Modernisierung, Sicherheit und Investition
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat angekündigt, im Superwahljahr kräftig mitzumischen und dafür Schwerpunkte vorgestellt.
Die Corona- Pandemie geht auch an den Gewerkschaften nicht spurlos vorüber. Wohl nicht zuletzt wegen der gestiegenen Arbeitslosigkeit war die Zahl ihrer Mitglieder 2020 etwas stärker rückläufig als in der Zeit davor. Trotzdem wollen die Arbeitnehmervertreter gerade im Superwahljahr ein gewichtiges Wort mitreden. Das machten DGB-Spitzenvertreter am Mittwoch bei der Vorstellung der Arbeitsschwerpunkte ihrer Organisation in Berlin deutlich.
Insgesamt 5,85 Millionen Mitglieder waren 2020 bei den acht Einzelgewerkschaften unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) organisiert, rund 85 000 weniger als im Jahr davor. Dennoch zählt er zu den größten Interessenvertretungen in Deutschland. Mit diesem Pfund will der DGB auch im Hinblick auf die in diesem Jahr anstehenden sechs Landtagswahlen plus Bundestagswahl wuchern. „Im September muss eine Modernisierungsstrategie zur Wahl stehen, die Investitionen für die Zukunft mit sozialer Sicherheit für die Menschen vereint und den vor uns liegenden Strukturwandel beherzt angeht“, erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann.
Schon zu Jahresbeginn gab es Spekulationen, dass sich der Gewerkschaftsdachverband bereits auf eine Bundesregierung unter grüner Beteiligung einstellt. Anlass war ein Namensartikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Darin hatte Hoffmann gemeinsam mit Grünen-Co-Chef Robert Habeck für ein ökologischeres Wirtschaften, eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes und die Abschaffung der Schuldenbremse plädiert. Darauf angesprochen, versicherte Hoffmann am Mittwoch allerdings, dass man auch mit anderen Parteien im „konstruktiven Austausch“stehe und es mit den Grünen durchaus „Kontroversen“gebe. Eine ausdrückliche Wahlempfehlung, sollte das wohl heißen, wird der DGB nicht abgeben. Noch in den Wahljahren 1998 und 2002 hatten die Gewerkschaften massiv für die SPD getrommelt. Doch die Hartz-Reformen sorgten für Ernüchterung. Seitdem verzichtet der DGB demonstrativ auf einseitige Parteinahmen.
Die Forderung nach einer Abschaffung der Schuldenbremse ist gleichwohl Allgemeingut im Gewerkschaftslager. Auch die „schwarze Null“, so Hoffmann, müsse weg, weil sie eine Investitionsbremse sei. „Jede nicht getätigte Investition ist eine Bürde für junge Menschen und verspielt die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft“, ergänzte der DGB-Chef. Elke Hannack, seine Stellvertreterin, verwies auf die pandemiebedingt schwierige Situation bei der Lehrstellensuche. 2020 verzeichnete Deutschland ein Minus von elf Prozent bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Spezielle Förderprogramme für ausbildende Unternehmen gehen dem DGB nicht weit genug.
Ein anderer wunder Punkt aus Gewerkschaftssicht ist die bröckelnde Tarifbindung. Nicht einmal jeder zweite Beschäftigte unterliegt mehr einem Tarifvertrag. Die Große Koalition hat zwar Abhilfe versprochen, aber geschehen ist bislang kaum etwas. In diesem Zusammenhang erinnerte Hoffmann die Regierung auch daran, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu erleichtern. Dazu liegt bereits ein Gesetzentwurf des SPD-geführten Arbeitsministeriums vor, der laut Hoffmann aber von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier blockiert werde. Das sei „unsäglich“, empörte sich Hoffmann.
Bei den Grünen übrigens könnte man sicher die meisten Gewerkschaftsforderungen unterschreiben. Und theoretisch besteht sogar die Chance, dass ein erfahrener Gewerkschafter mit grünem Parteibuch einer künftigen Bundesregierung angehört: Der frühere Verdi-Chef Frank Bsirske will für den nächsten Bundestag zu kandidieren.