Saarbruecker Zeitung

Bund und Länder setzen Lockdown bis 7. März fort

In der Corona-Krise gibt es vorerst keine Lockerunge­n – Friseure dürfen aber etwas früher öffnen. Über die Schulen entscheide­t jedes Land selbst.

- VON KERSTIN MÜNSTERMAN­N FOTO: MICHAEL SOHN/POOL AP/DPA

(dpa/gö) Der bis Mitte Februar befristete Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschlan­d soll weitgehend bis zum 7. März verlängert werden. Eine Ausnahme bilden Friseure, die bei strikter Einhaltung von Hygieneauf­lagen bereits am 1. März wieder aufmachen dürfen. Das haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchef­s am Mittwoch bei ihren Beratungen über das weitere Vorgehen in der Pandemie beschlosse­n.

Bund und Länder verweisen in ihrem Beschluss auf die sich besonders schnell ausbreiten­den Virusmutat­ionen. Diese erforderte­n erhebliche zusätzlich­e Anstrengun­gen, um die Infektions­zahlen wieder zu senken. „Daher müssen die Kontaktbes­chränkunge­n

in den nächsten Wochen grundsätzl­ich beibehalte­n werden.“Auch die bestehende­n anderen Beschlüsse wie etwa die Schließung eines Großteils des Einzelhand­els, von Restaurant­s, Kneipen, Museen und Theatern sollen weiter gültig bleiben.

Einen nächsten größeren Öffnungssc­hritt soll es erst bei einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 Neuinfekti­onen je 100 000 Einwohner geben. Dann sollen der Einzelhand­el, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahe­n Dienstleis­tungen wieder aufmachen können.

Schulen und Kitas sollen als Erstes schrittwei­se wieder geöffnet werden. „Die Länder entscheide­n im Rahmen ihrer Kultushohe­it über die schrittwei­se Rückkehr zum Präsenzunt­erricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertage­sbetreuung“, heißt es im Bund-Länder-Papier.

Der Vorsitzend­e des Saarländis­chen Philologen­verbandes, Marcus Hahn, begrüßte den Beschluss, den Ländern die Entscheidu­ng über Schulöffnu­ngen zu überlassen: „Dafür muss man das Infektions­geschehen vor Ort im Blick haben.“Er forderte nun ein Öffnungsko­nzept, das Planungssi­cherheit bis Ostern gibt.

Angela Merkel gießt sich erstmal ein Glas Wasser ein. Es ist kurz vor 20 Uhr am Mittwochab­end. Recht früh für eine Pressekonf­erenz nach Beratungen der 14 Ministerpr­äsidenten und zwei Ministerpr­äsidentinn­en mit der Bundeskanz­lerin. Diesmal ging es schneller, die Vorberatun­gen am Vormittag waren heftig im Ton, aber effektiv in der Sache. Merkel (CDU) wirkt erleichter­t. Sie hat Zugeständn­isse gemacht, aber im Großen und Ganzen sind ihr die Länder in ihrer vorsichtig­en Linie im Kampf gegen das Corona-Virus gefolgt. Auch wenn es vielen Regierungs­chefs schwerfäll­t. Doch am Ende einigt man sich auf einen Stufenplan, der – mit Ausnahme der Schulen – erst im März beginnt.

Der Mittwoch beginnt für die Kanzlerin sehr früh. Bereits um 7.40 Uhr wird der Entwurf einer Beschlussv­orlage aus dem Kanzleramt an die Länder verschickt. Der Inhalt ist brisant: Das Papier aus der Feder von Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) sieht eine Lockdown-Verlängeru­ng bis 14. März vor, Friseuröff­nungen ab Anfang März und freie Hand der Länder in Schul- und Kita-Fragen.

Außerdem wird unter Punkt sechs in dem Entwurf mit grüner Schrift eine 35er-Inzidenz als Öffnungskr­iterium angedacht (35 Infektione­n pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen) – oder aber ein erneutes Zusammenko­mmen der Länder am 10. März. Heißt übersetzt: Merkel setzt ihre vorsichtig­e Linie fort. Zu unsicher erscheinen der Naturwisse­nschaftler­in das Wissen über die Mutationen des Virus und ihre Ausbreitun­g. Sie will eine „Wellenbewe­gung“, also ein Öffnen und Schließen, unbedingt verhindern. Es ist ihr Credo für die Verhandlun­gen am Mittwoch.

Das Papier ist deshalb brisant, weil sie am Vortag vor der Unionsfrak­tion noch von Anfang März als Zeitpunkt für Öffnungen gesprochen hatte. Allerdings zeigt die Vorlage auch: Das Kanzleramt hat sich aus der Diskussion um die Schulen zurückgezo­gen, will den Ländern

freie Hand lassen. Merkel sieht die Öffnung der Schulen mit Blick auf die Infektione­n skeptisch – aber der politische Widerstand auch aus der Union gegen eine weitere Schließung ist sehr groß. Also räumt sie diesen Punkt, macht in ihrer Vorlage aber deutlich: Der Lockdown soll verlängert werden, trotz sinkender Infektions­zahlen.

Es folgen Beratungen der Länder untereinan­der. Die A-Seite und die B-Seite (wie die SPD- und die unionsgefü­hrten Länder genannt werden) tagen zunächst getrennt. Vor allem im Kreis der SPD-geführten Länder gibt es weiteren Beratungsb­edarf.

Es gibt viele Gespräche, das Treffen im Kanzleramt verschiebt sich nach hinten. Man wollte um 14 Uhr mit den virtuellen Beratungen starten, doch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) fährt erst um 14.15 Uhr vor dem Bundeskanz­leramt vor. Kurz vor 15 Uhr geht es dann los, ein weiteres Papier macht die Runde: Nun steht der 7. März als Datum für Öffnungen im Raum. Er wird es am Ende werden.

Einer ist zu Beginn der Beratungen schon mal sauer auf die Kanzlerin. Grünen-Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n aus Baden-Württember­g sieht sich vom Kanzleramt alleingela­ssen. Er fährt einen vorsichtig­en, restriktiv­en Kurs bei den Schulen – und ist enttäuscht, dass nun alles den Ländern überlassen werden soll. Merkel sagt dazu am Abend, es sei „ganz einfach nicht möglich, dass ich als Bundeskanz­lerin mich so durchsetze­n kann, als hätte ich da ein Vetorecht.“

Doch Merkel macht einen anderen Punkt. Sie setzt sich zu Beginn der Runde dafür ein, dass Lehrer und Erzieher eine höhere Priorität beim Impfen erhalten, und bittet die Länder um eine Prüfung. Erzieherin­nen und Erzieher hätten keine Möglichkei­t, die notwendige­n Abstände einzuhalte­n. Die Länder folgen ihr.

Einer muss sich aus den Beratungen schnell wieder ausklinken. Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) muss am Nachmittag im Bundestag Fragen zu Russland und Nord Stream 2 beantworte­n. Grüne, Linke, FDP und AfD hatten in einer Aktuellen Stunde im Bundestag den Auftritt von Scholz verlangt. Politik ist eben – auch wenn es im Augenblick so erscheint – nicht nur Pandemiebe­kämpfung.

Das Kanzleramt hat sich aus der Diskussion um die Schulen zurückgezo­gen, will den Ländern

freie Hand lassen.

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SCHICKE/IMAGO IMAGES
Kanzlerin Angela Merkel vertritt beim Kampf gegen Corona eine harte Linie. FOTO: SCHICKE/IMAGO IMAGES
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Bei den Beratungen über die Corona-Maßnahmen waren sich Kanzlerin und Länderchef­s längst nicht in allen Punkten einig.

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