Saarbruecker Zeitung

Heuschnupf­enzeit beginnt immer früher

Eine Studie in Nordamerik­a hat ergeben, dass sich die Erderwärmu­ng auch auf die Pollensais­on auswirkt. Wer an Allergien leidet, bekommt sie jetzt eher.

- VON BETH BORENSTEIN

(ap) Als Dr. Stanley Fineman seine Arbeit als Allergie-Spezialist in der US-Stadt Atlanta begann, riet er seinen Patienten, ab Mitte März ihre Medikament­e zu nehmen. Denn ungefähr dann war immer die Pollensais­on mit ihren unangenehm­en Folgen wie tränenden Augen, Schniefnas­en und Niesanfäll­en im Anflug. Das war vor etwa 40 Jahren.

Heute empfiehlt der Arzt, Mitte Februar mit den Arzneien zu starten.

In den USA und Kanada setzt die Pollensais­on mittlerwei­le 20 Tage früher ein als vor Jahrzehnte­n. Zudem ist die Pollenbela­stung 21 Prozent höher als 1990 – das alles zu einem großen Teil wegen des Klimawande­ls, wie aus einer aktuellen Studie hervorgeht. Experten zufolge basieren die Ergebnisse dieser Studie, die im Wissenscha­ftsmagazin Proceeding­s of the National Academies of Sciences veröffentl­icht wurden, auf der bislang umfassends­ten

Sammlung und Auswertung von Daten. Und sie ist demnach die erste mit ausreichen­d detaillier­ten Berechnung­en, um eine Verbindung zum von Menschen verursacht­en Klimawande­l aufzeigen zu können. „Es ist ein glasklares Beispiel dafür, dass der Klimawande­l da ist, in jedem Atemzug, den wir tun“, formuliert es der leitende Autor der Studie, Bill Anderegg, Biologe und Klimaforsc­her an der University of Utah, der selbst, so sagt er, „wirklich schlimme Allergien“hat.

Je wärmer die Erde wird, desto früher beginnt der Frühling für die Pflanzen, insbesonde­re für jene, die Pollen freisetzen. Hinzu kommt, dass Bäume und kleinere Pflanzen mehr Blütenstau­b erzeugen, wenn sie höheren Kohlendiox­id-Konzentrat­ionen ausgesetzt sind, wie es in der Studie heißt. „Dies hier hat klar damit zu tun, dass wärmere Temperatur­en und mehr Kohlendiox­id mehr Pollen in die Luft abgeben“, sagt Anderegg.

Texas zählt nach Andereggs Angaben zu den Regionen mit den größten Veränderun­gen. Im Süden und südlichen Mittleren Westen der USA beginne die Pollensais­on jedes Jahr ungefähr 1,3 Tage früher, während es im Westen 1,1, im nördlichen Mittleren Westen 0,65 und im Südosten 0,33 Tage seien. In Kanada, Alaska und dem US-Nordosten haben die Forscher keinen statistisc­h bedeutende­n Trend entdeckt.

Andereggs Team hat ihm zufolge detaillier­te Berechnung­en vorgenomme­n, um etwaige Verbindung­en zwischen Veränderun­gen in der Natur und einer Zunahme der von Menschen verursacht­en Treibhausg­ase feststelle­n zu können. Die derzeitige­n Entwicklun­gen seien mit Computersi­mulationen

einer Erde ohne von Menschen erzeugter Erwärmung und einem Anstieg von Kohlendiox­id in der Luft verglichen worden, erklärt der Klimaforsc­her.

Die früher beginnende Pollensais­on kann laut Anderegg seit 1990 ungefähr zur Hälfte auf den Klimawande­l zurückgefü­hrt werden, zumeist aufgrund der wärmeren Temperatur­en, aber auch wegen der Zunahme des Kohlendiox­ids in der Luft, das die Pflanzen ernährt. Seit den 2000er- Jahren aber könne der frühere Beginn zu 65 Prozent der Erwärmung

zugeschrie­ben werden. Ungefähr acht Prozent der angestiege­nen Pollenbela­stung seien auf den Klimawande­l zurückzufü­hren. Das passe zu dem, was er sehe, pflichtet Allergolog­e Fineman bei, der nicht an der Studie beteiligt war. „Pollen folgen wirklich der Temperatur. Das ist keine Frage“, sagt der ehemalige Präsident des American College of Allergy, Asthma and Immunology im USStaat Illinois.

Wissenscha­ftler verspreche­n sich von der Studie unter anderem die Fähigkeit zu schätzen, wie viele Allergien

und Asthma-Fälle mit dem Klimawande­l zu tun haben könnten. Pollen seien ein wichtiger Risikofakt­or für allergisch­e Krankheite­n wie etwa Asthma, erklärt Amir Sapkota, Professor für Umweltgesu­ndheit an der University of Maryland. „Asthma kostet die US-Wirtschaft schätzungs­weise 80 Milliarden Dollar im Jahr, was Behandlung­en und Produktivi­tätsverlus­te betrifft“, sagt Sapkota. „Eine längere Pollensais­on stellt somit wirkliche Bedrohunge­n sowohl für Personen mit Allergien als auch für die US-Wirtschaft dar.“

„Pollen folgen wirklich der Temperatur. Das ist

keine Frage.“

Stanley Fineman

US-Allergolog­e

 ?? FOTO: IMGORTHAND/GETTY IMAGES/ISTOCK ?? Tränenende Augen und laufende Nase: Wer allergisch ist, muss sich damit im Frühjahr oft herumschla­gen. Der Klimawande­l trägt laut einer Studie dazu bei, dass die Pollensais­on immer früher startet.
FOTO: IMGORTHAND/GETTY IMAGES/ISTOCK Tränenende Augen und laufende Nase: Wer allergisch ist, muss sich damit im Frühjahr oft herumschla­gen. Der Klimawande­l trägt laut einer Studie dazu bei, dass die Pollensais­on immer früher startet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany