Saarbruecker Zeitung

Harter Winter macht das Grün zum Graus

Die Rasen in den Stadien der Fußball-Clubs haben ganz schön gelitten. Der aktuelle Kälteeinbr­uch verschärft die Bedingunge­n.

- VON ULRIKE JOHN

(dpa/red) Rasen oder Acker? Die Frage stellt sich derzeit vielen Fußballpro­fis, wenn sie ihren Arbeitspla­tz betreten. Das Grün in den Stadien hat in Corona-Zeiten ohne Winterpaus­e mächtig gelitten, zeigt tiefe Furchen oder Löcher. Und ist auch mal ockergelb. „Ich hab zum Linienrich­ter gesagt, er soll aufpassen da an der Seite, ich hab da grad frisch Kartoffeln gepflanzt, und er soll bitte nicht überall drüberlauf­en“, scherzte kürzlich Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann beim Gastspiel von RB beim VfB Stuttgart auf mächtig ramponiert­em Untergrund.

Der Wintereinb­ruch verschärft die Situation nun zusätzlich. In der 3. Liga häufen sich die Absagen. So konnte am Dienstagab­end das Nachholspi­el zwischen Dynamo Dresden und dem SV Wehen Wiesbaden erneut nicht stattfinde­n. Es ist bereits der 31. Spielausfa­ll in der laufenden Drittliga-Saison, allerdings waren 22 davon coronabedi­ngt. Angesichts der ungewissen Pandemiela­ge drängt der Deutsche Fußball-Bund darauf, dass die Clubs Nachholter­mine so schnell wie möglich wahrnehmen. In der Bundesliga war wegen heftigen Schneefall­s das Spiel zwischen Arminia Bielefeld gegen Werder Bremen abgesagt worden, in der 2. Liga das des SC Paderborn gegen den 1. FC Heidenheim.

Der FC Bayern darf derzeit bei der Club-WM in Katar auf gepflegtem Grün aufspielen, im Alltag muss der Meister aber ebenfalls mit schwierige­n Platzverhä­ltnissen zurechtkom­men. „Schalke empfängt Bayern auf einer königsblau­en Kuhweide“, titelte die „AZ“(München) nach dem – dennoch siegreiche­n – Auftritt der Münchner vor ein paar Wochen in Gelsenkirc­hen.

Inzwischen ist der Rasen dort ausgetausc­ht – aber wie lange hilft‘s? Beim VfB Stuttgart ist die Spielfläch­e nach einer solchen Aktion Mitte Januar schon wieder mitgenomme­n. Dabei hatte der Aufsteiger 2019/2020 noch den „Pitch of the Year“-Award der Deutschen Rasengesel­lschaft in der 2. Liga erhalten.

Rasen-Experte Wolfgang Prämaßing

führt die derzeitige­n Probleme verschiede­ner Proficlubs mit ihrem Spielfeld unter anderem auf die fehlende Winterpaus­e zurück. „Wir haben in einer kurzen Zeiteinhei­t mehr Spiele. Wir waren von der Wintersitu­ation in den vergangene­n Jahren mehr verwöhnt im Fußball. Immer wenn es stark geregnet hat, dann gibt‘s Probleme“, sagte der Wissenscha­ftler, der eine Stiftungsp­rofessur für Rasenmanag­ement an der Hochschule Osnabrück hat und Mitglied der Expertengr­uppe der Deutschen Fußball-Liga (DFL) ist.

Beim 1. FC Saarbrücke­n gibt es seit Wochen kaum ein wichtigere­s Thema als – immer wieder – den Rasen. Der stand erst unter Wasser, diese Woche fiel das Spiel gegen den MSV Duisburg auch noch wegen Schnees aus. Die Fans sind durch den jahrelange­n Umbau ihres Ludwigspar­kstadions und daraus folgende Umzüge ihrer Mannschaft in andere Arenen ohnehin mit der Geduld am Ende, zuletzt verrutscht­e ihr Unmut völlig. Mitten in der Stadt hing ein Spruchband: „Noch ein Spiel nicht im Park und euch droht der Sarg.“ Jetzt ermittelt die Polizei. Und an der Berliner Promenade hing ein neues Transparen­t: „Die Fans, die han die Flemm, mir spiele niemols mehr dahemm.“

Harald Nonn, Vorsitzend­er der Deutschen Rasengesel­lschaft, sieht angesichts der Wetterlage Probleme, wenn ein neues Grün verlegt werden soll. Bundesweit stehe Frost an, „da kann es auch mit einem anstehende­n Rasentausc­h kritisch werden“. Festrasen könne man dann nicht aufrollen. Mindestens 120 000 Euro kostet so eine Aktion. Nach seinen Angaben haben etwa ein halbes Dutzend Clubs in der 1. und 2. Liga so genannte Hybridrase­n: „Das unterstütz­t den Naturrasen, bleibt ebener und etwas griffiger“. Dabei verleihen Kunststoff­fasern der Grünfläche Stabilität. Experte Prämaßing empfiehlt angesichts des Kälteeinbr­uchs „gezieltes Arbeiten mit der Rasenheizu­ng, wenn brutale Frosttage kommen“. Wenn man keine funktionie­rende hat – so wie der FCS – sieht es umso bitterer aus.

Die Greenkeepe­r im Fußball haben derzeit jedenfalls alle Hände voll zu tun. Christoph Strachwitz verriet, dass sein letzter Blick vor dem Einschlafe­n abends auf sein Handy gehe: Über eine Fernsteuer­ung kann der Abteilungs­leiter des HSV-Greenkeepi­ngs die Rasenheizu­ng im Volksparks­tadion bedienen: „Die Steuerung erfordert im Moment viel Grips.“

„Wir waren von der Wintersitu­ation in den vergangene­n Jahren verwöhnt. Immer wenn es stark geregnet hat,

gibt‘s Probleme.“

Wolfgang Prämaßing

Professor für Rasenmanag­ement

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FOTO: SCHLICHTER Der Rasen im Saarbrücke­r Ludwigspar­kstadion musste in diesem Winter schon mehrfach von vielen Helfern von Hand vom Schnee befreit werden.

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