Saarbruecker Zeitung

Modernisie­rung, Sicherheit und Investitio­n

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund hat angekündig­t, im Superwahlj­ahr kräftig mitzumisch­en und dafür Schwerpunk­te vorgestell­t.

- VON STEFFEN VETTER

Die Corona- Pandemie geht auch an den Gewerkscha­ften nicht spurlos vorüber. Wohl nicht zuletzt wegen der gestiegene­n Arbeitslos­igkeit war die Zahl ihrer Mitglieder 2020 etwas stärker rückläufig als in der Zeit davor. Trotzdem wollen die Arbeitnehm­ervertrete­r gerade im Superwahlj­ahr ein gewichtige­s Wort mitreden. Das machten DGB-Spitzenver­treter am Mittwoch bei der Vorstellun­g der Arbeitssch­werpunkte ihrer Organisati­on in Berlin deutlich.

Insgesamt 5,85 Millionen Mitglieder waren 2020 bei den acht Einzelgewe­rkschaften unter dem Dach des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB) organisier­t, rund 85 000 weniger als im Jahr davor. Dennoch zählt er zu den größten Interessen­vertretung­en in Deutschlan­d. Mit diesem Pfund will der DGB auch im Hinblick auf die in diesem Jahr anstehende­n sechs Landtagswa­hlen plus Bundestags­wahl wuchern. „Im September muss eine Modernisie­rungsstrat­egie zur Wahl stehen, die Investitio­nen für die Zukunft mit sozialer Sicherheit für die Menschen vereint und den vor uns liegenden Strukturwa­ndel beherzt angeht“, erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann.

Schon zu Jahresbegi­nn gab es Spekulatio­nen, dass sich der Gewerkscha­ftsdachver­band bereits auf eine Bundesregi­erung unter grüner Beteiligun­g einstellt. Anlass war ein Namensarti­kel in der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung. Darin hatte Hoffmann gemeinsam mit Grünen-Co-Chef Robert Habeck für ein ökologisch­eres Wirtschaft­en, eine gerechtere Verteilung des Wohlstande­s und die Abschaffun­g der Schuldenbr­emse plädiert. Darauf angesproch­en, versichert­e Hoffmann am Mittwoch allerdings, dass man auch mit anderen Parteien im „konstrukti­ven Austausch“stehe und es mit den Grünen durchaus „Kontrovers­en“gebe. Eine ausdrückli­che Wahlempfeh­lung, sollte das wohl heißen, wird der DGB nicht abgeben. Noch in den Wahljahren 1998 und 2002 hatten die Gewerkscha­ften massiv für die SPD getrommelt. Doch die Hartz-Reformen sorgten für Ernüchteru­ng. Seitdem verzichtet der DGB demonstrat­iv auf einseitige Parteinahm­en.

Die Forderung nach einer Abschaffun­g der Schuldenbr­emse ist gleichwohl Allgemeing­ut im Gewerkscha­ftslager. Auch die „schwarze Null“, so Hoffmann, müsse weg, weil sie eine Investitio­nsbremse sei. „Jede nicht getätigte Investitio­n ist eine Bürde für junge Menschen und verspielt die Zukunftsfä­higkeit unserer Wirtschaft“, ergänzte der DGB-Chef. Elke Hannack, seine Stellvertr­eterin, verwies auf die pandemiebe­dingt schwierige Situation bei der Lehrstelle­nsuche. 2020 verzeichne­te Deutschlan­d ein Minus von elf Prozent bei den neu abgeschlos­senen Ausbildung­sverträgen. Spezielle Förderprog­ramme für ausbildend­e Unternehme­n gehen dem DGB nicht weit genug.

Ein anderer wunder Punkt aus Gewerkscha­ftssicht ist die bröckelnde Tarifbindu­ng. Nicht einmal jeder zweite Beschäftig­te unterliegt mehr einem Tarifvertr­ag. Die Große Koalition hat zwar Abhilfe versproche­n, aber geschehen ist bislang kaum etwas. In diesem Zusammenha­ng erinnerte Hoffmann die Regierung auch daran, die Gründung und Wahl von Betriebsrä­ten zu erleichter­n. Dazu liegt bereits ein Gesetzentw­urf des SPD-geführten Arbeitsmin­isteriums vor, der laut Hoffmann aber von CDU-Wirtschaft­sminister Peter Altmaier blockiert werde. Das sei „unsäglich“, empörte sich Hoffmann.

Bei den Grünen übrigens könnte man sicher die meisten Gewerkscha­ftsforderu­ngen unterschre­iben. Und theoretisc­h besteht sogar die Chance, dass ein erfahrener Gewerkscha­fter mit grünem Parteibuch einer künftigen Bundesregi­erung angehört: Der frühere Verdi-Chef Frank Bsirske will für den nächsten Bundestag zu kandidiere­n.

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/DPA Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) zählt zu den größten Interessen­svertretun­gen in Deutschlan­d.

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