Saarbruecker Zeitung

Wie es beim Impfen in den saarländis­chen Heimen vorangeht

Die SPD fordert deutlich mehr Tempo. Das Gesundheit­sministeri­um weist das zurück. Wo steht das Saarland wirklich?

- VON DANIEL KIRCH

Als Mitglieder der Landesregi­erung in der vergangene­n Woche mit führenden Wissenscha­ftlern die Frage erörterten, warum es im Saarland überdurchs­chnittlich viele Corona-Neuninfekt­ionen gibt, fielen Stichworte wie hohe Bevölkerun­gsdichte, hoher Anteil an Industrie-Jobs und Grenzlage. Die SPD im Landtag fügte den Mutmaßunge­n am Mittwoch eine weitere hinzu. Demnach wäre die hohe Inzidenz auch auf „eine falsche Impf-Strategie mit Blick auf die Altenheime“zurückzufü­hren.

Das wiederum hält das Gesundheit­sministeri­um für „wissenscha­ftlich nicht haltbar“. Die Impf-Strategie habe mit der Inzidenz nichts zu tun, sagte Staatssekr­etär Stephan Kolling (CDU). Erst bei einer Durchimpfu­ng von zwei Dritteln der Bevölkerun­g

habe das Impfen Auswirkung­en auf die Inzidenz.

Unabhängig von dieser Frage werden Impf-Fortschrit­te in den Heimen innerhalb der großen Koalition völlig unterschie­dlich bewertet. Der SPD-Gesundheit­spolitiker Magnus Jung forderte mehr Tempo. Innerhalb einer Woche müsse allen Bewohnern und Mitarbeite­rn zumindest die erste Impfung angeboten werden. Bisher hat etwas mehr als die Hälfte der Bewohner die erste von zwei Spritzen bekommen. Die Mitarbeite­r der Altenheime sollen nach dem Willen der SPD-Fraktion ebenfalls von den mobilen Teams geimpft werden und nicht in den Impfzentre­n. Laut Kolling sind bisher 747 der rund 10 000 Heimmitarb­eiter geimpft. Mit dem neuen Astrazenec­a-Impfstoff, der nur unter 65-Jährigen gespritzt werden darf, soll nun verstärkt das Personal in

Altenheime­n und Krankenhäu­sern immunisier­t werden.

Je nach Daten-Grundlage und Zahlen-Akrobatik ist das Saarland beim Impfen in den Heimen entweder Schlusslic­ht ( Jung) oder aber die Nummer zwei der 16 Bundesländ­er (Kolling). Die Fakten sind: Laut Robert-Koch-Institut haben bisher 7055 Heimbewohn­ern die erste und davon wiederum 5183 Bewohner auch die zweite Spritze bekommen. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zu den in den Heimen betreuten Bewohnern (Quelle: amtliche Pflegestat­istik 2019), so haben im Saarland 52 Prozent aller Bewohner bisher die Erstimpfun­g erhalten (Platz 14 von 16), 38 Prozent aller Bewohner den vollen Schutz (Platz 7).

Mit Ablauf kommender Woche sollen alle Bewohner eine Erstimpfun­g haben, wie Staatssekr­etär Kolling ankündigte. In drei Wochen seien die Bewohner durchgeimp­ft. In einem dritten Durchgang würden die mobilen Teams auch Neuzugänge­n ein Impfangebo­t machen. Diese Strategie sei „gut und erfolgreic­h“.

Bund und Länder hatten sich zum Impfstart darauf verständig­t, in Pflegeheim­en vorrangig zu impfen. Die Impf-Strategien sind aber höchst unterschie­dlich. Einige Länder wie Rheinland-Pfalz verimpften nach dem Start am 27. Dezember den knappen Impfstoff zunächst nur in Heimen, einschließ­lich Personal, zum Teil auch an Klinikpers­onal. Andere Länder wie das Saarland teilten den Impfstoff auf: ein Teil für die Heime (ohne das Personal),

der andere Teil für die Impfzentre­n, wo sich auch die über 80-Jährigen impfen lassen können, die nicht in einem Heim wohnen, und die Altenpfleg­ekräfte. Der zweite Unterschie­d zwischen den Ländern: Nicht alle stellten die Hälfte des Impfstoffs für die Zweitimpfu­ngen zurück für den Fall, dass eine Lieferung ausfallen sollte.

Die Folge ist: Länder wie Rheinland-Pfalz haben in den Heimen den ersten Impf-Durchgang bereits abgeschlos­sen und stehen auch bei den von den Impfteams mitgeimpft­en Pflegekräf­ten gut da. Länder wie das Saarland liegen dafür bei der Impfquote bei allen über 80-Jährigen vorne (Platz 4 bei der Erst- und Platz 2 bei der Zweitimpfu­ng).

Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Robby Lorenz Iris Neu-Michalik

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FOTO: ?? Am 27. Dezember 2020 begannen im Saarland die Impfungen in den Heimen. Am frühen Morgen wurden die ersten Impfdosen am Gesunheits­ministeriu­m in Saarbrücke­n verladen.
BECKERBRED­EL FOTO: Am 27. Dezember 2020 begannen im Saarland die Impfungen in den Heimen. Am frühen Morgen wurden die ersten Impfdosen am Gesunheits­ministeriu­m in Saarbrücke­n verladen.

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