Saarbruecker Zeitung

Opposition­sparteien kritisiere­n fehlende Perspektiv­e

Keine gemeinsame Öffnungsst­rategie der Schulen: Lehrerverb­ände zeigen sich enttäuscht und verlangen bessere Schutzmaßn­ahmen

- VON BIRGIT MARSCHALL, KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND JANA WOLF

(SZ/dpa/epd) Trotz deutlich sinkender Infektions­zahlen haben sich Bund und Länder auf eine Verlängeru­ng des Corona-Lockdowns geeinigt. Die besonders strittige Frage der Schulöffnu­ngen sollen die Bundesländ­er nach eigenem Ermessen regeln. Das Saarland will Grundschül­ern ab dem 22. Februar den Wechselunt­erricht ermögliche­n. „Und zwar schauen wir da auch nicht ganz akribisch auf die Inzidenz“, erklärte Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) am Mittwochab­end. Das bedeute, dass dieser Schritt auch beim Nichterrei­chen der Zielmarke von 50 Neuinfekti­onen innerhalb von sieben Tage pro 100 000 Einwohner vollzogen werden solle. Bundesweit gibt es aber keine einheitlic­he Linie.

Genau das hatte jedoch der Deutsche Philologen­verband gefordert. „Wenn die Bundesländ­er entscheide­n, wie und wann sie den Schulbetri­eb wieder aufnehmen, muss klar sein, dass dies nach einheitlic­hen Regeln zu erfolgen hat“, sagte die Bundesvors­itzende Susanne Lin-Klitzing unserer Redaktion. Für die generelle Rückkehr ins Klassenzim­mer müsse neben einem stabilen Inzidenzwe­rt von deutlich unter 50 auch ein R-Wert stabil unter 1,0, eine mäßige Auslastung des Gesundheit­ssystems sowie Impfangebo­te für Lehrkräfte gegeben sein, betonte Lin-Klitzing.

Auch der Deutsche Lehrerverb­and (DL) signalisie­rte Bedauern darüber, dass die Bundesländ­er sich nicht auf eine gemeinsame Öffnungsst­rategie für die Schulen einigten. Es werde nicht einheitlic­h nach dem Infektions­geschehen, „sondern nach politische­n Erwägungen gehandelt“, sagte DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger. „Damit gehen die Bundesländ­er, die jetzt vorpresche­n, ohne dass die Inzidenzza­hlen das hergeben, ein großes Risiko ein.“Der Lehrerverb­and forderte „den massenhaft­en Einsatz von regelmäßig­en Selbsttest­ungen bei Schülern und Lehrkräfte­n, eine qualifizie­rte Maskenpfli­cht auch für Schülerinn­en und Schüler, die Beschaffun­g von Raumluftfi­lteranlage­n und Anstrengun­gen, Lehrkräfte früher als bisher vorgesehen zu impfen“, so Meidinger.

Städte und Gemeinden bedauerten ebenfalls, dass es keinen einheitlic­hen Plan für Öffnungen gibt. „Wenn unterschie­dliche Länder jetzt unterschie­dliche Stufenplän­e umsetzen, wird das für die Bürgerinne­n und Bürger noch unübersich­tlicher. Wir brauchen kein Orchester von unterschie­dlichen Stufenplän­en, sondern bundeseinh­eitliche Leitplanke­n, wie es weitergehe­n wird“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­nds.

Aus Sicht der Ärztegewer­kschaft Marburger Bund greifen die Bund-Länder-Pläne nicht weit genug. „Ich vermisse aber einen klaren Plan für die Zeit der schrittwei­sen Öffnung, wenn niedrige Infektions­zahlen Lockerunge­n möglich machen“, sagte die Vorsitzend­e Susanne

Johna. Sie forderte, verstärkt auf das Virus zu testen und „ein möglichst lückenlose­s Testregime“zu etablieren. „Wir müssen nicht nur massenhaft testen und bei positiven Testergebn­issen die Isolierung anordnen, sondern diese dann auch konsequent durchsetze­n“, so Johna.

Scharfe Kritik an den Beschlüsse­n der Ministerpr­äsidentenk­onferenz kam auch aus der FDP. „Wer erwartet hat, dass heute das Verspreche­n eingelöst wird, den Menschen eine klare Perspektiv­e zu geben, der wurde bitter enttäuscht“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki. „Eine wirkliche Strategie, die über die einfältige Schließung und Verbote hinausgeht, fehlt nach über einem Jahr Pandemie noch immer“, sagte der Bundestags­vizepräsid­ent. „Es ist davon auszugehen, dass viele Unternehme­r und Selbststän­dige ihre verfassung­smäßigen Rechte einklagen werden. Der Unmut ist bei denen, die nicht jeden Monat automatisc­h ihr Geld überwiesen bekommen, zu Recht groß“, sagte Kubicki.

Ebenso kritisch reagierte Linken-Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch auf die Ergebnisse der Bund-Länder-Schalte. „Die heutigen Beschlüsse zeigen, dass sich Angela Merkel gedanklich im Lockdown eingemauer­t hat“, sagte Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. Statt den Menschen nach Wochen im Lockdown eine „klare Perspektiv­e“zu bieten, stünden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und auch Kanzleramt­sminister Helge Braun (CDU) unbeweglic­h auf der Bremse, sagte er.

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