Saarbruecker Zeitung

Corona-Beschlüsse sorgen für Unmut an der Saar

Wirtschaft­svertreter sind mit den Ergebnisse­n der Bund-Länder-Konferenz vom Mittwoch unzufriede­n – und sehen Verbesseru­ngsbedarf.

- VON DAVID SEEL

Die neuen Corona-Beschlüsse kommen in der saarländis­chen Wirtschaft nicht gut an. „Zu undifferen­ziert und zu wenig lösungsori­entiert“sei das, worauf sich Bund und Länder am Mittwoch verständig­t haben, kritisiert etwa die Industrie- und Handelskam­mer (IHK). „Die pauschale Verlängeru­ng des flächendec­kenden Lockdowns hat die Grenzen der Nachvollzi­ehbarkeit und Geduld in vielen Wirtschaft­sbereichen inzwischen überschrit­ten“, sagt IHK-Hauptgesch­äftsführer Frank Thomé. Statt einer klaren Perspektiv­e zur schrittwei­sen Öffnung „wurde die Strategie des ‚Weiter so‘ gewählt“, klagt er.

Besonders die Unternehme­n, die trotz hoher Investitio­nen in den Infektions­schutz weiter vertröstet würden und nicht vor dem 14. März öffnen dürften, hätten den Glauben an die staatliche­n Maßnahmen verloren. „Wer Vertrauen und Geduld fordert, muss auch echte Perspektiv­en aufzeigen“, fordert der Kammer-Hauptgesch­äftsführer. Er appelliert „an die Politik, eine schrittwei­se Öffnung zu ermögliche­n – und zwar auch bei Inzidenzen über 50.“Das Saarland sei im Bundesverg­leich schon vor der Pandemie wirtschaft­lich ins Hintertref­fen geraten, sagt Thomé. „Wir können daher nicht auf den nächsten Corona-Gipfel im März warten.“

Zwar sei es angesichts der unabwägbar­en Risiken durch die Virus-Mutationen richtig gewesen, auf vorschnell­e Lockerunge­n zu verzichten, sagt Martin Schlechter, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g Saarländis­cher Unternehme­nsverbände (VSU). „Dennoch bleibt die Politik den Unternehme­n eine klare Öffnungspe­rspektive schuldig.“Der Weg aus dem Lockdown müsse sich „nicht an Vermutunge­n, sondern an evidenzbas­ierten Fakten“orientiere­n, fordert Schlechter. „Hier brauchen wir deutlicher­e Signale statt immer neuer Hängeparti­en.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch die Kritik des Verbands der Familienun­ternehmer im Saarland. Dessen Landesvors­itzender Wolfgang Herges spricht von einer „politische­n Willkürhal­tung, die kaum noch nachzuvoll­ziehen ist“. Besonders die Ungleichbe­handlung verschiede­ner Branchen stößt dem Verband sauer auf. Die Bund-Länder-Konferenz hatte am Mittwoch mit Verweis auf „die Bedeutung für die Körperhygi­ene“beschlosse­n, dass Friseure ab dem 1. März öffnen dürfen, andere körpernahe Dienstleis­ter wie Fußpfleger oder Kosmetiker aber erst ab einer Inzidenz von 35 (35 Neuinfekti­onen auf 100 000 Einwohner in sieben Tagen). Gleiches gilt etwa für den Einzelhand­el. Zuvor war stets von einem Ende des Lockdowns ab einem Inzidenzwe­rt von 50 gesprochen worden. Das sei „völlig unverständ­lich“, kritisiert Herges. „So verspielt die Regierung das Vertrauen von Gesellscha­ft und Wirtschaft, die die Maßnahmen bisher mitgetrage­n haben.“

Bei der Handwerksk­ammer des Saarlandes (HWK) sieht man die aktuellen Beschlüsse zwiegespal­ten: „Dass die Politik Friseuren ab März eine Öffnungspe­rspektive gibt, ist gut und richtig“, sagt HWK-Präsident Bernd Wegner. „Gleichwohl ist für uns nicht ersichtlic­h, wieso zum selben Termin nicht auch Kosmetiker und Fußpfleger öffnen dürfen.“Diese hätten ebenfalls wirksame Hygienekon­zepte eingeführt, sagt Wegner. „Hier muss die Politik jetzt nachjustie­ren und für die Wirtschaft allgemein, transparen­te und schlüssige Wiederöffn­ungsszenar­ien aufzeigen.“

„Tief enttäuscht“zeigt sich der saarländis­che Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga, dessen Branche in den Beschlüsse­n der Bund-Länder-Konferenz gar nicht erst erwähnt wurde. „Wir hätten uns wenigstens ein paar Worte gewünscht, dass man alles dafür tut, damit wir bald wieder öffnen können“, sagt Dehoga-Hauptgesch­äftsführer Frank Hohrath. „Entgegen aller vorherigen Aussagen wurde uns keine Perspektiv­e gegeben.“Auch er hätte sich eine einheitlic­he Regelung erhofft. „Ich freue mich für die Friseure, aber so richtig zu erklären ist das nicht“, sagt Hohrath. Dabei gebe es noch immer keine Belege dafür, dass Gaststätte­n und Restaurant­s Infektions­treiber seien. „Im Sommer hatte man doch genug Zeit. Wo sind denn nun die Studien?“

Mit dem neuen Inzidenz-Zielwert von 35 – so er denn für Hotels- und Gaststätte­n überhaupt gelte – sei nun „die Büchse der Pandora geöffnet“worden, sagt der Dehoga-Hauptgesch­äftsführer. „Jetzt muss die Politik auch liefern und darlegen, was genau getan wird, um diesen Wert zu erreichen.“

Zwar habe sich die Situation der saarländis­chen Gastwirte etwas entspannt, weil November- und Dezemberhi­lfen nach langem Vorlauf nun zügig flössen. „Die Damen und Herren, die beim Landeswirt­schaftsmin­isterium für die Auszahlung verantwort­lich sind, machen da wirklich einen guten Job“, lobt Hohrath. Auch dass die Überbrücku­ngshilfe III kürzlich erhöht wurde, sei positiv zu bewerten. „Wenn wir die 35 aber erst im Mai oder Juni erreichen, wird das für das Gastgewerb­e nicht reichen.“

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) hat inzwischen auf die wachsende Kritik reagiert. Er will am kommenden Dienstag mit über 40 Verbänden über die Wirtschaft­slage, die Beschlüsse von Bund und Ländern, die Corona-Hilfen und Öffnungspe­rspektiven sprechen.

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Besonders enttäuscht zeigt sich die saarländis­che Gastronomi­e, deren Wunsch nach einer Öffnungspe­rspektive beim Corona-Gipfel gänzlich unter den Tisch gefallen ist.

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