Sprecher der Fridays for Future Bewegung im Saarland, Jonas Heintz

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