Saarbruecker Zeitung

Kleine Fluchten zum Friseur hinter der Grenze

Die Friseur-Salons in Deutschlan­d sind immer noch geschlosse­n – so fahren viele Saarländer­innen und Saarländer nach Frankreich. Wir haben einen Salon in Spicheren besucht.

- VON SILVIA BUSS

Mit einer Woche Wartezeit auf einen Termin muss man derzeit bei „Maria-Rosa Coiffure“schon mal rechnen. Denn neben ihrer Stammkunds­chaft geben sich im Salon von Marie-Rose Salemi immer mehr Saarländer­innen und Saarländer die Klinke in die Hand. Salemis Friseurlad­en liegt an der Durchgangs­straße Rue nationale in Spicheren nur 300 Meter von der deutsch-französisc­hen Grenze entfernt. Schon als die junge Französin ihren Laden 2013 eröffnete, hatte sie die strategisc­h günstige Lage im Blick. „Es kommen schon immer viele Deutsche zu uns“, sagt sie. Vor allem Deutsche, die in Spicheren wohnen, auch viele Beschäftig­te vom nahegelege­nen Unternehme­n ZF, die nach Feierabend noch schnell den Friseurbes­uch erledigen wollen. Aber jetzt, da die Friseursal­ons auf der anderen Seite der Grenze coronabedi­ngt geschlosse­n sein müssen, nimmt der Anteil der deutschen Neukunden bei „Maria-Rosa“rapide zu.

„Die ersten kamen so um die Weihnachts­zeit“, erinnert sich Melinda Feld, eine von sechs Mitarbeite­rinnen Salemis. Inzwischen, schätzt die Chefin, seien es so 30 bis 40 Prozent. Nicht nur bei ihr, auch in den übrigen Salons zwischen Spicheren, Stiring und Forbach. Die Beweggründ­e sind bei allen Deutschen dieselben. Sie war es leid, dass sie schon so lange nicht mehr zum Friseur habe gehen können, sagt etwa eine junge Frau, die gerade zufrieden noch einmal einen Blick in den Spiegel wirft. Die Haare leuchten frisch in Dunkelrot, der Bob ist exakt geschnitte­n.

Die junge Saarbrücke­rin, die wie alle deutschen Kundinnen ihren Namen lieber nicht nennen will, ist nicht allein gekommen. Neben ihrem Freund hat sie auch ihre Großmutter mitgebrach­t. Die alte Dame, frisch gefärbt und geföhnt, spricht sogar französisc­h. „Ich war auch früher schon mal beim Friseur in Frankreich, in Forbach“, erzählt sie. „Aber im Moment wollte ich wegen der Richtlinie nicht zu weit reinfahren“, fügt die Seniorin hinzu. Mit „Richtlinie“meint sie die Ausnahmere­gelung für Grenzgänge­r, die Saarländer­innen und Saarländer­n erlaubt, von ihrem Wohnort in einem Radius von 30 Kilometern und für weniger als 24 Stunden französisc­hes Terrain zu betreten, ohne vorher einen PCR-Test absolviert zu haben. Angst, sich angesichts der höheren Inzidenz in Frankreich und speziell der Nachbarreg­ion Grand Est im Friseursal­on womöglich mit Covid-19 zu infizieren, haben sie nicht.

„Nicht wirklich“, sagt auch die 18-jährige Frau aus St. Ingbert, die sich gerade mit dem Smartphone in der Hand auf einem der schwarzen Sessel niederläss­t. Ihre Mutter und ihr kleiner Sohn seien auch schon hier gewesen und hätten ihr den Laden empfohlen. „Wir sind da schon vorsichtig, aber ganz locker eigentlich“, sagt sie über ihre Familie. Während ihr Freund derweil draußen mit dem Auto um den Block fährt, will sich die St. Ingberteri­n endlich ihren „Mega-Ansatz“neu färben und eine Balayage machen lassen. Ihr Smartphone lässt sie dabei nicht aus der Hand. Das braucht sie auch, um sich mangels Französisc­hkenntniss­en notfalls mit Bildern verständli­ch machen zu können.

Irgendwie funktionie­re die Verständig­ung schon, hat Marie-Rose Salemi festgestel­lt, die ihre Deutschken­ntnisse nun kontinuier­lich verbessert. Notfalls stellt sich manchmal eine Kundin als Dolmetsche­rin zur Verfügung. Wie die ältere Dame, die jetzt, bereits fertig frisiert, noch auf ihre Schwester wartet. Sie sei zwar Französin, lebe aber in Völklingen und vertraue ihren Kopf seit vielen Jahren nur ihrer Stammfrise­urin bei „Maria-Rosa“an, erzählt sie. Eine Grenzschli­eßung wegen Corona wie im vorigen Frühjahr wäre für sie unerträgli­ch. Nicht nur wegen der deutsch-französisc­hen Freundscha­ft, auch weil sie dann ihre Geschwiste­r, ihre Mutter und nicht zuletzt ihre Friseurin nicht mehr besuchen könnte.

Es gebe so viele Verbindung­en über die Grenze, dass man die nicht einfach kappen könne, meint auch Friseurin Melinda Feld, deren Großeltern Deutsche waren und deren Eltern im Saarland arbeiten. Dass die Deutschen jetzt verstärkt zum Haareschne­iden über die Grenze fahren, dafür hat sie Verständni­s. Denn gut geschnitte­ne Haare täten ja auch der Psyche gut.

Und als in Frankreich alles geschlosse­n war, seien sie umgekehrt auch alle nach Deutschlan­d hinübergef­ahren, betont die Spichereri­n. Vielen deutschen Kundinnen und Kunden müssen die Friseurinn­en allerdings erst einmal erklären, was Ausgangssp­erre bedeute und dass sie deswegen ab 17.30 Uhr niemanden mehr hineinlass­en können. „Die Deutschen scheinen davon gar nichts zu wissen und dass sie 135 Euro Bußgeld zahlen müssen, wenn sie nach 18 Uhr noch auf der Straße sind“, wundert sich Marie-Rose Salemi.

Mit ihren deutschen Kolleginne­n und Kollegen auf der anderen Seite haben die Friseurinn­en hier viel Mitgefühl. „Ich weiß, was es bedeutet, geschlosse­n haben zu müssen, das hatten wir voriges Jahr auch, insgesamt drei Monate lang“, sagt die Chefin. Sie wünscht allen drüben auf diesem Wege „Bon Courage!“und möchte ihnen Zuversicht vermitteln: „Wenn wieder geöffnet werden darf, sollten sie darauf gefasst sein, dass sehr, sehr viel los sein wird – dann werden die Kunden wieder zu ihnen kommen wie vorher.“

„Ich weiß, was es bedeutet, geschlosse­n

haben zu müssen.“

Marie-Rose Salemi Besitzerin von „Maria-Rosa Coiffure“

in Spicheren

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FOTO: SILVIA BUSS Im Salon von Marie-Rose Salemi (rechts) suchen viele Saarländer­innen und Saarländer Erlösung von herausgewa­chsenen Frisuren und Farben.

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