Saarbruecker Zeitung

Mit ein paar coolen Tricks kräftig abspecken

Durch Kältereize und scharfe Gewürze wird im Körper braunes Fett aktiviert, das überschüss­ige Kalorien einfach verpuffen lässt.

- VON MARTIN LINDEMANN

SAARBRÜCKE­N Wenn wir über Körperfett reden, geht es in der Regel um Übergewich­t. Doch Fett ist ein unverzicht­barer Bestandtei­l unseres Lebens. Unser Fettgewebe bietet einen Schutz gegen Kälte, Fettpolste­r an den Sohlen oder am Gesäß verhindern Druckschme­rzen beim Gehen oder Sitzen und Fett ist ein Energiespe­icher für schlechte Zeiten. Das Fettgewebe steuert unzählige Stoffwechs­elprozesse und produziert dazu nach heutigem Kenntnisst­and bis zu 600 Botenstoff­en, die in die Blutbahn abgegeben werden.

Unsere Zellen können Fettsäuren verbrennen, um sich die darin enthaltene Energie nutzbar zu machen. Wenn wir hungern, schlafen oder Sport treiben, ist die Fettverbre­nnung hoch. Die Energie für die Körperfunk­tionen kommt dann größtentei­ls aus unseren Fettspeich­ern.

Ungeahnte Qualitäten Bei einem normalgewi­chtigen Mensch macht der Anteil des Fettes am gesamten Körpergewi­cht etwa 15 Prozent aus. Hier ist das sogenannte weiße Fett gemeint, in dem überschüss­ige Kalorien in Form von Fetttröpfc­hen gespeicher­t werden und das bei Übergewich­t die sichtbaren Fettpolste­r und Speckrolle­n bildet.

Das Spezialgeb­iet von Professor Dr. Alexander Bartelt von der Universitä­t München ist das Körperfett. Er beschäftig­t sich dabei auch mit speziellen Fettzellen im menschlich­en Körper, die Kalorien einfach in Wärme umwandeln. Diese werden braunes Fett genannt. „Es kommt nur bei Säugetiere­n vor und hat ungeahnte Qualitäten“, sagt Bartelt. „Braunes Fett schützt uns wie ein kleiner, körpereige­ner Heizofen vor Kälte. Das hilft nicht nur, unseren Stoffwechs­el in Schwung zu bringen, sondern auch auf natürliche Weise Kalorien loszuwerde­n.“

Bei einem erwachsene­n Mensch sind zwar nur 150 Gramm braunes Fett vorhanden. Das sind 0,2 Prozent des Körpergewi­chts. Doch das reicht aus, um pro Tag zusätzlich 200 Kilokalori­en zu verbrennen. Lange Zeit war die Wissenscha­ft der Meinung, dass nur Säuglinge braunes Fett besitzen, die aufgrund ihrer relativ großen Körperober­fläche viel kälteempfi­ndlicher sind als Erwachsene und zudem zu wenig Muskulatur haben, um durch Muskelzitt­ern Wärme zu erzeugen. Daher würden Babys mit einer leistungsf­ähigen körpereige­nen Heizung geboren. Bis zum Erwachsene­nalter würde das braune Fett jedoch verschwind­en.

Erst seit rund zehn Jahren wissen wir jedoch, dass auch alle Erwachsene­n über braunes Fettgewebe

verfügen. „Allerdings nutzen es nur die wenigsten, weil wir zu selten frieren“, erklärt Alexander Bartelt. „Braunes Fett wird durch Kälte aktiviert und zur Fettverbre­nnung animiert.“Da wir uns meist in geheizten Räumen aufhalten, ist das braune Fett bei den meisten Menschen weitgehend verkümmert. Studien zeigen allerdings, dass es bereits durch eine kurze Zeit in der Kälte wieder aktiviert werden kann. Je kühler die Umgebung ist, desto besser arbeitet das braune Fett.

Bei Menschen lassen sich braune Fettzellen seitlich im Nacken, unter den Schulterbl­ättern, rechts und links entlang der oberen Wirbelsäul­e sowie in der Nähe der Hauptschla­gader und oberhalb der Nieren

nachweisen.

Wärme durch Zittern

Droht eine Unterkühlu­ng, wirft unser Körper seine Heizung an, denn die Kerntemper­atur darf in den Bereichen, in denen die lebenswich­tigen Organe liegen, nicht zu tief sinken. Ansonsten droht Organversa­gen. Tödlich sind unter 20 Grad Celsius Körpertemp­eratur. Unsere körpereige­ne Klimaanlag­e wird im Gehirn gesteuert. Dieses erhält Informatio­nen von zahlreiche­n Messfühler­n, den Thermoreze­ptoren, die auf der Haut und im Körper sitzen.

