Wie es beim Impfen in den saarländischen Heimen vorangeht
Die SPD fordert deutlich mehr Tempo. Das Gesundheitsministerium weist das zurück. Wo steht das Saarland wirklich?
Als Mitglieder der Landesregierung in der vergangenen Woche mit führenden Wissenschaftlern die Frage erörterten, warum es im Saarland überdurchschnittlich viele Corona-Neuninfektionen gibt, fielen Stichworte wie hohe Bevölkerungsdichte, hoher Anteil an Industrie-Jobs und Grenzlage. Die SPD im Landtag fügte den Mutmaßungen am Mittwoch eine weitere hinzu. Demnach wäre die hohe Inzidenz auch auf „eine falsche Impf-Strategie mit Blick auf die Altenheime“zurückzuführen.
Das wiederum hält das Gesundheitsministerium für „wissenschaftlich nicht haltbar“. Die Impf-Strategie habe mit der Inzidenz nichts zu tun, sagte Staatssekretär Stephan Kolling (CDU). Erst bei einer Durchimpfung von zwei Dritteln der Bevölkerung
habe das Impfen Auswirkungen auf die Inzidenz.
Unabhängig von dieser Frage werden Impf-Fortschritte in den Heimen innerhalb der großen Koalition völlig unterschiedlich bewertet. Der SPD-Gesundheitspolitiker Magnus Jung forderte mehr Tempo. Innerhalb einer Woche müsse allen Bewohnern und Mitarbeitern zumindest die erste Impfung angeboten werden. Bisher hat etwas mehr als die Hälfte der Bewohner die erste von zwei Spritzen bekommen. Die Mitarbeiter der Altenheime sollen nach dem Willen der SPD-Fraktion ebenfalls von den mobilen Teams geimpft werden und nicht in den Impfzentren. Laut Kolling sind bisher 747 der rund 10 000 Heimmitarbeiter geimpft. Mit dem neuen Astrazeneca-Impfstoff, der nur unter 65-Jährigen gespritzt werden darf, soll nun verstärkt das Personal in
Altenheimen und Krankenhäusern immunisiert werden.
Je nach Daten-Grundlage und Zahlen-Akrobatik ist das Saarland beim Impfen in den Heimen entweder Schlusslicht ( Jung) oder aber die Nummer zwei der 16 Bundesländer (Kolling). Die Fakten sind: Laut Robert-Koch-Institut haben bisher 7055 Heimbewohnern die erste und davon wiederum 5183 Bewohner auch die zweite Spritze bekommen. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zu den in den Heimen betreuten Bewohnern (Quelle: amtliche Pflegestatistik 2019), so haben im Saarland 52 Prozent aller Bewohner bisher die Erstimpfung erhalten (Platz 14 von 16), 38 Prozent aller Bewohner den vollen Schutz (Platz 7).
Mit Ablauf kommender Woche sollen alle Bewohner eine Erstimpfung haben, wie Staatssekretär Kolling ankündigte. In drei Wochen seien die Bewohner durchgeimpft. In einem dritten Durchgang würden die mobilen Teams auch Neuzugängen ein Impfangebot machen. Diese Strategie sei „gut und erfolgreich“.
Bund und Länder hatten sich zum Impfstart darauf verständigt, in Pflegeheimen vorrangig zu impfen. Die Impf-Strategien sind aber höchst unterschiedlich. Einige Länder wie Rheinland-Pfalz verimpften nach dem Start am 27. Dezember den knappen Impfstoff zunächst nur in Heimen, einschließlich Personal, zum Teil auch an Klinikpersonal. Andere Länder wie das Saarland teilten den Impfstoff auf: ein Teil für die Heime (ohne das Personal),
der andere Teil für die Impfzentren, wo sich auch die über 80-Jährigen impfen lassen können, die nicht in einem Heim wohnen, und die Altenpflegekräfte. Der zweite Unterschied zwischen den Ländern: Nicht alle stellten die Hälfte des Impfstoffs für die Zweitimpfungen zurück für den Fall, dass eine Lieferung ausfallen sollte.
Die Folge ist: Länder wie Rheinland-Pfalz haben in den Heimen den ersten Impf-Durchgang bereits abgeschlossen und stehen auch bei den von den Impfteams mitgeimpften Pflegekräften gut da. Länder wie das Saarland liegen dafür bei der Impfquote bei allen über 80-Jährigen vorne (Platz 4 bei der Erst- und Platz 2 bei der Zweitimpfung).
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