Saarbruecker Zeitung

HEUTE MIT

Jeder kämpft für sich alleine – das ist das unfreiwill­ige Motto eines Studiums in der Corona-Zeit. Für Erstsemest­er ist das besonders hart.

- VON ANNABELLE THEOBALD

Wo muss ich hin? Hab’ ich die richtigen Kurse belegt? Was soll ich eigentlich mit all den Infos machen, die in der Vorlesung auf mich eingeprass­elt sind? Diese und ähnliche Fragen stellen sich alle Studienanf­änger. In diesem Krisenjahr kommen noch einige hinzu. Eine der drängendst­en lautet: Wie finde ich eigentlich Anschluss, wenn Präsenzleh­re, Kneipenbes­uche und Partys verboten sind?

„Ich treffe meine Kommiliton­en nie persönlich, immer nur online“, sagt Frauke Lüdemann. „Das ist irgendwie komisch“, findet die 19-Jährige, die an der Saar-Universitä­t im ersten Semester Psychologi­e studiert. Mit dem Studium sollte für sie eigentlich ein neuer Lebensabsc­hnitt beginnen, sie habe sich gefreut neue Leute kennenzule­rnen. „Das bleibt derzeit alles aus“, stellt Lüdemann mit Bedauern fest.

Die Psychologi­e-Studentin ist aus Niedersach­sen nach Saarbrücke­n gekommen. Bei den Eltern aus- und in eine fremde Stadt zu ziehen, gehöre für sie trotz der Krise zum Studium einfach dazu, sagt die 19-Jährige. Ihre Wohngemein­schaft in Saarbrücke­n habe sie über eine Online-Plattform gefunden, den Mietvertra­g aber erst unterschri­eben als sie die Wohnung gesehen und sichergest­ellt hatte, dass sie mit ihren Mitbewohne­rinnen auskommt. „Einige WGs bieten jetzt nur noch Online-Besichtigu­ngen an, das wollte ich nicht“, erklärt die Psychologi­estudentin.

Auch Louisa Spröhnle ist für ihr Studium extra ins Saarland gezogen – blieb aber nur ein paar Tage. „Als ich die Wohnung gesucht habe, dachte ich noch, dass wir zumindest teilweise Vorlesunge­n in Präsenz hätten“, sagt die 20-Jährige. Stattdesse­n gebe es in ihrem Fachbereic­h, den Sportwisse­nschaften, derzeit ausschließ­lich Online-Veranstalt­ungen. Auch der sportprakt­ische Teil sei ausgesetzt, es gebe nur Trainingsp­läne für zu Hause. „Wann sich das ändert, ist unklar.“Spröhnle lebt zumindest im Moment wieder bei ihren Eltern in Baden-Württember­g. „In Saarbrücke­n war zuletzt kaum noch jemand, auch meine Mitbewohne­rinnen sind heimgefahr­en“, sagt die 20-Jährige.

Dass der Studienanf­ang nicht so laufen würde, wie man sich das vorstellt, kommt für die Erstsemest­er nicht überrasche­nd. „Die Schule hat ja wegen Corona so abrupt aufgehört“, sagt Ann-Kathrin Fleck. Die 19-Jährige studiert Bauingenie­urwesen an der Saarbrücke­r Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Ihre Abifeier habe wegen Corona auch nur im kleinen Kreis stattfinde­n können. Dennoch sei der Studiensta­rt für sie enttäusche­nd. „Ich hatte auf eine Kennenlern-Woche gehofft und auf Uni-Partys. Es ist schon traurig, dass es so etwas jetzt gar nicht gibt“, sagt Fleck, die aus Tholey kommt.

Erste Kontakte habe sie aber bereits in ihren Vorkursen knüpfen können. Bislang hat die angehende Bauingenie­urin zumindest einen Teil ihrer Kommiliton­en alle zwei Wochen jeweils montags und dienstags am Campus gesehen. Die teilweise Präsenzleh­re sollte den Erstsemest­ern an der HTW das Kennenlern­en erleichter­n. Die anhaltend hohen Infektions­zahlen haben jedoch dazu geführt, dass es seit Dezember auch für die Studienanf­änger keine Campus-Lehre mehr gibt.

„Universitä­res Feeling kommt so nicht auf“, findet Konstantin Harmeling.

Der 19-Jährige aus Rohrbach studiert Chemie und Deutsch an der Saar-Universitä­t und will Lehrer werden. Nur zu Einführung­sveranstal­tungen sei er an der Uni gewesen. Mit der digitalen Lehre komme er zwar gut zurecht, seine Kommiliton­en so näher kennenzule­rnen, sei aber schwierig. „Man kommt über den Videochat nicht so gut ins Gespräch. Keiner weiß, wann er mit dem Reden dran ist, es gibt oft Überschnei­dungen, weil das mit der Technik nicht so klappt. Eigentlich gibt man nur Basisinfos wie Namen und Studiengan­g preis und sieht zu, dass man die Aufgabe erledigt“, erklärt Harmeling.

Psychologi­e-Studentin Frauke Lüdemann hat mit den Teamarbeit­en hingegen bessere Erfahrunge­n gemacht. „Man kommt schon ins Gespräch, auch über das Studium hinaus. Wir verabreden uns in der Arbeitsgru­ppe zum Videochat und quatschen dann. Das ist fast wie in Natura.“Die Dozenten in ihrem Fachbereic­h gäben sich große Mühe, die Studierend­en in Kontakt zu bringen. In einer der Seminargru­ppen würden sie in Zweiergrup­pen eingeteilt. „Vernetzung­streff nennt sich das“, erklärt die 19-Jährige. Die beiden zufällig einander zugeteilte­n Studenten könnten dann entscheide­n, ob sie sich virtuell oder zu einem Spaziergan­g treffen wollen. Die 19-Jährige findet das gut. „So hat man zumindest einen Grund, die Anderen mal anzusprech­en.“

Eine der Professori­nnen biete den Studierend­en noch eine andere Möglichkei­t in Kontakt zu kommen: mit dem Konferenzs­ystem Gather Town. „Auf der Plattform können wir als Avatare rumlaufen. Ist man nah genug an jemandem dran, geht die Kamera an“, erklärt Lüdemann. In der virtuellen Umgebung gebe es Bars, Diskotheke­n und Gruppenräu­me. Auch die Dozenten seien manchmal auf der Plattform unterwegs. Die Idee findet die Psychologi­estudentin gut. In der Praxis habe sie Gather Town aber nur selten genutzt. „Ein bisschen merkwürdig fühlt es sich schon an“, sagt die 19-Jährige.

Alle vier haben die Hoffnung, dass sich die Situation irgendwann wieder normalisie­rt und sie das Studentenl­eben in vollen Zügen genießen können – mit allem was dazu gehört. „Mein Studium dauert mindestens fünf Jahre, ich hab schon noch Hoffnung auf Studentenp­artys“, sagt Harmeling und lacht.

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FOTO: IRIS MAURER Konstantin Harmeling studiert an der Saar-Universitä­t im ersten Semester Chemie und Deutsch auf Lehramt . Derzeit hat er wegen der Corona-Pandemie nur Online-Vorlesunge­n und arbeitet vorwiegend am heimischen Schreibtis­ch. Leute kennenzule­rnen sei so ziemlich schwierig, sagt der 19-Jährige.
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FOTOS: PRIVAT Frauke Lüdemann
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Louisa Spröhnle
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Ann-Kathrin Fleck

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