Bund und Länder setzen Lockdown bis 7. März fort
In der Corona-Krise gibt es vorerst keine Lockerungen – Friseure dürfen aber etwas früher öffnen. Über die Schulen entscheidet jedes Land selbst.
(dpa/gö) Der bis Mitte Februar befristete Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in Deutschland soll weitgehend bis zum 7. März verlängert werden. Eine Ausnahme bilden Friseure, die bei strikter Einhaltung von Hygieneauflagen bereits am 1. März wieder aufmachen dürfen. Das haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Länderchefs am Mittwoch bei ihren Beratungen über das weitere Vorgehen in der Pandemie beschlossen.
Bund und Länder verweisen in ihrem Beschluss auf die sich besonders schnell ausbreitenden Virusmutationen. Diese erforderten erhebliche zusätzliche Anstrengungen, um die Infektionszahlen wieder zu senken. „Daher müssen die Kontaktbeschränkungen
in den nächsten Wochen grundsätzlich beibehalten werden.“Auch die bestehenden anderen Beschlüsse wie etwa die Schließung eines Großteils des Einzelhandels, von Restaurants, Kneipen, Museen und Theatern sollen weiter gültig bleiben.
Einen nächsten größeren Öffnungsschritt soll es erst bei einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner geben. Dann sollen der Einzelhandel, Museen und Galerien sowie Betriebe mit körpernahen Dienstleistungen wieder aufmachen können.
Schulen und Kitas sollen als Erstes schrittweise wieder geöffnet werden. „Die Länder entscheiden im Rahmen ihrer Kultushoheit über die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht und die Ausweitung des Angebots der Kindertagesbetreuung“, heißt es im Bund-Länder-Papier.
Der Vorsitzende des Saarländischen Philologenverbandes, Marcus Hahn, begrüßte den Beschluss, den Ländern die Entscheidung über Schulöffnungen zu überlassen: „Dafür muss man das Infektionsgeschehen vor Ort im Blick haben.“Er forderte nun ein Öffnungskonzept, das Planungssicherheit bis Ostern gibt.
Angela Merkel gießt sich erstmal ein Glas Wasser ein. Es ist kurz vor 20 Uhr am Mittwochabend. Recht früh für eine Pressekonferenz nach Beratungen der 14 Ministerpräsidenten und zwei Ministerpräsidentinnen mit der Bundeskanzlerin. Diesmal ging es schneller, die Vorberatungen am Vormittag waren heftig im Ton, aber effektiv in der Sache. Merkel (CDU) wirkt erleichtert. Sie hat Zugeständnisse gemacht, aber im Großen und Ganzen sind ihr die Länder in ihrer vorsichtigen Linie im Kampf gegen das Corona-Virus gefolgt. Auch wenn es vielen Regierungschefs schwerfällt. Doch am Ende einigt man sich auf einen Stufenplan, der – mit Ausnahme der Schulen – erst im März beginnt.
Der Mittwoch beginnt für die Kanzlerin sehr früh. Bereits um 7.40 Uhr wird der Entwurf einer Beschlussvorlage aus dem Kanzleramt an die Länder verschickt. Der Inhalt ist brisant: Das Papier aus der Feder von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sieht eine Lockdown-Verlängerung bis 14. März vor, Friseuröffnungen ab Anfang März und freie Hand der Länder in Schul- und Kita-Fragen.
Außerdem wird unter Punkt sechs in dem Entwurf mit grüner Schrift eine 35er-Inzidenz als Öffnungskriterium angedacht (35 Infektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen) – oder aber ein erneutes Zusammenkommen der Länder am 10. März. Heißt übersetzt: Merkel setzt ihre vorsichtige Linie fort. Zu unsicher erscheinen der Naturwissenschaftlerin das Wissen über die Mutationen des Virus und ihre Ausbreitung. Sie will eine „Wellenbewegung“, also ein Öffnen und Schließen, unbedingt verhindern. Es ist ihr Credo für die Verhandlungen am Mittwoch.
Das Papier ist deshalb brisant, weil sie am Vortag vor der Unionsfraktion noch von Anfang März als Zeitpunkt für Öffnungen gesprochen hatte. Allerdings zeigt die Vorlage auch: Das Kanzleramt hat sich aus der Diskussion um die Schulen zurückgezogen, will den Ländern
freie Hand lassen. Merkel sieht die Öffnung der Schulen mit Blick auf die Infektionen skeptisch – aber der politische Widerstand auch aus der Union gegen eine weitere Schließung ist sehr groß. Also räumt sie diesen Punkt, macht in ihrer Vorlage aber deutlich: Der Lockdown soll verlängert werden, trotz sinkender Infektionszahlen.
Es folgen Beratungen der Länder untereinander. Die A-Seite und die B-Seite (wie die SPD- und die unionsgeführten Länder genannt werden) tagen zunächst getrennt. Vor allem im Kreis der SPD-geführten Länder gibt es weiteren Beratungsbedarf.
Es gibt viele Gespräche, das Treffen im Kanzleramt verschiebt sich nach hinten. Man wollte um 14 Uhr mit den virtuellen Beratungen starten, doch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fährt erst um 14.15 Uhr vor dem Bundeskanzleramt vor. Kurz vor 15 Uhr geht es dann los, ein weiteres Papier macht die Runde: Nun steht der 7. März als Datum für Öffnungen im Raum. Er wird es am Ende werden.
Einer ist zu Beginn der Beratungen schon mal sauer auf die Kanzlerin. Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg sieht sich vom Kanzleramt alleingelassen. Er fährt einen vorsichtigen, restriktiven Kurs bei den Schulen – und ist enttäuscht, dass nun alles den Ländern überlassen werden soll. Merkel sagt dazu am Abend, es sei „ganz einfach nicht möglich, dass ich als Bundeskanzlerin mich so durchsetzen kann, als hätte ich da ein Vetorecht.“
Doch Merkel macht einen anderen Punkt. Sie setzt sich zu Beginn der Runde dafür ein, dass Lehrer und Erzieher eine höhere Priorität beim Impfen erhalten, und bittet die Länder um eine Prüfung. Erzieherinnen und Erzieher hätten keine Möglichkeit, die notwendigen Abstände einzuhalten. Die Länder folgen ihr.
Einer muss sich aus den Beratungen schnell wieder ausklinken. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) muss am Nachmittag im Bundestag Fragen zu Russland und Nord Stream 2 beantworten. Grüne, Linke, FDP und AfD hatten in einer Aktuellen Stunde im Bundestag den Auftritt von Scholz verlangt. Politik ist eben – auch wenn es im Augenblick so erscheint – nicht nur Pandemiebekämpfung.
Das Kanzleramt hat sich aus der Diskussion um die Schulen zurückgezogen, will den Ländern
freie Hand lassen.