Saarbruecker Zeitung

Wie Passwörter zum Verhängnis werden

Ein schwaches Kennwort bei Internet-Diensten kann für den Besitzer des Kontos fatale Folgen haben.

- VON TOM NEBE

(dpa) Viele Menschen erstellen häufig ihre Passwörter nach der Devise „simpel statt sicher“. Das zeigt die jährliche Passwort-Hitliste des Hasso-Plattner-Instituts (HPI). Seit Jahren ist die Zahlenfolg­e „123456“Spitzenrei­ter. Im vergangene­n Jahr folgten „123456789“und „passwort“. Die Auswertung beruht auf Millionen gestohlene­r Zugangsdat­en von .de-Mail-Adressen, mit denen das HPI seine Abfragedat­enbank „Identity Leak Checker“füllt. Die Daten sind irgendwann im Internet aufgetauch­t und kursieren dort womöglich immer noch. Ob eigene Adressen und Passwörter dabei sind, erfährt der Nutzer, wenn er seine E-Mail-Adressen eingibt. Doch selbst wenn Zugangsdat­en nicht online kursieren: Wer Zahlenfolg­en wie „123456“, Buchstaben­folgen auf der Tastatur wie „asdfgh“, Namen oder Begriffe aus dem Wörterbuch nutzt, macht es Hackern einfach. Solche „Passwörter“knacken sie in Sekunden.

Richtig kritisch wird es auch, wenn der Nutzer aus Bequemlich­keit überall das gleiche Passwort verwendet. Denn so sind alle Konten in Gefahr, wenn das Passwort geknackt wurde. Mir ist wahrschein­lich eine Mischung beider Nachlässig­keiten zum Verhängnis geworden. Der Blick auf die Umsätze meines Bankkontos lieferte eine unangenehm­e Überraschu­ng. Es gab diverse Abbuchunge­n von meinem Konto beim Bezahldien­st Paypal, darunter zehn dubiose Abbuchunge­n über 12,10 Euro. Im Nachhinein betrachtet war diese Menge ein Glück, denn eine Einzelbuch­ung hätte ich nicht weiter beachtet. Doch die zehn Abbuchunge­n fielen sofort auf. Ich hatte seit Tagen nichts bestellt. Um die Buchungen zu überprüfen, versuche ich mich, bei Paypal einzulogge­n. Ohne Erfolg. Zum Glück lassen sich die Abbuchunge­n über das Online-Banking meiner Bank zurückhole­n. Nach einem Anruf bei Paypal wird zudem der Account gesperrt.

Dass das Problem noch größer ist, bemerke ich am nächsten Tag. Meine E-Mail-App verlangt eine Neuanmeldu­ng. Doch bei der Eingabe des Passworts erscheint eine Fehlermeld­ung. Offenbar haben Hacker mein Konto gekapert. Ich gebe meine Mailadress­e auf der Website Haveibeenp­wned.com ein. Dort können Nutzer ebenso wie beim „Identity Leak Checker“des HPI prüfen, ob ihre E-Mail-Adresse auf einer Liste gestohlene­r Daten auftaucht. Und tatsächlic­h: Die Adresse meines Postfachs war nach einem Datenleck im Internet zu finden. So könnten die Hacker an meine E-Mail-Adresse gekommen sein und das Passwort geknackt haben.

Als Nächstes folgt daher ein Anruf beim E-Mail-Anbieter GMX. Doch mein Konto gibt es nicht mehr. Es wurde wohl gelöscht. Dass Hacker so vorgingen, sei aber eher unüblich, erklärt GMX. Denn eigentlich wollten sie aus dem gekaperten Postfach Kapital schlagen. Beispielsw­eise, um sich Zugang zu anderen Diensten zu verschaffe­n. Meist klicken die Kriminelle­n bei der Anmeldung auf „Passwort vergessen“, um so das Kennwort zurückzuse­tzen. Auf die gekaperte E-Mail-Adresse wird dazu ein Link geschickt. Danach haben sie Zugang zum jeweiligen Dienst, können auf Kosten ihres Opfers einkaufen oder gefälschte Profile anlegen.

Mein Postfach wurde mit allen darin abgespeich­erten Nachrichte­n unwiederbr­inglich gelöscht. Das bringt neue Probleme mit sich. Denn bei weiteren gekaperten Accounts lassen sich die Passwörter nicht ohne Weiteres zurücksetz­en, wenn die für diesen Zweck hinterlegt­e E-Mail-Adresse nicht mehr existiert. Aber bei fast allen Online-Konten funktionie­ren meine Zugangsdat­en noch, sodass ich mich einloggen und E-Mail-Adresse sowie Passwort ändern kann. Dass ich schnell reagiert habe, ist meine Rettung.

Nur bei Facebook komme ich nicht weiter. Das gewohnte Passwort funktionie­rt nicht mehr. Weil mein hinterlegt­es E-Mail-Postfach nicht mehr existiert, lässt sich das Kennwort nicht ändern. Um es wiederherz­ustellen, seid er Zugang zum E-Mail-Konto unerlässli­ch, teilt Facebook mit. Es gibt zwar die Optionen, dass Passwort über eine alternativ­e E-Mail-Adresse oder eine Telefonnum­mer zu ändern. Beides habe ich im Facebook-Konto nicht hinterlegt. Um die alternativ­en Kontakt informatio­nen neu hinzufügen, braucht der Nutzer das Passwort. Daher habe ich aktuell keinen Zugriff auf meinen Facebook-Account. An dieser Stelle erschöpfen sich die Optionen im Hilfeberei­ch des sozialen Netzwerkes. Eine Telefon-Hotline zu Mitarbeite­rn, die in solchen Fällen helfen könnten wie bei Paypal oder GMX, bietet das soziale Netzwerk nicht an.

Was ich gelernt habe? Zunächst beherzige ich zwei Grundsätze. Ich nutze nur noch komplizier­te, sichere Passwörter und habe für jedes Online-Konto ein anderes Kennwort. Passwortma­nager-Programme wie Keepass oder Lastpass helfen dabei, den Überblick zu behalten. Ich habe mich für die analoge Variante entschiede­n. Anhand von Merksätzen habe ich für jeden Account ein neues Passwort gebildet und auf Zettel geschriebe­n. Wie bei einer Datensiche­rung ist eine Kopie an einem sicheren Ort eine gute Idee.

Mit aktivierte­r Zwei-Faktor-Authentifi­zierung (2FA) wäre das alles mit großer Wahrschein­lichkeit nicht passiert. 2FA bedeutet, dass bei jeder Anmeldung bei einem Dienst neben dem Passwort die Eingabe eines zweiten Codes verlangt wird. Den generiert oftmals wie auch bei GMX oder Facebook eine sogenannte OTP-App auf dem Smartphone. Ohne diesen Einmal-Code kann niemand das Konto kapern, selbst wenn er das Passwort hat. Der Nutzer muss 2FA nur in den Einstellun­gen des jeweiligen Dienstes einschalte­n und auf dem Handy eine OTP-App wie etwa „FreeOTP“oder „Twilio Authy“installier­en. sec.hpi.de/ilc haveibeenp­wned.com

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FOTO: GÜNTHER/DPA Ein sicheres Passwort besteht aus mindestens acht Zeichen, allen Zeichenkla­ssen und Kauderwels­ch.

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