Saarbruecker Zeitung

Olympia-Chef wirft nach Sexismus-Vorwürfen hin

Kurz vor den Spielen in Tokio steht Japans oberster Olympia-Funktionär vor dem Rücktritt. Er hatte sich abfällig über Frauen geäußert.

- VON LARS NICOLAYSEN

Der Vorsitzend­e des Organisati­onskomitee­s der Olympische­n Sommerspie­le in Tokio, Yoshiro Mori, tritt laut japanische­n Medienberi­chten zurück. Ihm werden sexistisch­e Äußerungen vorgeworfe­n.

(dpa) Mitten im Kampf um die Rettung der Sommerspie­le in Tokio müssen sich die japanische­n Gastgeber wohl einen neuen Organisati­onschef suchen. Der wegen sexistisch­er Kommentare massiv in die Kritik geratene Yoshiro Mori wird Medienberi­chten zufolge zurücktret­en. Das meldete die japanische Nachrichte­nagentur Kyodo unter Berufung auf informiert­e Kreise. Der Skandal kommt für die Olympia-Macher zur Unzeit, halten sich doch wegen der weiter bedrohlich­en Corona-Lage die Zweifel an der Austragung der bereits um ein Jahr verschoben­en Tokio-Spiele.

Der 83 Jahre alte Ex-Regierungs­chef Mori hatte bei einer Online-Vorstandss­itzung des OK der Sommerspie­le zur geplanten Verdoppelu­ng der Frauenquot­e in Führungsgr­emien der Sportverbä­nde auf 40 Prozent erklärt, Frauen redeten viel, weshalb Vorstandss­itzungen Zeit in Anspruch nähmen. Mori hatte sich für die Äußerung entschuldi­gt, doch der Sturm der Entrüstung riss nicht ab.

Für diesen Freitag hat das OK eine Sondersitz­ung einberufen, auf der Mori den Berichten zufolge seinen Rücktritt bekanntgeb­en wollte. Dem japanische­n Fernsehsen­der Nippon TV zufolge erklärte Mori, er wolle nicht, dass sich die Sache noch länger hinziehe. „Wir haben keine Zeit mehr“, zitierte der Sender Mori.

Als sein Nachfolger ist Berichten zufolge Saburo Kawabuchi im Gespräch, Gründer der Fußball-Profiliga J-League und Ex-Präsident des japanische­n Fußballver­bandes.

Frauen hätten einen starken Sinn für Rivalität, war Mori zitiert worden. „Wenn eine von ihnen ihre Hand hebt, denken sie wahrschein­lich, dass sie auch etwas sagen müssen. Und dann sagen alle etwas.“

Dafür hagelte es einen Sturm der Kritik. So erklärten rund 390 Olympia-Helfer, aus Protest ihr Ehrenamt nicht antreten zu wollen. Die Gouverneur­in von Tokio, Yuriko Koike, erklärte, dass sie an einem Mitte dieses Monats geplanten Treffen mit Mori, Japans Olympiamin­isterin Seiko Hashimoto und IOC-Präsident Thomas Bach zur Vorbereitu­ng der Spiele nicht teilnehmen werde.

Das japanische OK bewertete Moris Aussagen als unangemess­en und unterstric­h sein Bekenntnis zur Gleichstel­lung der Geschlecht­er.

Auch das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) erklärte, die Aussagen des japanische­n Funktionär­s seien „absolut unangebrac­ht und im Widerspruc­h zu den Verpflicht­ungen des IOC und den Reformen seiner Olympische­n Agenda 2020“.

Mori ist die graue Eminenz der mächtigste­n Gruppe in der Regierungs­partei LDP und als langjährig­er Rugby-Verbandsch­ef in Politik und Sport vernetzt wie kein anderer. Der amtierende Ministerpr­äsident Yoshihide Suga und andere ranghohe LDP-Politiker rügten Mori lediglich, von Rücktritt wollte niemand sprechen. Der Eklat ist jedoch ein weiteres großes Problem für Japans Olympia-Macher, die trotz der andauernde­n Corona-Pandemie

am 23. Juli die wegen Corona um ein Jahr verschoben­en Sommerspie­le in Tokio mit 11 000 Athleten und anschließe­nd die Paralympic­s mit 4400 Athleten eröffnen wollen.

Japan, das allzu oft im Schatten des mächtigen Chinas steht, will mit dem Mega-Spektakel die Aufmerksam­keit der Weltöffent­lichkeit wieder auf sich ziehen. Doch in Umfragen spricht sich die große Mehrheit der eigenen Bevölkerun­g dafür aus, die Spiele in Tokio erneut zu verschiebe­n oder sogar ganz abzusagen. Der Skandal um Mori, der dem Ansehen Japans schadet, verstärkt diesen Negativtre­nd. Laut des Senders NHK bezeichnet­en 36 von 70 Olympia-Sponsoren Moris Äußerungen als unakzeptab­el.

„Wenn eine von ihnen ihre Hand hebt, denken sie wahrschein­lich, dass sie auch etwas sagen müssen. Und dann sa

gen alle etwas.“

Olympia-OK-Chef Yoshiro Mori über die Gründe, warum seiner Meinung nach die Frauenquot­e in Sport-Führungsgr­emien so niedrig ist

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FOTO: FONG/AFP Ein Aktivist hält ein Plakat mit dem Bild von Japans Olympia-OK-Chef Yoshiro Mori hoch, das dessen Rücktritt wegen sexistisch­er Äußerungen fordert.

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