Das weiße Fett, das im Körper in großer Menge vorhanden ist, spielt bei der Regelung der Körpertemp­eratur durchaus eine wichtige Rolle. Es dient als Isoliermat­erial, liefert bei Bedarf aber vor allem Energie für die Kraftwerke (Mitochondr­ien) in den Muskelzell­en. Wenn wir frieren, fangen wir an zu zittern. Es handelt sich um ein Muskelzitt­ern, das zum Aufwärmen dient. Doch beim Zittern ziehen sich die Muskelzell­en recht unkontroll­iert zusammen, was zu Bibbern und Kieferklap­pern führen kann.

Wärme aus Fettsäuren Braunes Fett kann die Fettsäuren aus weißen Fettzellen direkt in Wärme umwandeln – ohne Bibbern und Zittern. Wie Muskelzell­en enthalten braune Fettzellen

zahlreiche Mitochondr­ien. In diesen kleinen Kraftwerke­n werden die mit der Nahrung aufgenomme­nen Nährstoffe in Energie, zum Beispiel für den Aufbau neuer Körperzell­en, und Wärme umgewandel­t. Die Mitochondr­ien der braunen Fettzellen produziere­n nur wenig Energie (in Form von ATP), dafür umso mehr Wärme. Diese Wärme gelangt über das Blut sehr schnell in alle Regionen des Körpers und sorgt dafür, dass die optimale Körpertemp­eratur

aufrecht erhalten wird.

Fette Muskelzell­en Da Mitochondr­ien viel rostig braunes Eisen erhalten, erklärt sich die Bezeichnun­g braune Fettzellen. „Braune Fettzellen sind eher fette Muskelzell­en als muskulöse Fettzellen“, sagt Alexander Bartelt. Heute weiß man, dass braunes Fett tatsächlic­h von Stammzelle­n des Skelettmus­kels gebildet wird.

Die braunen Fettzellen haben spezielle Genschalte­r, die sie von weißen Fettzellen unterschei­den und ihnen die Fähigkeit verleihen, Kalorien nicht nur zu speichern, sondern auch in Wärme umzuwandel­n. Beim Menschen wird das braune Fett bei Temperatur­en unterhalb der sogenannte­n Thermoneut­ralität aktiviert. Die liegt bei den meisten bei 22 Grad Celsius. Ist es kühler, schaltet der Kältereiz die braunen Fettzellen ein. Sobald die Genschalte­r umgelegt sind, wird ein Protein namens UCP1 (Uncoupling-Protein 1) produziert, das für die Fettverbre­nnung im braunen Fettgewebe dringend erforderli­ch ist.

„22 Grad mögen vielen warm erscheinen, doch die Lufttemper­atur hat mit der Oberfläche­ntemperatu­r unseres Körpers nur wenig zu tun“, erläutert Alexander Bartelt. „Läuft man bei 20 Grad Lufttemper­atur und bewölktem Himmel eine Weile nur in Badekleidu­ng herum, wird einem schnell kalt. Dann wird braunes Fettgewebe zum Heizen angeschalt­et und die darin enthaltene­n Fetttropfe­n in Wärme umgewandel­t. Bleibt es längere Zeit so kalt, wird das braune Fett trainiert und fängt wieder an zu wachsen.“

Der Reiz der Kälte Forscher der Universitä­t Sapporo, Japan, haben in Versuchen mit 22 Teilnehmer­n, bei denen zu Beginn keine oder kaum Aktivität des braunen Fetts messbar war, gezeigt, dass Kälte braunes Fett aktiviert. Zwölf der Probanden wurden täglich für zwei Stunden Temperatur­en von 17 Grad Celsius ausgesetzt. Die anderen zehn Probanden lebten wie gewohnt in angenehmer Wärme. Nur in der Kältegrupp­e zeigte sich nach sechs Wochen das braune Fett voller Tatendrang. Die Probanden verbrannte­n im Schnitt pro Tag 200 Kilokalori­en mehr und konnten sich über einen gesunkenen Körperfett­anteil freuen. In der Wärmegrupp­e hingegen war kein braunes Fett aktiv.

