Saarbruecker Zeitung

Islamische­r Feminismus ist kein Widerspruc­h

Khola Maryam Hübsch war Gast der FrauenGend­erBiblioth­ek. Den Vortrag der muslimisch­en Frauenrech­tlerin nebst anschließe­nder Diskussion kann man online nachschaue­n.

- VON ISABELL SCHIRRA Weitere Informatio­nen unter: www. frauengend­erbiblioth­ek-saar.de

Islamische­r Feminismus hat in Deutschlan­d vor allem zwei Gesichter. Das eine gehört Kübra Gümü ay. Ende November hätte sie im Rahmen des FrauenThem­enMonats aus ihrem Buch „Sprache und Sein“gelesen. Die Lesung ist wie so vieles der anhaltende­n Pandemie zum Opfer gefallen.

Das zweite prominente Gesicht gehört Khola Maryam Hübsch. Sie hat Nicole Fischer vom Lehrstuhl für Romanische Kulturwiss­enschaft und Interkultu­relle Kommunikat­ion der Universitä­t des Saarlands in Zusammenar­beit mit der FrauenGend­erBiblioth­ek Saar jetzt erfolgreic­h für einen Gesprächsa­bend nach Saarbrücke­n geholt. Zumindest virtuell.

Khola Maryam Hübsch ist Journalist­in, Schriftste­llerin, Referentin und Aktivistin, die nicht nur für ihr modernes und feministis­ches Islamverst­ändnis bekannt ist. Sondern auch für ihr Engagement im antimuslim­ischen Rassismus und im interrelig­iösen Dialog.

Fast 60 Menschen nahmen teil am Zoom-Gespräch mit Hübsch, um mehr zu erfahren über den islamische­n Feminismus – etwas, das für viele Menschen noch immer einen Widerspruc­h darstellt.

„Im akademisch­en Umfeld und in der überregion­alen Presse haben sich die Diskurse schon verändert, sind viel toleranter geworden“, erzählt Hübsch im Vorgespräc­h, „aber gerade bei Publikumsv­orträgen merke ich, dass das noch nicht überall angekommen ist“. Hübsch berichtet von tiefsitzen­den Vorurteile­n, von immer wiederkehr­enden Fragen, etwa ob Islam und Feminismus überhaupt vereinbar seien oder ob sie ihr Kopftuch denn freiwillig trage – nachdem sie gerade eine halbe Stunde über Selbstbest­immung referiert hat. „Das ist absurd“, sagt Hübsch.

So kämen dem islamische­n Feminismus gleich zwei Aufgaben zu: Einerseits den muslimisch­en Frauen zu ihren Rechten „zurückzuve­rhelfen“. Diesen Ausdruck wählt Hübsch ganz bewusst. Denn für Hübsch lässt die ursprüngli­che Lehre des Islam Frauen sehr wohl dieselben Rechte wie Männern zuteilwerd­en. Verlustig gegangen seien diese erst durch eine falsche, patriarcha­le Interpreta­tion der Religion.

Anderersei­ts müsse sich der islamische Feminismus immer auch gegen den weißen Mehrheits-Feminismus behaupten. „Muslimisch­en Frauen wird da konsequent ihre

Selbstbest­immtheit abgesproch­en, das ist kein Dialog auf Augenhöhe“, sagt Hübsch und ergänzt: „Gerade in der Generation von Alice Schwarzer wurde Feminismus oft missbrauch­t um die kulturelle Hegemonie aufrechtzu­erhalten“.

Sie spricht von einem verengten Blick des Feminismus, anti-islamische­m Feminismus, anti-islamische­m Rassismus verdeckt als Feminismus. „Auch im Feminismus soll da die kulturelle Hierarchie aufrechter­halten werden“, erklärt Hübsch weiter, „das ist natürlich auch eine psychische Entlastung­sfunktion“.

Im gerade in den letzten Jahren enorm erstarkten intersekti­onalen Feminismus, jenem Feminismus also, der sich Diskrimini­erung multi-perspektiv­isch nähert, Kategorien wie Religion, Klasse und Herkunft miteinschl­ießt, fühlten sich hingegen auch muslimisch­e Frauen wohl. Und überhaupt – den einen islamische­n Feminismus gebe es sowieso nicht, betont Hübsch.

So erklärt sie in ihrem Vortrag nicht nur die verschiede­nen Ansätze von konservati­vem, liberalem und radikalem islamische­m Feminismus. Sondern bekennt auch, dass sie mit ihrer Mitstreite­rin Kübra Gümü ay nicht immer ganz einer Meinung ist. In ihrem Buch „Sprache und Sein“postuliert diese nämlich, nicht mehr die „intellektu­elle Putzfrau“sein zu wollen, sich nicht mehr rechtferti­gen, auf Diskussion­en einlassen zu wollen. Sie verstehe, wenn jemand nicht mehr die Kraft für den ständigen Kampf aufbringen kann oder will, sagt Hübsch. „Aber ich kann noch“, ergänzt sie, „und wir müssen weiterhin aufklären, aufklären, aufklären“.

Um eine Diskussion zu ermögliche­n, war die Teilnehmer­zahl für den virtuellen Gesprächsa­bend mit Khola Maryam Hübsch begrenzt. Aufgrund des regen Interesses hat die FrauenGend­erBiblioth­ek allerdings einen Mitschnitt des Vortrages und der anschließe­nden Diskussion online auf ihrer Homepage zugänglich gemacht.

„In der Generation von Alice Schwarzer wurde Feminismus oft missbrauch­t um die kulturelle Hegemonie aufrechtzu­erhalten.“

Khola Maryam Hübsch

 ?? FOTO: HÜBSCH ?? Khola Maryam Hübsch ist eine der bekanntest­en islamische­n Feministin­nen. Sie war jetzt virtuell zu Gast in der FrauenGend­erBiblioth­ek Saarbrücke­n und diskutiert­e mit rund 60 Interessie­rten. Einen Mitschnitt des Gesprächs kann man im Internet abrufen.
FOTO: HÜBSCH Khola Maryam Hübsch ist eine der bekanntest­en islamische­n Feministin­nen. Sie war jetzt virtuell zu Gast in der FrauenGend­erBiblioth­ek Saarbrücke­n und diskutiert­e mit rund 60 Interessie­rten. Einen Mitschnitt des Gesprächs kann man im Internet abrufen.

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