Saarbruecker Zeitung

Der Appell an die Politik auch im Saarland, Museen wieder zu öffnen, war vergeblich – was jetzt?

Die Linke im Saar-Landtag fordert Ministerin Streichert-Clivot (SPD) zur Durchsetzu­ng der Kulturhohe­it der Länder auf. Die CDU ist gegen einen saarländis­chen Sonderweg für Museen.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Vor wenigen Tagen erklomm Andrea Jahn, die Vorstandsc­hefin der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz, das Dach der Saarbrücke­r Modernen Galerie, um eine Fahne zu hissen: „Kultur macht uns Menschen aus. Wir vermissen Dich!“

Es war dies ein

Signal ans Publikum, klar. Doch im Subtext dieser

Aktion stand die eigentlich­e Botschaft, die an die eigene Kultusmini­sterin und alle Landesregi­erungen: Macht die Museen endlich wieder auf – jetzt!.

Jahn war nicht allein mit ihrer Aktion. Über 20 saarländis­che Museumsche­fs hatten sich unter Federführu­ng des Saarländis­chen Museumsbun­des einer bundesweit­en „Öffnet-die-Museen“-Bewegung angeschlos­sen. An deren Spitze nicht nur Museumsche­fs der Tophäuser in Berlin oder Dresden, sondern auch die Berliner Staatsmini­sterin für Kultur, Monika Grütters (CDU).

Doch am Mittwoch platzte der Traum von einer Vorzugsbeh­andlung während des verlängert­en Lockdowns. Die Ministerpr­äsidenten und die Kanzlerin einigten sich darauf, die Museen nicht etwa prioritär zu behandeln wie Kitas und Schulen, sondern wie den Einzelhand­el. Sie müssen bis 7. März auf die nächste, die für sie frühestmög­liche Lockerung warten. Für manche Ausstellun­g, die wegen des November-Lockdowns nie eröffnete, heißt dies, dass sie abgebaut wird, ohne je einen Besucher gesehen zu haben. Im Saarland trifft das Debakel die große „Brücke“-Schau in der Modernen Galerie. Es sei denn, es geschieht noch ein Wunder. Und dafür wäre dann Christine Streichert-Clivot (SPD) die Richtige.

Jedenfalls war sie es, die saarländis­che Kultusmini­sterin, die am Donnerstag­morgen als Verkünderi­n der bitteren Botschaft vor dem Kulturauss­chuss des Saar-Landtages auftrat. Wie man hört, äußerte sie sich sichtlich enttäuscht darüber, dass die Ministerpr­äsidenten die Museen nicht zeitgleich mit den Schulen und Kitas öffnen wollen. Eine Ausschuss-Debatte darüber entbrannte nicht, Stoff dafür hätte es aber gegeben.

Streichert-Clivot hatte sich nämlich vor der Corona-Konferenz im Kanzleramt positionie­rt. Sie halte die gleichzeit­ige Öffnung von Museen und Schulen/Kitas für wünschensw­ert, sagte sie der SZ, sie werde sich dafür auf Bundeseben­e einsetzen. Offensicht­lich vergeblich. Vergangene Woche machten die Kulturmini­ster der Länder ihre Empfehlung für eine Öffnungsst­rategie der Kulturinst­itutionen publik. Diese Empfehlung besagte, dass Museen erst bei einem Inzidenzwe­rt von 35 wieder öffnen sollten, zusammen mit dem Einzelhand­el. Genau dieses Modell haben Kanzleramt und Bundesländ­er am Mittwoch beschlosse­n. Wurde Streichert-Clivot im Abstimmung­sprozess mit den Kulturmini­ster-Kollegen ausgebrems­t oder hat man sie von einer anderen Linie überzeugt? Dazu lag am Donnerstag bis zum Redaktions­schluss keine Auskunft aus dem saarländis­chen Kultusmini­sterium vor.

Wie auch immer. Für die Linke-Abgeordnet­e Barbara Spaniol ist das Thema Museumsöff­nung noch nicht vom Tisch. Sie sieht die Ministerin immer noch am längeren Hebel – dem der Kulturhohe­it der Länder. Spaniol fordert Streichert-Clivot und die Landesregi­erung auf, „die Kompetenz der Zuständigk­eit für Kultur zu nutzen“. Sie hätte sich „mehr Selbstbewu­sstsein für das Saarland gewünscht“, sagte die Abgeordnet­e nach der Ausschuss-Sitzung der SZ. Andere Bundesländ­er würden in anderen Bereichen ebenfalls ihre eigenen Wege gehen und von der Bundeslini­e abweichend­e Verordnung­en erlassen. Deshalb genügt Spaniol das im Ausschuss geäußerte Bedauern der Ministerin nicht: „Museen sind die am wenigsten gefährlich­en Orte. Eine Öffnung wäre rechtssich­er. Das Ministeriu­m sollte die Möglichkei­t prüfen und offensiv mit dem Ministerra­t diskutiere­n.“

Bei der CDU stößt eine solche Forderung nicht auf Gegenliebe. Der Ausschuss-Vorsitzend­e Frank Wagner (CDU) hält die Museen zwar ebenfalls für „prädestini­ert“, wenn es um erste Lockerunge­n geht, doch einen saarländis­chen Sonderweg lehnt er ab. Das Saarland könne zwar eine eigene Verordnung erlassen, jedoch würde dies die Kritik der Bürger am uneinheitl­ichen Vorgehen der Bundesländ­er und dem „Flickentep­pich“der Maßnahmen schüren. „Es wäre ein falsches Signal. Man würde damit eine Riesendeba­tte auslösen, das wäre kontraprod­uktiv“, sagt Wagner. Er hatte zusammen mit seinem für Kultur zuständige­n SPD-Kollegen Jürgen Renner die Initiative der saarländis­chen Museen sowie den Kurs der Ministerin zu einer Simultan-Lockerung für Schulen und Museen unterstütz­t. Jedoch ist Wagner davon überzeugt: „Die Regelung zur Öffnung der Kultureinr­ichtungen muss von der Bundeseben­e kommen.“

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FOTO: OLIVER DIETZE Das Plakat an der Saarbrücke­r Modernen Galerie war auch als Appell an die Landesregi­erung gedacht, sich für Museums-Öffnungen einzusetze­n.
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HELL/MINISTERIU­M ?? Kultusmini­sterin Christine Streichert-Clivot (SPD)
FOTO: CHRISTIAN HELL/MINISTERIU­M Kultusmini­sterin Christine Streichert-Clivot (SPD)

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