Wie viel Personal fehlt den Intensivstationen?
Auf den Intensivstationen fehlt Pflegepersonal. Der Gesundheitsausschuss im Saar-Landtag hat sich nun damit beschäftigt. Die Politiker wissen aber nicht, wie groß der Mangel ist.
Wie kommt mehr Pflegepersonal auf die Intensivstationen des Saarlandes? Dort herrscht offenbar ein Mangel (wir berichteten mehrfach). Am Donnerstag hat der Gesundheitsausschuss des saarländischen Landtages Vertreter der saarländischen Krankenhausgesellschaft, der Landesregierung und der Gewerkschaft Verdi eingeladen, um sich über den Mangel zu informieren – und „um Öffentlichkeit herzustellen, um zu beraten, und um die Akteure zusammenbringen“, wie Ausschussvorsitzender Magnus Jung (SPD) erklärte.
Vorweg ein paar Zahlen: 459 gemeldete Intensivbetten gibt es im Saarland, davon waren 385 am Donnerstag belegt, 61 davon mit Covid-19-Patienten. 33 davon müssen von Maschinen beatmet werden. Ein beatmeter Covid-19-Patient braucht bis zu fünf Intensiv-Pfleger. Die Kliniken im Saarland melden täglich ihre Behandlungskapazitäten an das Intensivregister der deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensivund Notfallmedizin (Divi). Das heißt nicht, dass jedes verfügbar gemeldete Intensivbett tatsächlich einsatzbereit ist. Das geht aus einer Umfrage des Marburger Bundes hervor, an der sich fast 200 Ärzte im Saarland beteiligt hatten. Die Umfrage erfolgte vom 30. November bis zum 4. Dezember 2020. Dabei gab fast ein Drittel der Befragten an, dass ihre Kliniken mehr Intensivbetten melden, als mit dem vorhandenen Personal zu betreiben seien. „Es ist nicht ausreichend, dass die Kapazitäten erweitert werden, wenn es am entsprechenden qualifizierten Personal fehlt“, kommentierte der Marburger Bund-Saarchef Dr. Gregg Frost damals. Laut Divi fehlen bundesweit schätzungsweise 3500 bis 4000 Fachkräfte für die Intensivpflege. Heruntergeschätzt auf das Saarland vermissen die Kliniken hier bis zu 160. „Natürlich ist klar, dass dort ein Problem existiert“, sagt Jung. Aber: „Das Sozialministerium kenne keine genaue Zahl, auch die Gewerkschaften nicht, auch die Träger nicht, keiner konnte heute genau sagen, wie viel Personal fehlt“. Das mache es natürlich schwerer, über Gegenmaßnahmen zu diskutieren. Jedoch bestätigen Geschäftsführer und Personalchefs der Krankenhäuser der SZ, dass sie „Fachkräfte mit Zusatzqualifikation Intensivpflege“einstellen würden – der heimische Personalmarkt aber leer sei. So wird auch im Ausland nach Personal gesucht (wir berichteten).
Michael Quetting, Pflegebeauftragter der Gewerkschaft Verdi, hat eine andere These: „Es gibt keinen Mangel an Pflegepersonen, sondern einen Mangel an Pflegekräften, die unter diesen Bedingungen bereit sind, in der Pflege zu arbeiten“, erklärte er gestern vor den Abgeordneten im Gesundheitsausschuss. Sie zurückzugewinnen, fällt schwer, wenn die Kliniken ihnen nicht bessere Arbeitsbedingungen versprechen können, wozu sie wiederum mehr Personal bräuchten. Dazu lässt die Demografie keine Massenausbildung zu. Die Pflegerinnen und Pfleger, die derzeit arbeiten, „müssten bis über ihre Grenzen gehen“, sagte Quetting. man müsse aufpassen, dass die, die noch da sind, „uns nicht weglaufen“, warnte der Gewerkschafter. Zumal die Personaluntergrenzen auf den Stationen teilweise aufgehoben seien. Seit 2019 gelten sie zwar in der Intensivpflege, zum 1. Januar 2021 hat sie der Gesetzgeber gar verschärft, doch wegen Corona können Kliniken davon abweichen. Eine ganze Berufsgruppe würde so verheizt, sagte Quetting. „Die haben keinen Bock mehr.“
Als erste Gegenmaßnahmen forderte er von der Landesregierung, dass die Pflegebediensteten mehr Freischichten bekommen sollen. Das Personal, „das mit Covid-Patienten arbeitet, soll pro Monat 500 Euro mehr brutto erhalten, alternativ fünf Tage Sonderurlaub“, fordert Quetting. Auch die Pausen sollten bezahlt werden, „da man sie eh nicht nehmen kann“. In Pandemiezeiten seien auch die Umkleidezeiten anzupassen, so bestehe „das Bedürfnis, nach der Schicht zu duschen“. Auch die Infektionszulage könnte laut Quetting angesichts der Gefahren und der Toten deutlich angehoben werden.
Mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Wertschätzung. „Die Kolleginnen und Kollegen müssen durch ein deutliches Zeichen wahrnehmen, dass man sie ernst nimmt“, sagte Quetting. „Die Beschäftigten brauchen jetzt das klare Signal, dass sich ihre Arbeitsbedingungen dauerhaft verbessern.“Dafür müsse eine neue Personalbemessung (PPR) in der Krankenhauspflege her. Das von Verdi, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Deutschem Pflegerat erarbeitete PPR-2.0-Konzept „liege auf dem Tisch“, sagte Quetting. Hier erwarte er von der CDU/SPD-Landesregierung „eine klare Positionierung“.
Es sei ja schon was passiert, erklärte Jung. „Wir haben 970 Menschen, die sich seit vergangenem Jahr zu Pflegefachkräften ausbilden lassen und 270, die die neue Ausbildung zum Pflegeassistenten begonnen haben.“Die Tariflöhne seien angepasst. Aus der Sicht von Jung ist es notwendig, dass sich das Gesundheitsministerium, die Gewerkschaften und die Krankenhausträger mal an einen Tisch setzen, „eine Task Force einrichten“und über konkrete Dinge reden, was getan werden kann, um den Mangel in den Intensivstationen zu beheben. „Das Klagen bringt uns nicht weiter“, sagt er. „Mein Eindruck ist, dass bisher mehr übereinander als miteinander geredet wurde.“Was kann das Saarland konkret erreichen? „Wir brauchen Maßnahmen, nach denen wir in sechs Wochen sagen können: ,Wir haben was erreicht‘“. Letztlich sei dies nicht die Aufgabe der Ausschüsse. „Das ist operatives Geschäft, da muss die Landesregierung vorangehen“, sagte Jung.
„Das ist operatives Geschäft, da muss die Landesregierung
vorangehen.“
Magnus Jung (SPD)
Vorsitzender des Gesundheitsausschusses