Hermanns Rolle sorgt für Unruhe
Die Weltmeisterin im Skeleton wird für die WM in Altenberg vom Trainer der Russen vorbereitet.
(dpa) Erfolge sind Motivation, manchmal aber auch eine Last. Für die deutschen Skeletonis ist vor der Heim-WM in Altenberg der Blick zurück auf ihre Triumphe der Vorsaison eher ein schwerer Rucksack. „Ich weiß, dass das Ergebnis vom letzten Jahr schwer zu wiederholen ist. Da hat alles gepasst“, sagt Neu-Bundestrainer Christian Baude vor dem Start der WM-Rennen an diesem Donnerstag, wo er je eine Medaille als Ziel ausgibt.
Im Vorjahr war er noch der Assistent von Bundestrainer Dirk Matschenz, von dem sich der Bob- und Schlittenverband (BSD) nach vielen Konflikten trennte. Mittlerweile hat er bei den starken Russen angeheuert – und trainiert auch weiterhin Weltmeisterin Tina Hermann. In dieser Partnerschaft steckt viel Brisanz. Sie war jedoch alternativlos. „Diese Entscheidung hat mir einfach die Füße unter dem Boden weggezogen“, sagte die 28-jährige Hermann und gab zu, tagelang geweint zu haben. Immerhin arbeiteten Matschenz und sie seit über zehn Jahren
zusammen. Selbst ein Rücktritt vom Leistungssport stand zu diesem Zeitpunkt für sie im Raum.
„Wir haben uns so verständigt, dass Dirk weiterhin Tina trainieren kann, wir jedoch beim Material und bei den Unterkünften eine Trennung vom deutschen Team vollziehen“, sagte Baude. So wohnt die dreimalige Weltmeisterin vom WSV Königssee auch bei den Titelkämpfen in Altenberg nicht im deutschen Hotel, sondern woanders. „Ich werde vor Ort von Dirk betreut, er kümmert sich auch weiterhin um meinen Schlitten“, betonte Hermann. So war es auch vor der WM beim Weltcupfinale in Innsbruck/Igls. Die deutschen Spitzenfahrer trainierten in Altenberg auf der WM-Bahn, die Russen inklusive Hermann waren am Patscherkofel in Österreich.
Der gebürtige Ilmenauer Matschenz gilt in der Branche als Materialspezialist und als knallharter Trainer. Doch viele Athleten spürten eine Sonderbehandlung für Hermann und beklagten diese mit Konflikten behaftete Doppelrolle. „Wir mussten mit Blick auf Olympia 2022 in Peking die Reißleine ziehen“, sagte der BSD-Vorstandsvorsitzende und Sportdirektor Thomas Schwab. Das Risiko, Matschenz könnte mit seinem Knowhow andere Nationen nach vorne bringen, musste notfalls mit eingeplant werden.
So pusht der ehemalige Bundestrainer
nun die Russen, die am Start den Deutschen um Längen voraus sind. Und nun ist auch noch in Sachen Material ein Entwicklungsschub erkennbar. Daher gilt das Team um Sotschi-Olympiasieger Alexander Tretjakow und um die Olympia-Dritte Elena Nikitina auch in Altenberg als Mitfavorit. Aber auch die Olympia-Zweite Jacqueline Lölling (RSG Hochsauerland) will wie Hannah Neise (BSC Winterberg) ein Wörtchen mitreden. Vierte Starterin ist Sophia Griebel vom BRC Thüringen.
Die deutschen Männer gehen trotz des nichtqualifizierten WM-Zweiten Axel Jungk gestärkt ins WM-Rennen. Alexander Gassner gewann zuletzt die ersten beiden Weltcup-Rennen seiner Karriere. Titelverteidiger Christopher Grotheer wechselte wieder auf seinen alten WM-Schlitten zurück, und Youngster Felix Keisinger zeigte schon im Training, dass mit ihm zu rechnen ist. „Wir haben die Trainingswoche in Altenberg gut genutzt und uns die Bahn sehr gut erarbeitet“, meinte Baude.