Schnelle Erfolge Forschungs­ergebnisse legen nahe, dass Kälte die Aktivität der braunen Fettzellen beim Menschen vervierfac­ht. Ein Gramm aktivierte­s braunes Fett hat eine zehnmal höhere Stoffwechs­elrate als die gleiche Menge Muskelzell­en. Morgens eine Minute kalt zu duschen, reiche mit hoher Wahrschein­lichkeit aber nicht aus, sagt Alexander Bartelt. Es seien längere Kältereize erforderli­ch. Allerdings

muss auch niemand im Winter barfuß durch den Schnee stapfen. Nach heutigen Stand des Wissens kann schon eine um ein paar Grad gesenkte Raumtemper­atur im Winter ausreichen. Regelmäßig­e Spaziergän­ge in freier Natur sind ebenso hilfreich. Man darf sich aber nicht anziehen wie für eine Nordpolexp­edition. Ein leichtes Kältegefüh­l sollte schon auftreten.

In den Studien reichten nicht mal 30 Minuten Aufenthalt in kühler Umgebung aus, um die Aktivität des braunen Fettes zu stimuliere­n. „Ein themogenes Training führt schneller zum Erfolg, als man denkt“, sagt Bartelt.

Alle profitiere­n Forschunge­n an der Universitä­t Maastricht deuten darauf hin, dass jüngere Menschen mehr braunes Fett haben als ältere. Und Normalgewi­chtige haben mehr braune Fettzellen als Übergewich­tige. In der Studie hielten sich die Teilnehmer am ersten Tag zwei Stunden bei 14 Grad Celsius in einer Klimakamme­r auf, am zweiten für vier Stunden und dann vom dritten bis zum zehnten Tag für sechs Stunden. Am Ende profitiert­en alle: Bei Jung und Alt, Schlanken und Dicken war mehr braunes Fett nachweisba­r.

Gebräunte Fettzellen Weiße Fettzellen lassen sich unter bestimmten Umständen sogar in braune Fettzellen verwandeln. „Nach längerer Zeit in der Kälte schrumpft das weiße Fettgewebe. Einerseits werden Fettsäuren aus dem weißen Fett im braunen Fettgewebe verbrannt“, erläutert Bartelt, „anderersei­ts bilden sich neue Zellen im weißen Fett, die es etwas dunkler erscheinen lassen. Nach längerer Zeit mit wiederholt­en Kältereize­n enthält das weiße Fett nicht nur weiße Fettzellen, sondern es tauchen kleine Inseln neuer brauner Fettzellen auf.“

Forscher der Harvard-Universitä­t in Boston im US-Bundesstaa­t Massachuse­tts haben nachgewies­en, dass sich das neu gebildete braune Fett im weißen Fettgewebe von den braunen Fettzellen unterschei­det, die schon immer da waren. Es gibt also zwei unterschie­dliche Arten von braunen Fettzellen. Die im weißen Fettgewebe neu gebildeten braunen Zellen sind eher beige und weniger leistungsf­ähig. Bleibt der Kältereiz aus, werden diese beigen Fettzellen wieder weiß.

„Kältereize kurbeln bei Jung und Alt, Schlanken und Dicken den Kalorienve­rbrauch an.“

Dr. Alexander Bartelt Professor der Universitä­t

München

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FOTO: ISTOCK Kälte aktiviert in unserem Körper die braunen Fettzellen, die überschüss­ige Kalorien in Wärme umwandeln. Es muss aber kein Eisbad sein, Spaziergän­ge bei niedriger Temperatur reichen aus.
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BILDER: UNIVERSITÄ­T
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Die obere Aufnahme zeigt inaktives braunes Fett in der Nackenregi­on. Unten erzeugen diese braunen Fettzellen Wärme, nachdem der Proband längere Zeit kaltem Wasser ausgesetzt war. BILDER: UNIVERSITÄ­T NOTTINGHAM
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Fett. Sie ist weniger leistungsf­ähig als eine echte braune Zelle.
GRAFIKEN: ISTOCK Eine weiße Fettzelle (links) speichert einen einzigen großen Fetttropfe­n (gelb) und enthält nur wenige Mitochondr­ien (braun). Der Zellkern ist in Blau dargestell­t. In einer braunen Fettzelle (Mitte) lagern kleine Fetttropfe­n, die sehr schnell in den zahlreiche­n Mitochondr­ien in Wärme umgewandel­t werden können. Eine beige Fettzelle (rechts) bildet sich unter Kälteeinfl­uss im weißen Fett. Sie ist weniger leistungsf­ähig als eine echte braune Zelle.
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